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Früchte der Migration

Ausgabe Nr. 3 vom 17. Januar 2010

Früchte der Migration

Gastfreundlich: die drei Scalabrini-Missionare Nodiel Snachez Munoz, André Bergmann und Tobias Keßler (von links) haben in Frankfurt-Oberrad eine neue Niederlassung gegründet. Sie sind dem Pilotprojekt „Bereitschaft zur Bewegung“ zugeordnet. Foto: Barbara Brüning

Scalabrini-Missionare gründen neue Niederlassung in Frankfurt

Von Barbara Brüning

Frankfurt-Oberrad. Noch wirkt die große helle Wohnung etwas unfertig. Eine Couchgarnitur lädt zwar zum Sitzen ein, aber sie sieht noch ganz neu aus. Die Telefonanlage funktioniert auch noch nicht. Seit Oktober leben hier drei Priester, die zum Orden der Scalabrini-Missionare gehören.

Pater Nodiel Sanchez Muñoz (33), gebürtiger Kolumbianer, ist seit November Pfarrer der spanischsprachigen Gemeinde. Pater André Bergmann (33), geboren in Brasilien und aufgewachsen in Paraguay, wird die portugiesischsprachige Gemeinde übernehmen. Der Dritte im Bunde ist Pater Tobias Keßler (43) aus Ulm.

Dem Projekt „Bereitschaft zur Bewegung“ zugeordnet

Nach Frankfurt sind sie in einer besonderen Mission gekommen. Die drei sind dem Pilotprojekt „Bereitschaft zur Bewegung“ zugeordnet, an dem in Frankfurt der Pastorale Raum City, Nord- und Ostend sowie die spanisch- und die portugiesischsprachige Gemeinde beteiligt sind. Unterstützt werden sie dabei von Pfarrer Dr. Stefan Scholz und dem Stadtdekan.

Ganz behutsam wollen die drei Grenzen öffnen und etwas durchlässiger machen. Zunächst einmal dadurch, dass sie als Team zusammen arbeiten und sich in Gottesdiensten gegenseitig vertreten, dass jeder Messen auf Deutsch, Portugiesisch und Spanisch feiern wird, erklärt Keßler. „Wir wollen Brücke zwischen Ortsgemeinden und muttersprachlichen Gemeinden sein. Wir möchten sie auf dem Weg zueinander begleiten. Das ist das Anliegen des Pilotprojekts und auch unseres.“ Es gehe ihm darum, der Ortskirche zu helfen, sich als Weltkirche neu zu entdecken. „Denn“, so Keßler, „die Kirche ist universell. Es gibt keine Deutsche Kirche. Dass wir manchmal den Eindruck haben, dass es sie gäbe, kommt vermutlich auch aus der durchaus sinnvollen Verwendung der Nationalsprachen. Doch dieser Eindruck ist theologisch nicht korrekt. Wir sind Weltkirche, und die Migration gibt uns die Chance, das gemeinsam zu entdecken.“

Die Zuwanderergemeinden sind ebenfalls eingeladen, sich als Weltkirche zu verstehen. Denn sie neigen häufig dazu, sich abzugrenzen. So besteht etwa die spanischsprachige Gemeinde aus 21 Nationen, die sehr unterschiedlich geprägt sind.

Von Böhmen nach Brasilien

André Bergmann ist der Superior der kleinen Gemeinschaft, die seit Oktober im Frankfurter Süden lebt. Wie sich so mancher Migrant fühlt, der des Deutschen zwar mächtig, aber nicht so sicher in allen Fachausdrücken des Telefonwesens ist, wird er zu spüren bekommen, wenn die Monteure der Telefongesellschaft kommen. Es ist für ihn keine neue Erfahrung. „Ich bin eine Frucht der Migration“, sagt er von sich selbst. Und das nicht in erster Generation. Ende des 18. Jahrhunderts wanderten seine Vorfahren von Böhmen nach Brasilien aus. „Die Generation meiner Oma hat nur Deutsch gesprochen“, erzählt Bergmann. Seine Eltern sind aber nicht in Brasilien geblieben, sondern nach Paraguay ausgewandert. Das war seine erste Erfahrung als Migrant.

Einziger deutschstämmiger Scalabrinianer weltweit

(Kopie 1)

Nach seiner Priesterweihe ging er nach Europa, nach Italien. Bergmann lebte in Rom, arbeitete aber mit brasilianischen Zuwanderern und hatte kaum Gelegenheit, Italienisch zu sprechen. Dazu kam es erst, als er 2006 nach München ging. Hier lernte er zwar in der Schule Deutsch, arbeitete aber in der Katholisch-Italienischen Mission. Erst in einem Dorf südlich von München hatte er Gelegenheit Deutsch beziehunsgweise Bayrisch zu sprechen. Ein Dialekt, der ihm liegt, ist er doch dem seiner Großeltern sehr nahe. Pater Tobias Keßler ist der einzige deutschstämmige Scalabrinianer weltweit. Und da er zudem noch im Lande seiner Abstammung lebt, dürfe er eine echte Rarität in seinem Orden sein. Er hat lange Zeit in Italien gelebt und in Rom studiert. Der „Turmbau zu Babel“ heißt seine Lizenziatsarbeit. Keßler wird am Institut für Weltkirche und Mission an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen promovieren.

Weitere Informationen zum Pilotprojekt im Internet: www.bereitschaftzurbewegung.de

Hintergrund

600 Priester in 29 Ländern

Die Kongregation der Missionare vom Heiligen Karl Borromäus (Scalabrini-Missionare) wurde 1887 in Piacenza von Giovanni Batista Scalabrini gegründet. Er war Bischof in Piacenza. Seine Landsleute waren häufig zum Auswandern gezwungen. Scalabrini suchte nach einer Möglichkeit, ihnen in der Fremde beizustehen und gründete den Orden. Die Scalabrinianer kümmern sich daher besonders um Migranten. Zu ihren Anliegen gehört, die Gemeinschaft unter den verschiedenen Migrantengruppen sowie die mit der Ortskirche zu fördern. Heute gehören der Kongregation etwa 600 Priester in 29 Ländern an. (brü)