Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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Auf dem richtigen Weg

Ausgabe Nummer 14 vom 5. April 2009

Die Pilger aus dem Bistum Limburg nehmen denselben Weg, den Jesus 2000 Jahre zuvor auf einem Eselsfohlen vom Ölberg nach Jerusalem zurückgelegt hat. Im Lukas-Evangelium heißt es dazu: „Als er sich schon dem Abhang des Ölbergs näherte, begann die ganze Schar der Jünger voll Freude Gott mit lauter Stimme zu loben wegen aller Machttaten, die sie gesehen hatten.“ Fotos (13): Heike Kaiser

Auf dem richtigen Weg

„Bereitschaft zur Bewegung“: 100 Wallfahrer aus dem Bistum Limburg pilgern ins Heilige Land – Bischof Tebartz-van Elst: „Es ist gelungen, eine große geistliche Wachsamkeit zu finden“

Von Heike Kaiser

Ein unvergesslicher Anblick: Die Altstadt Jerusalems im morgendlichen Sonnenlicht, vom Ölberg aus betrachtet. Von hier aus ritt Jesus einst auf einem Eselsfohlen in „das Dorf, das vor uns liegt“ (Lukas 19,30). Denselben Weg der Palmprozession nehmen 2000 Jahre später Pilgerinnen und Pilger aus dem Bistum Limburg.

Die 100 Kundschafter sind an dem Bistumsprozess „Bereitschaft zur Bewegung“ beteiligt, die meisten von ihnen ehrenamtlich: der Jurist, der selbstständige Unternehmer, der Innenarchitekt, die Ärztin, der Schreiner, der Buchhändler, die Apothekerin, die Hausfrau und Mutter, der Rentner. Viele sind zum ersten Mal in ihrem Leben geflogen, einige mussten dafür erst ihre Flugangst überwinden.

Vom Alltag in das Leben Jesu

Sie sind im Alltag aufgebrochen und im Heiligen Land im Leben Jesu angekommen. „Ich sauge all diese vielen Eindrücke auf wie ein Schwamm und bin erstaunt darüber, wie leicht ich loslassen kann“, erzählt die junge Mutter, die ihre Kinder in die Obhut ihrer Schwiegereltern gegeben hat. Ähnlich äußert sich die Naturwissenschaftlerin, die zwar als „Kopfmensch an die Sache herangeht“, aber offen ist „für das, was mich erwartet“.

Jeder Tag der neuntägigen Wallfahrt ist angelehnt an die Stundenliturgie der Kirche – beginnend mit der Laudes am frühen Morgen, endend mit der Komplet am Abend. Und jeden Tag feiert Bischof Franz- Peter Tebartz-van Elst mit den Pilgern aus dem Bistum Limburg die Eucharistie.

In der Gemeinschaft wird schnell klar: Nicht jeder bringt das gleiche Glaubenswissen mit. Eine Erkenntnis, die aber eher erleichtert aufgenommen wird. Da macht es nichts, wenn sich mal ein falscher Ton einschleicht, weil einem das Lied, das gerade gesungen wird, bisher nicht geläufig war, oder im Gotteslob länger geblättert werden muss, bis schließlich die richtige Seite gefunden ist.

Bibelarbeit auf dem Berg der Seligpreisungen: Welche Textstellen aus der Bergpredigt sind im alltäglichen Leben erfahrbar? Wo sind Ausrufezeichen, wo Fragezeichen zu setzen?

Nach fünf Tagen am See Gennesaret ziehen die Wallfahrer hinauf nach Jerusalem. Sie haben Kafarnaum hinter sich gelassen, den Ort in der Nähe des Jordans und der Golan-Höhen, der wie kaum ein anderer eine zentrale Rolle im Leben Jesu gespielt hat. Sie sind den Berg der Seligpreisungen hinauf gegangen und haben dort in Vierer- und Fünfergruppen aus der Bibel gelesen. Sie haben bei einer Wanderung das Taubental erkundet, die Schlucht, durch die Jesus von Nazaret aus nach Kafarnaum gegangen ist. Sie haben in Tabgha am Seeufer gestanden, wo auch Jesus innegehalten hat.

In Jerusalem verbinden sich alle Facetten

Und nun gehen sie vom Ölberg aus nach Jerusalem: die Stadt der Entscheidung, die Stadt des Gerichts, die Stadt des Abendmahls, des Leidens und der Auferstehung Jesu. „Hier verbinden sich alle Facetten. Von hier aus tut sich die Perspektive auf die himmlische Stadt auf, zu der wir unterwegs sind“, sagt Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, der die Wallfahrt in das Heilige Land leitet.

Sachkundig: Pfarrer Ludger Bornemann. Der geistliche Leiter des Pilgerhauses Tabgha am See Gennesaret begleitete die Pilgergruppe neun Tage lang.

Die Kundschafter aus dem Bistum Limburg machen Station im Garten Gethsemane, dem Ort, an dem Jesus begann zu erschauern und zu verzagen, an dem er seinen Vater bat: „Lass diesen Kelch an mir vorübergehen.“ Sie setzen ihren Weg fort durch das Kidrontal, das den Tempelberg und die Altstadt von Jerusalem im Westen und den Ölberg im Osten trennt, und kommen in der Kirche St. Peter in Gallicantu an, die an die dreimalige Verleugnung Jesu durch Petrus erinnert.

„Nach menschlichem Ermessen eine so schwere Schuld, dass kein Hahn mehr nach ihm gekräht hätte, was die Nachfolge Jesu angeht“, stellt Pfarrer Achim Sahl, priesterlicher Leiter des Pilotraums Rennerod, fest. „Doch Petrus bereut bis ins Tiefste, kehrt um und wird zum Fels der Kirche.“ Das heiße: „Wo ein Petrus Fels sein kann, ist Platz für jeden von uns.“

Im Gespräch mit einzelnen aus der Gruppe habe er festgestellt, dass so manchem das Pilotprojekt „Bereitschaft zur Bewegung“ auch ein wenig Angst einflöße. „Aber wir können getrost sein, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, ermuntert Sahl die Wallfahrerinnen und Wallfahrer.

„Wie können wir weitergeben, was wir im Heiligen Land erlebt haben? Werden wir eine Sprache finden, die die übrigen Gemeindemitglieder überzeugt, die uns ihnen verständlich macht?“ Solche und ähnliche Fragen sind Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst nicht neu. „Zunächst genügt es, wenn die Menschen spüren, wie erfüllt wir sind“, antwortet er und beseitigt damit so manche Sorge, so manche Unsicherheit.

Nach neun Tagen Wallfahrt zieht er eine „sehr zufriedene“ Bilanz über die Dynamik, die in dem Prozess „Bereitschaft zur Bewegung“ erkennbar geworden sei. „Es ist gelungen, eine große geistliche Wachsamkeit zu fi nden“, freut er sich über das rege Interesse an Glaubensgesprächen, an der Einübung der Stundenliturgie, an dem lebendigen Austausch der Pilgerinnen und Pilger untereinander. Er setzt auf „die geistige Lobby, die in ihnen für die Anliegen des Bistums gewachsen ist“.

Bistum muss Piloträume begleiten

Der Emmaus-Gang, den die Wallfahrer zu zweit und zu dritt gegangen sind, wertet er als ein gutes Beispiel dafür, wie ein Weg erst in Schweigen gegangen werde, um dann zu hören, von der frühen Christenheit zu lernen. „Wir haben dankbar festgestellt: Jesus Christus ist mit uns unterwegs“, sagt der Bischof. Nun gelte es, zu vergewissern, „dass das Kohlenfeuer seine Glut bewahrt“.

Um zu gewährleisten, „dass wir sprachfähig werden im Glauben“, sei es nun notwendig, seitens des Bistums die Piloträume weiter zu begleiten.

Aus dem Emmaus-Gang ließen sich direkte Bezüge gewinnen: „Wir brechen auf und reden über das, was geschehen ist, was in den Gemeinden misslingt, was gelingt“, erläutert Tebartz-van Elst. Es sei wichtig, „dass all das ausgesprochen wird, was uns hemmt“. Doch es brauche auch diejenigen, „die dazukommen, die mit ihren Fragen dazu beitragen, zu lernen, was geschehen muss. Dadurch kommen neue Perspektiven in unsere Bewegung. Durch Austausch wächst Vertrauen und Zuversicht, mehr und tiefer zu suchen.“

Stationen

„Aufbruch und Segen“

Ankunft in Tabgha: Erstes abendliches Treffen aller Pilgerinnen und Pilger am Ufer des Sees Gennesaret in der „Bambuskirche“ und Einstimmung auf das Programm der neuntägigen Wallfahrt.





„Berufung“

Das Thema „Berufung“ bestimmt den zweiten Tag der Wallfahrt ins Heilige Land. Die Pilgergruppe aus dem Bistum Limburg besucht die Primatskapelle (oben)








und die Brotvermehrungskirche, fährt weiter nach Kafarnaum und unternimmt eine Bootsfahrt ans östliche Ufer des Sees Gennesaret bei Ein Gev (unten).







 

„Brotvermehrung und Bergpredigt“

Wanderung zum „Berg der Seligpreisungen“, wo in kleinen Gruppen aus der Bibel gelesen wird (oben). Am dritten Tag der Wallfahrt besuchen die Pilger außerdem die Jordanquellen bei Banyas. Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst ist nicht nur dort ein viel gefragter Gesprächspartner .




„Verkündigung des Herrn“

Wanderung durch das Taubental. Durch diese Schlucht ging Jesus, nachdem er Nazaret verlassen hatte, um in Kafarnaum zu wohnen. Der Tag steht unter der Überschrift „Verkündigung des Herrn“.






„Aufbruch nach Jerusalem“

Bevor die Pilger in Jerusalem ankommen, erneuern sie an der Taufstelle im Jordan ihr Taufversprechen. Auf dem Weg dorthin werden sie von bewaffneten israelischen Soldaten begleitet.






„Auferstehung“

Der Gang nach Emmaus bestimmt das Thema „Auferstehung“. Zuerst gehen die Pilger den Weg schweigend, um sich dann zu zweit oder zu dritt über den Bibeltext auszutauschen.




„Tempel in Jerusalem“

Am achten Tag der Pilgerreise stehen der Besuch der Klagemauer und des Tempelberges in Jerusalem auf dem Programm. Nachmittags besuchen die Wallfahrer die Gedenkstätte Yad Vashem, wo Bischof Franz-Peter Tebartzvan Elst der Opfer der Shoah gedenkt.




„Pfingsten und Sendung“

Feierlicher Abschluss der Wallfahrt: Die 42-jährige Kerstin Camacho Rocha Caetano aus dem Pilotraum Wetzlar-Süd empfängt von Bischof Tebartzvan Elst das Sakrament der Firmung und wird so in die katholische Kirche aufgenommen.




Weitere Informationen im Internet:

Zur Sache

Ein geistlicher Prozess

Der Bistumsprozess „Bereitschaft zur Bewegung“ wurde im Februar gestartet. Sieben Pastorale Räume wurden für die erste Phase als Piloträume ausgewählt: Bad Camberg, Rennerod, Dillenburg, Wetzlar-Süd, Wiesbaden-City sowie Frankfurt (Frankfurt-City bildet mit Frankfurt Nordend/Ostend einen Pilotraum). Bis Herbst 2010 sind „Erkundungen“ geplant, die später grundlegende Auswirkungen auf alle anderen Ebenen des Bistums (Bezirke, Bischöfl iches Ordinariat und Caritasverbände) haben sollen. Die Idee zum Erkunden von Zukunftsperspektiven stammt aus der Bibel: Auch Mose schickte Kundschafter voraus in das verheißene Land, um dort die zukünftigen Lebensbedingungen zu erforschen.

Bei „Bereitschaft zur Bewegung“ geht es nicht zuerst um neue Organisationsstrukturen, sondern zunächst um pastorale Fragen und die bessere Vernetzung kirchlichen Lebens. Wie können sich beispielsweise Pfarreien mit anderen Orten (Kindertagesstätten, Schulen, Verbänden, Beratungsstellen, Sozialstationen, Krankenhäusern und so weiter) so in einem Netzwerk verbinden, dass die Nähe der Kirche zum Leben der Menschen erhalten oder neu gestaltet werden kann? Oder wie können Priester von Verwaltungsaufgaben entlastet werden, damit sie mehr Zeit für die Seelsorge, Spiritualität und missionarische Aktivitäten haben?

Die Erkundung wird vor allem als ein geistlicher Prozess betrachtet. Initiiert wurde der Prozess „Bereitschaft zur Bewegung“ von Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst. Er hat die Leitung der Projektphase zum Erkunden der Zukunftsgestalt der Kirche von Limburg übernommen. Themenfelder sind: geistliche Gemeinschaft und Gottesdienst; Katechese in einer missionarischen Kirche; Caritas; Aufbau und Vernetzung von Glaubensbiotopen; Profi le der Ämter, Dienste, Charismen und Ordensberufungen; Fortentwicklung des synodalen Miteinanders sowie Neuordnung der Verwaltung.

Das Bistum Limburg will im Frühjahr 2010 eine ähnliche Wallfahrt mit Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst organisieren. Nach Auswertung, Beratung der Erfahrungen in den Gremien und Räten des Bistums soll ab 2011 die Umsetzung des Prozesses im Bistum erfolgen. (pm/kai)

Hintergrund

Christen im Heiligen Land

Die Pilgergruppe aus dem Bistum Limburg ist in Jerusalem von Erzbischof Fouad Twal empfangen worden, dem Lateinischen Patriarchen von Jerusalem. Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst dankte für diese Möglichkeit der persönlichen Begegnung und versicherte, im Bistum Limburg werde kontinuierlich für den Frieden im Heiligen Land und die Menschen dort gebetet.

Wichtigstes Gesprächsthema war die schwierige Situation der Christen im Nahen Osten. Zugleich sei eine große Vorfreude auf die bevorstehende Papstreise spürbar. „Die Menschen im Heiligen Land sind schon jetzt dankbar für diesen Besuch von Benedikt XVI. und die vielen Zeichen der Ermutigung, die er ihnen immer wieder zukommen lässt. Sie setzen darauf, dass er die Christen in ihrer politisch schwierigen Situation zum Bleiben ermuntert“, sagte Bischof Franz-Peter Tebartzvan Elst.

Patriarch Fouad Twal habe deutlich gemacht, dass es auch ein Zeugnis des Glaubens sei, als Christ im Heiligen Land zu bleiben – trotz der Zukunftssorgen und Schwierigkeiten. Bei Besuchen in Nazaret, Emmaus und Jerusalem hat sich die Pilgergruppe aus dem Bistum Limburg von den Friedensaktivitäten katholischer Einrichtungen überzeugt.

Das Lateinische Patriarchat von Jerusalem umfasst das Staatsgebiet von Israel, das palästinensische Autonomiegebiet, Jordanien und Zypern. Die meisten römischen Katholiken in dieser Region sind palästinensische Christen. Im Patriarchat von Jerusalem leben rund 77000 Katholiken, 372 Priester und 1642 Ordensleute. (pm)