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Kritisch und optimistisch - Ausgabe 3 vom 16. Januar 2011

Kritisch und optimistisch - Ausgabe 3 vom 16. Januar 2011

Macht mit einem Schaubild deutlich, dass nicht alles so bleiben kann, wie es ist: Pfarrer Andreas Unfried. Foto: Barbara Schmidt

Die „Pfarrei neuen Typs“ – wie soll das gehen? Anregungen aus Oberursel-Steinbach

Von Barbara Schmidt

Oberursel. Wer Menschen für Veränderungen gewinnen möchte, der muss viel mit ihnen reden und ihre Bedenken ernst nehmen. Pfarrer Andreas Unfried ist damit immer gut gefahren. Auch wenn’s mühsam ist, wie der 47-Jährige nur zu gut weiß.

Gerade erst hat er seine „Tournee“ durch sämtliche Pfarrgemeinderäte, Verwaltungsräte und alle Gemeinden des Pastoralen Raums Oberursel-Steinbach beendet. 24 Mal hat der Priesterliche Leiter mit Hilfe einer Power Point-Präsentation vorgestellt, wie der Weg zur „Pfarrei neuen Typs“ aussehen könnte.

Noch sind es acht Gemeinden, für die Unfried seit dem 1. September vergangenen Jahres zuständig ist. Doch schon beim Zusammenschluss der ehemals zwei Pastoralen Räume Oberursel Nord und Oberursel-Süd/Steinbach am 1. Januar hat Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst die synodalen Gremien gebeten, die „Pfarreiwerdung“ anzugehen. Damit ist Oberursel-Steinbach wahrhaftig ein Pilotprojekt für das Bistum, denn zum ersten Mal wird hier nun das versucht, was auch in allen anderen Pastoralen Räumen umgesetzt werden soll: Aus mehreren Pfarrgemeinden wird eine einzige Pfarrei – mit vielen Orten lebendigen kirchlichen Lebens.

Diese „Pfarrei neuen Typs“ löst allerdings derzeit noch viel Skepsis aus. Wie kann das gehen? Wird es noch möglich sein, in einer solch großen Einheit zu erleben, was für viele die große Stärke von Kirche ist, nämlich nah bei den Menschen zu sein? Und werden die Ehrenamtlichen in diesen Strukturen nicht überfordert?

Fragen, die auch die Menschen im Oberurseler Stadtteil Bommersheim bewegen. Das Pfarrzentrum von St. Aureus und Justina ist die letzte Station von Unfrieds „Werbereise“ durch den Pastoralen Raum. Aufmerksam verfolgen seine Zuhörer, was er vorstellt. Dass nicht alles bleiben kann, wie es ist, macht Unfried mit einem Schaubild einsichtig. Der eine Priester hat acht Verwaltungs- und weitere acht Pfarrgemeinderäte um sich herum, in denen er zugegen sein soll. Bei nur je vier Sitzungen im Jahr heiße das allein für die Pfarrgemeinderäte 32 Sitzungen plus eine gleiche Zahl an Vorstands-Treffen. 64 Abendtermine, zu denen mindestens noch einmal eine genau so große Menge an Verwaltungsratssitzungen komme, rechnet der Pfarrer vor.

Da wird für jeden Unfrieds Prophezeiung verständlich: „Wenn wir nix machen, dann werden wir uns nur sehr selten sehen – es sei denn, Sie sind Pfarrgemeinderatsoder Verwaltungsratsmitglied.“ Schließen sich jedoch alle zu einer einzigen Pfarrei zusammen, bleibt auch nur noch ein Pfarrgemeinde- und ein Verwaltungsrat.

Unfried beschönigt nicht, redet gar nicht erst drum herum, dass es da noch eine Menge gibt, was bedacht werden muss. Er kennt die Befindlichkeiten. „Es gibt ganz klar örtliche Identitäten. Man ist zuerst Bommersheimer oder Stierstädter und erst dann Oberurseler“, räumt er ein. Und macht deutlich, dass „sich das wiederfinden muss in den neuen Strukturen“, durch die Ortsausschüsse etwa, und auch die Namen der bisherigen Pfarrgemeinden nicht untergehen sollten.

Da nicken viele beifällig. Die Sorge, dass das Zentrum der Gewinner ist, dort, wo die Pfarrkirche Pfarrkirche bleibt und der Pfarrer schon wohnt, wird immer bei den „Kleinen“ laut. So auch an diesem Abend. „Die kleineren Gemeinden werden nicht mehr so zu ihrem Recht kommen“, fürchtet ein älterer Herr, diese Erfahrung habe man auch schon bei der politischen Eingemeindung von Bommersheim nach Oberursel machen müssen. „Das Schöne ist: Bei den acht Gemeinden, da gibt’s eigentlich keine Großen“, weist Unfried darauf hin, dass von den Mitgliederzahlen her ganz ähnliche Vorbedingungen herrschen.

„Ich brauch‘ Ihren kritischen Geist, aber ich brauche Sie auch als Beterinnen und Beter.“
Pfarrer Andreas Unfried

Ein anderer Zuhörer fragt, was aus dem Pfarrei-Vermögen wird, eine Frau will wissen: „Wo melde ich denn dann künftig eine Taufe an?“ Unfried erläutert, dass es zwar ein zentrales „Pastoralbüro“ geben soll, aber auch in allen Gemeinden der Pfarrei weitere Büros mit festen Öffnungszeiten. Die Zentrale solle alles übernehmen, was besser zentral zu verwalten sei. So werde sogar Arbeitszeit gespart, weil bislang noch vieles doppelt gemacht werde.

Oft ist Unfried schon gefragt worden, wie er denn in acht Gemeinden noch „seelsorgliche Nähe“ verwirklichen wolle. Seine Antwort führt vom verengten Blick auf „die Hauptamtlichen“ weg. „Kirchliche Nähe ist auch eine Erfahrung, die wir uns gegenseitig spenden. Warum soll’s nicht so sein?“, macht er klar, dass in Zukunft eher mehr noch gelten werde, was das Zweite Vatikanische Konzil betont hat: Kirche, das sind wir alle. Auch deshalb sei „dieses Projekt“ für ihn „hochspannend“, sagt der Pfarrer. Das sei es denn auch, wo er sich „eigentlich hinwünsche: Zu entdecken, was der Heilige Geist mit uns vor hat.“

Schon zu den Pfarrgemeinderatswahlen am 29./30. Oktober dieses Jahres soll die „Pfarrei neuen Typs“ in Oberursel-Steinbach Wirklichkeit sein. Unfried wünscht sich dafür ein möglichst einstimmiges Ja – aus Überzeugung. „Deshalb ist es mir so wichtig, dass wir jetzt viel miteinander reden.“

Wer Bedenken habe, solle sie benennen, und zwar möglichst bald, fordert er auf. „Sie brauchen viel Optimismus für die Sache. Oh wei…“, sagt eine Frau. Da lächelt der Pfarrer.

Eines ist ihm noch wichtig. „Ich brauch’ Ihren kritischen Geist, aber ich brauche Sie auch als Beterinnen und Beter.“

Ohne den Beistand des Heiligen Geistes gehe es nämlich ganz bestimmt nicht. So ist beim Klausurtag der Synodalen Gremien nicht nur die Gründung von Steuerungsgruppe und Arbeitskreisen für die Konzeptarbeit beschlossen worden, sondern auch ein Gebet entstanden. „Den Geist der Geschwisterlichkeit, Kreativität und Beherztheit“ erbitten die Oberurseler. Andreas Unfried nehmen die Bommersheimer an diesem Abend ab, dass er es damit ernst meint.

Nachgefragt

Leitet das Dezernat Pastorale Dienste: Weihbischof Thoms Löhr. Foto: Bistum

„Kirche muss vielfältiger und missionarischer werden“

Drei Fragen an Weihbischof Thomas Löhr zu der von Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst für das Bistum Limburg formulierten Perspektive: „Die Pastoralen Räume sind die Pfarreien der Zukunft“.

Frage: Warum ist diese Perspektivsetzung notwendig?

Weihbischof Löhr: Als Kirche in der jetzigen Gestalt geraten wir im Bemühen, den Glauben weiterzugeben, an unsere Grenzen. Die klassischen katholischen Milieus, die die Pfarreien tragen, lösen sich seit geraumer Zeit auf. Viele Menschen engagieren sich weit über ihre Kräfte hinaus in der Pfarrei. Dennoch gehen die Zahlen der Gottesdienstfeiernden und der Engagierten zurück. Kirche muss verstärkt im Alltag der Menschen die persönliche Begegnung mit Jesus Christus ermöglichen. Sie muss vielfältig und missionarischer werden. Dazu ist es notwendig, vernetzte lebendige Orte in einem größeren Ganzen zu gestalten.

Wie soll man sich die Pfarrei neuen Typs vorstellen?

Wenn die Pfarrei künftig größer sein wird, werden wir sie anders verstehen müssen, als dies bisher der Fall war. Sie wird der Raum sein, in dem der Pfarrer, weitere Priester, Diakone, weitere pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und schließlich alle Katholiken ihre gemeinsame Verantwortung für die Seelsorge wahrnehmen. Die Pfarrei, auf Dauer vom Bischof errichtet, wird einen Pfarrgemeinderat und einen Verwaltungsrat haben. Es wird eine Pfarrkirche geben, an der auch der Pfarrer wohnen und das Pastoralteam seinen Versammlungsort oder seinen Dienstsitz haben wird.

Wie sollen die Schritte zur größeren Pfarrei ablaufen?

Zunächst werden im Rahmen der bischöflichen Visitationen die Zuschnitte der Pastoralen Räume überprüft. Dies ist bereits geschehen in den Bezirken Untertaunus, Rheingau, Main- Taunus und Hochtaunus. Wenn aufgrund der pastoralen Situation Veränderungen notwendig werden, wird dies im Zuge der Auswertungen der Visitation in der Bezirkskonferenz aller hauptamtlich in der Pastoral Tätigen sowie im Bezirkssynodalrat thematisiert. In einem mehrmonatigen Prozess beraten anschließend die Pastoralausschüsse den künftigen Zuschnitt und die innere Gestaltung der Pastoralen Räume, die zu Pfarreien werden. Ihre Stellungnahme leiten die Pastoralausschüsse an den Bezirkssynodalrat weiter, der ein abschließendes Votum abgibt. Auf dieser Grundlage wird der Bischof die künftigen Pastoralen Räume errichten.

Interview aus: „Bereitschaft zur Bewegung aktuell“

Informationen: www.bereitschaftzurbewegung.de