Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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Kleine Christen werden groß

Bring’ Papa mit

Wachsen wie eine Sonnenblume. Väter und Kinder strecken sich zum Himmel aus. Fotos (2): Eva Baumann-Lerch

Wie eine kleine Diasporagemeinde lebendig und eine Adresse für junge Familien wird

Von Eva Baumann-Lerch

„Papa, wann machen wir wieder einen Papa-Max-Tag?“ hat Max seinen Vater gefragt. „Morgen“, hat Klaus Behnen geantwortet. „Da gehen wir zusammen zur Kirche. Die anderen Väter und Kinder sind auch da. Und es gibt Frühstück für alle.“

„Vater-Kind-Frühstück“ in St. Raphael in Wettenberg-Wißmar. Im Pfarrsaal unter der Kirche. Klaus Behnen schmiert in Ruhe sein Brötchen, gießt Kaffee in die dicke Tasse. Der fünfjährige Max und seine kleine Schwester Ella, die eben erst laufen kann, rennen mit den anderen Kindern im Kreis auf dem blauen Teppich herum, werfen mit Kissen und Gummibällen. Und immer wieder ruft eines: „Papa, guck mal!“ Die kleine Diasporagemeinde am östlichen Rand des Bistums Limburg macht mit diesem Samstagsfrühstück ein ungewöhnliches Angebot für Väter und Kinder zwischen ein und sechs Jahren. „Bring Papa mit!“ heißt es auf den Flyern.

Pastoralreferent Edwin Borg hat auch seine eigenen Töchter Jola (5) und Theresa (2) mitgebracht. Für jedes dieser Frühstückstreffen bereitet er eine gemeinsame Aktion vor – passend zur Jahreszeit und zum Kirchenjahr. Auch dieses Mal sind wieder einige Väter gekommen: Gerade junge Männer sind ja die „Sorgenkinder“ der Gemeinden – viel Arbeit, beruflicher Aufstieg, wenig Zeit für die Familien und keine für die Kirche.

Bring Papa mit! „Als ich die Ausschreibung gesehen habe, habe ich mich entschieden, dass ich da mit meiner Tochter hingehe. Und dann vielleicht auch wieder in Kontakt mit der Gemeinde komme“, erzählt Sven Friedel. Als Kind, sagt der Vater der vierjährigen Lena, sei er selbst in St. Raphael aktiv gewesen. Mit der Zeit ist die Bindung zur Kirche dünn geworden. „Jetzt erfahre ich hier als Vater wieder eine schöne Gemeinschaft“, sagt der Industriekaufmann. „Und die Kinder kommen so auch ganz einfach in Beziehung zur Pfarrgemeinde.“

Edwin und Judith Borg setzen in ihrer Seelsorge bewusst auf „niedrigschwellige“ Angebote für Familien. Seit zweieinhalb Jahren ist das Theologenehepaar für die Gemeinden St. Raphael Wißmar und St. Johannes in Odenhausen zuständig. Die beiden Pastoralreferenten teilen sich die Stelle der Bezugsperson der beiden Gemeinden und leben mit ihren Töchtern im Pfarrhaus. „Wir sehen unsere persönliche Lebenssituation als Chance, mit anderen jungen Familien in Kontakt zu kommen und die Gemeinde für sie attraktiv zu machen“, sagt Judith Borg. „Hier in der Diaspora“, erläutert sie, „gibt es ja kaum Familien, in denen beide Eltern katholisch sind.“ Da sei es für die Familien oft schwierig, in einer katholischen Gemeinde, deren Kirche auch noch ganz am Rand des Dorfes steht, eine Heimat zu sehen. Die Borgs aber versuchen, hier ein Zentrum aufzubauen, in dem sich auch die nichtkatholischen Elternteile aufgehoben fühlen. Ökumene ist dabei selbstverständlich.

Seit sie hier sind, ist es auf jeden Fall lebendiger geworden um St. Raphael: Fast täglich fahren Familien mit Kleinkindern an der Kirche vor. Die Kirche ist für junge Familien eine Adresse geworden.

„Jetzt erfahre ich hier als Vater wieder eine schöne Gemeinschaft. Und die Kinder kommen so auch ganz einfach in Beziehung zur Pfarrgemeinde“

Sven Friedel Nach ihrem Theologiestudium hat Judith Borg eine Weiterbildung zur „GfG-Familienbegleiterin“ gemacht, bei der „Gesellschaft für Geburtsvorbereitung, Familienbildung und Frauengesundheit“. Im Pfarrsaal bietet sie so genannte „Fabel-Kurse“ an, die Abkürzung bedeutet „Familienzentrierte Baby-Eltern-Kurse“. In diesen Gruppen für das erste Lebensjahr können Mütter und Väter Freuden und Sorgen des ersten Lebensjahres miteinander teilen und über alles sprechen. Judith Borg macht diese Kurse neben ihrer halben Stelle als Pastoralreferentin. „Trotzdem ist es wichtig, dass diese Kurse hier bei uns im Pfarrsaal stattfinden“, sagt sie. Eine erste Schwelle werde so überwunden, und die Gemeinde als warmer Ort erlebt, an dem Kinder und Eltern willkommen sind. Manche Mutter und einige Väter, die zuerst zum „Fabel-Kurs“ oder in die Eltern-Kind-Gruppe für die Größeren hierher kommen, tauchen dann später auch mit ihren Kindern im Familiengottesdienst oder beim Krippenspiel auf.

In St. Raphael ist die „Bezugsperson“ eine ganze Familie: Judith und Edwin Borg mit Jola und Theresa

Edwin Borg wollte heute in die Natur gehen. Doch obwohl es schon März ist, liegt hier noch Schnee. Deshalb gibt es den Frühling jetzt in der Phantasie: Die Väter legen sich mit ihren Kindern auf die blauen Matten, kuscheln sich aneinander und schließen die Augen. Borg lässt eine leise Meditationsmusik laufen und leitet eine Phantasiereise an. „Stellt euch vor, ihr wärt Blumenkinder und ruht tief unter dem Schnee in der Erde…“ „Ich bin eine Blume, die jetzt wächst“, ruft Lena. „Ich will gepflückt werden“, sagt Jola. Väter und Kinder erwachen aus dem Phantasie-Winterschlaf, sie recken sich und strecken sich dem Himmel entgegen. Und die Kleinen pfl anzen Sonnenblumen in Töpfe.

„So etwas gibt’s doch sonst gar nicht“, sagt Dieter Kraft, der mit seinen Kindern Philip und Friederike dabei ist, „dass Väter so was mit Kindern machen.“ Der Zahnarzt fühlt sich hier zugehörig, obwohl er evangelisch ist. „Und die Mütter“, sagt er augenzwinkernd, „nehmen das auch nicht übel, wenn sie am Samstagmorgen mal allein zu Hause bleiben müssen.“

Sie hätten eben ganz von vorn angefangen, fasst Judith Borg zusammen: „Mit den neugeborenen Mitgliedern der Gemeinden.“ Jedes Baby, das wenigstens einen katholischen Elternteil hat und in Odenhausen, Salzböden, Wißmar oder Launsbach geboren wird, bekommt ein „Begrüßungsgeschenk“. Da sind verschiedene Gutscheine und Angebote der katholischen Familienbildungsstätte drin, auch für die Familienkurse. Zusätzlich wird zweimal im Jahr ein Flyer mit allen wichtigen Terminen an die Familien geschickt, weil längst nicht jeder den Pfarrbrief liest. Auf diese Weise wird die kleine Diasporagemeinde ganz langsam zu einem Magnet für Familie.

„Auch die älteren Gemeindemitglieder“, sagt Edwin Borg, „freuen sich, dass hier jetzt immer soviel los ist“. Er findet es wichtig, dass die Kirche sich nicht aus der Fläche zurückzieht, auch wenn hier nur rund 20 Prozent Katholiken wohnen. „Für viele ist es ein riesiger Schritt, überhaupt einen Fuß auf das Kirchengelände zu setzen – und das geht meist nur über persönliche Werbung.“

So ist die Bezugsperson in dieser Gemeinde eine ganze Familie. Judith und Edwin Borg fühlen sich in dieser offenen Familienarbeit auch von dem getragen, der die Bedenken der Erwachsenen zerstreute und sagte: „Lasset die Kinder zu mir kommen“.

„Gemeinsam auf die Suche machen“

Zehn Tipps zur Begleitung der religiösen Entwicklung von Kindern

Was können Eltern tun, damit ihre Kinder offen werden und bleiben für die religiöse Dimension und den Glauben? Empfehlungen von Annette Reithmeier-Schmitt, Diplom- Sozialarbeiterin in der Katholischen Familienbildungsstätte Mainz:

  • Religiöse Erziehung beginnt dort, wo ein (kleines) Kind wahrgenommen und angenommen wird, wie es ist, mit all seinen Fähigkeiten und Stärken, Charakterzügen, Fehlern und Schwächen. Durch diese sichere Bindung an die Eltern wird die Grundlage gelegt, auch mit anderen Menschen und Weltanschauungen in Beziehung zu treten.
  • Eine sichere, vertrauensvolle Bindung an die Eltern ermöglicht es den Kindern, Vertrauen zu entwickeln. Sie ermöglicht Rückbindung und Vertrauen an Schützendes als Grundlage an die Rückbindung an eine höhere Macht, an Gott, der mich im Leben geleiten und begleiten kann.
  • Eine sichere Bindung an die Eltern ermöglicht ein interessiertes und neugieriges Zugehen auf die Welt. Dazu gehören auch die großen Kinderfragen nach dem Ursprung des Lebens und Sinndeutung.
  • Begleitung von religiöser Entwicklung der Kinder bedeutet auch, sich mit den Kindern zusammen auf die Suche nach Antworten zu den großen Fragen nach Gott und dem Sinn der Welt zu machen. Fragen und „sinnieren“ Sie gemeinsam, regen Sie ihr Kind an, Antworten aus seiner Sicht zu geben, und geben Sie ihm dazu dann erst Ihre Vorstellungen mit auf den Weg. Lassen Sie sich auf seine Ideen und Vorstellungen ein und damit auch von der Sichtweise des Kindes bereichern.
  • Sich im Alltag gegenseitig wahrnehmen, einer Sache gemeinsam Aufmerksamkeit schenken, gemeinsames Handeln, sich gegenseitig zu verstehen und sich in die Gefühle des anderen hinein zu versetzten, dies alles fördert eine gelingende Beziehung in der Familie und prägt ein Gottesbild, das trägt und stabilisiert.
  • Gehen Sie mit Ihrem Kind gemeinsam als „Sinndeuter“ mit einer positiven Lebenseinstellung durch das Leben. Sie helfen Ihrem Kind damit, das Leben mit seinen Herausforderungen zu verstehen, handlungsfähig zu sein und einen Sinn aus den Anforderungen des Lebens abzuleiten.
  • Kindliche Gottesbilder verändern sich je nach Entwicklungsstand und Erfahrung im Alltag. Stützen Sie diese Entwicklung, indem Sie sich für die kindlichen Vorstellungen von Gott interessieren und den Wandel begleiten.
  • Schenken Sie Ihrem Kind ein offenes Ohr und Zeit, wenn es mit seinen Fragen nach Gott und der Welt kommt. Hören Sie zu, versuchen sie die Gedanken des Kindes zu verstehen und nachzuvollziehen.
  • Stellen Sie Fragen, die zum Selbst-Entdecken anregen, anstatt fertige Antworten zu bieten. Fragen Sie nach den Erfahrungen der Kinder zum Thema, lassen Sie sich Begriffe aus der Kindersicht erklären, hinterfragen Sie weiter und lassen Sie sich Meinungen begründen.
  • Bieten Sie Ihren Kindern zu Hause und in der Gemeinde spirituelle Erfahrungen und Rituale an, damit sie diese Erfahrungsräume konkret erleben können. Kinder sind von sich aus auch offen für Bibelgeschichten, weil diese die sozialen Grunderfahrungen der Menschen ansprechen und Anregungen für das Zusammenleben anbieten.

Machen Sie sich mit diesen Anregungen auf die Suche mit Ihren Kindern und finden Sie so – auch für sich – (neue) Spuren zu Gott.

Tipps

So können Kinder beten

Für die ganz Kleinen:

„Wo ich gehe, wo ich stehe bist Du, lieber Gott, bei mir. Wenn ich Dich auch niemals sehe weiß ich sicher, Du bist hier.“

„Lieber Gott, tröste mich, wenn ich traurig bin. Tröste mich, wenn ich einsam bin. Tröste mich, wenn ich nicht gewinn. Tröste mich, bis ich glücklich bin.“

Was nah ist und was ferne, von Gott kommt alles her, der Strohhalm und die Sterne, das Sandkorn und das Meer.“

„Unser blaues Himmelszelt, Sonne, Mond und Tag und Nacht,
unsre weite schöne Welt hast Du, lieber Gott, gemacht. Sonnenblumen und der Baum, Pflanzen, Menschen, jedes Tier, Weinen, Lachen und mein Traum,
lieber Gott, das kommt von Dir. Du schenkst Regen, Frost und Eis und den Sommer, hell und heiß. Du behütest Mensch und Tier, guter Gott, wir danken Dir.“

„Großer guter Gott. Vielen Dank für diesen Tag. Wir haben gespielt, wir haben gelacht. Wir haben geweint, wir haben gezankt, wir haben uns liebgehabt. Wenn wir uns liebhaben, verzeihst Du uns. Segne uns alle und gib uns eine gute Nacht.“

Für die Älteren:

„Gott, Vater im Himmel, ein neuer Tag hat angefangen; Du schenkst ihn mir. Ich freue mich und danke Dir. Vor allem aber danke ich Dir, dass Du überall und immer bei mir bist und mich allzeit liebst, das macht mich froh. Zeige mir heute, was recht und unrecht ist. Hilf mir, gut zu sein.“

„Lieber Gott, beschütze alle Eltern auf der Welt. Hilf ihnen. Wenn sie müde sind, gib ihnen neue Kraft. Tröste sie, wenn sie Ärger oder Sorgen haben oder wenn sie erschöpft sind von zu viel Arbeit. Und wenn sie Angst haben, gib ihnen Frieden und Hoffnung. Mach, dass sie auch dann an Dich denken, wenn’s ihnen gut geht. Hilf ihnen allezeit und schenk ihnen deine Liebe. Ich will sie auch lieb haben.“