Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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Zu sich und zu Gott kommen

„Arbeiten, beten und loslassen“

Theo, ein Gast im Kloster auf Zeit, spricht über seine Erfahrungen

Die Außenanlage ist eine meditative Idylle, die Zeit und Pflege braucht – auch von den Laien im Kloster auf Zeit. Fotos (2): Christa Kaddar

Von Christa Kaddar

Viele Klöster bieten eine Gebets-, Arbeits- und Tischgemeinschaft für eine Woche oder länger an. Das Kloster auf Zeit ist für Menschen, die aus ihrem Alltag in die Einfachheit des Klosterlebens eintauchen, eine Chance zu Besinnung und Orientierung. Auch das Franziskanerkloster Marienthal nimmt Gäste auf Zeit auf.

„Marienthal bietet mir ein Gefühl der Geborgenheit in Gott“, sagt Theo, 62, aus München, der seit vielen Jahren Gast auf Zeit im Rheingauer Kloster Marienthal ist. „Im Kloster auf Zeit finde ich ein Gleichgewicht zwischen Ruhe und Arbeit, Aktivität und Transzendenz.“ Er kommt zweimal im Jahr und bleibt zwei bis drei Wochen. „In München lebe ich allein, in Marienthal muss ich mich im Alltag mit anderen Menschen abstimmen. Es bedeutet mir viel, dass dort alle auf der Suche nach Gott sind, und versuchen, untereinander aufmerksam und achtsam zu sein und Beziehungen aufzubauen. Auch die umgebende Natur tut gut.“

Theo war von Beruf Krankenpfleger und ist aufgrund mehrerer Erkrankungen bereits aus dem Arbeitsleben ausgeschieden. Er engagiert sich in München ehrenamtlich im Seniorenbeirat, nimmt an Besprechungen mit anderen Seniorenvertretern teil und berät. Dabei geht es um individuelle Fälle, generell um das Wohnen im Alter und um ein Nachbarschaftsprojekt, das den vielen alleinstehenden älteren Menschen in seinem Bezirk zu Kontakten und mehr Aufmerksamkeit untereinander verhelfen soll. „Dieses Ehrenamt ist interessant, nimmt aber auch Zeit und Energie in Anspruch“, erklärt Theo.

Als Gast auf Zeit übernimmt Theo im Kloster alltägliche Aufgaben. Dazu gehört auch das Kaffeekochen für die Gemeinschaft.

„Es tut mir gut, wenn ich hier im Kloster mithelfen und Gespräche haben kann. Ich kann mich auch zurückziehen und vor dem Gnadenbild verweilen. Arbeiten, beten und loslassen – das ist mir wichtig.“ Manchmal macht Theo Vertretung an der Klosterpforte, putzt auch mal ein Zimmer oder hilft in der Kirche. „Ich habe aber auch genug Zeit, um spazieren zu gehen, mal einen Wandertag zu machen und die Seele baumeln zu lassen. Die Löcher in meiner Seele werden nach und nach ausgefüllt.“

Die Löcher sind in seiner Kindheit entstanden. Theo ist in einem von Ordensschwestern geführten Kinderheim aufgewachsen. „In den ersten fünf Jahren hatte ich Glück, weil sich eine Schwester sehr liebevoll um mich kümmerte. Als sie wegging, hatte ich eine schwere Zeit. Was bei den Schwestern ablief, war nicht alles so christlich. Manches, was ich erleiden musste, kann man als kriminell bezeichnen.“

Die Löcher in meiner Seele werden nach und nach ausgefüllt.
Theo aus München

Auch an seine Ausbildung zum Krankenpfleger unter der Regie von Ordensschwestern hat er als bedrückende Zeit in Erinnerung. Als er später im Schwarzwald in diesem Beruf arbeitete, litt er unter Depressionen. „Ich habe in einer dieser Phasen meinen Glauben an Gott verloren. Auf meinem Weg zur Arbeit kam ich immer an einer kleinen Kirche vorbei. Dort habe ich wochenlang Gott, an dem ich zweifelte, angefleht: Wenn es dich gibt, schicke mir ein Zeichen!“ Das Zeichen war ein tröstendes Kindergebet, das plötzlich wieder in seinen Sinn kam. Als Zeichen wertete er auch die Wiederbegegnung mit Pater Rainer Brähler in den 1970-er Jahren. Im Kindergarten waren sie Freunde gewesen. Inzwischen war Pater Rainer Priester und gehörte dem Orden der Franziskaner an. Durch ihn kam Theo zum Kloster auf Zeit – im Allgäu, in Siena und in Marienthal. Seit einem schweren Unfall vor 16 Jahren sitzt Pater Rainer im Rollstuhl. „Ich schätze die Gespräche mit Pater Rainer in Marienthal sehr, aber auch Pater Christian, Pater Bernold und die anderen Brüder sind hervorragende Seelsorger.“

„Ich habe nicht nur Leid in meinem Leben erfahren, sondern auch viel Positives bekommen. Ich fühle eine Verantwortung, auch anderen Menschen etwas zu geben. In München habe ich ein sehr anstrengendes Jahr hinter mir und freue mich, dass ich am 18. Dezember wieder ins Kloster Marienthal gehe.“ Dort will er die Weihnachtszeit in der inzwischen vertrauten Umgebung verbringen und Kraft schöpfen für ein neues Jahr.

Zur Sache

Geregelter Tagesablauf in Marienthal

In Marienthal teilen die Männer und Frauen als Gäste im Kloster auf Zeit die Gebets- und Essenzeiten mit den Patres und Brüdern. Der Tag beginnt um 7 Uhr mit dem Morgenlob und dem Frühstück. Nach der persönlichen stillen Zeit beginnt um 9 Uhr die Mitarbeit bei alltäglichen Aufgaben. Nach Eucharistie, Mittagsgebet und -essen ist wieder die Mitarbeit der Gäste gefragt: bei Arbeiten in Küche, in Außenanlagen oder Kirche, je nach den Fähigkeiten, die jeder einzubringen hat. Um 15 Uhr bietet sich die Möglichkeit, gemeinsam Tee oder Kaffee zu trinken, und, nach einer persönlichen Zeit, um 17.30 Uhr den Rosenkranz zu beten oder zu meditieren. Mit dem Vespergebet um 18 Uhr, dem gemeinsamem Abendessen und dem Nachtgebet klingt der Tag aus. In manchen Klöstern gibt es feste Tagessätze für Gäste auf Zeit. In Marienthal kann jeder Gast nach seinem Ermessen spenden.

Franziskaner-KlosterMarienthal, Kloster Marienthal 1, 65366 Geisenheim, Telefon 0 67 22 /9 95 80, E-Mail: info@franziskaner-marienthal.de; www.franziskaner-marienthal.de

Der Zweifel als Ort der Kommunikation

Der „ungläubige“ Thomas: „Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“ (Johannes 20, 25).

Eine uralte Geschichte: vom „ungläubigen“ Apostel Thomas bis zur seligen Mutter Teresa von Kalkutta

Zweifel gehören zum Glauben. Denn Glauben heißt nicht Wissen. Auch starke Glaubenszeugen kennen Zeiten des Zweifelns. Der Apostel Thomas zum Beispiel. Oder Mutter Teresa.

„Tief in meinem Innern ist nur Leere und Dunkelheit. Ich habe keinen Glauben – ich wage es nicht, die Worte und Gedanken auszusprechen, die mich so unbeschreiblich leiden lassen.“ Ein Satz aus einem Brief, den Mutter Teresa von Kalkutta an ihren Beichtvater schrieb. Diese fromme Frau soll gezweifelt haben an ihrem Glauben? Sie hat offenbar ihre Sicherheit verloren, ihre Nähe zu Jesus. Und erlebt Qualen, „die Hölle“ auf Erden. Die selige Ordensfrau und Nobelpreisträgerin reiht sich ein in die Schar der suchenden Zweifler unter den Heiligen der Kirche: vom Stammvater Abraham über den Apostel Petrus bis zu Ignatius von Loyola.

Oder eben Thomas. „Den Ungläubigen“ nannte ihn die Kirchengeschichte lange Zeit. Heute gilt er als der Prototyp des „Zweiflers“. So wird zum Beispiel am 21. Dezember in Rüdesheim im Rheingau die „Thomasnacht“ gefeiert: Der dunkelste Punkt des Jahres, die längste Nacht, trägt den Namen des Zweifels. Bevor das Licht der Weihnacht kommt.

Während für die biblischen Schriftsteller des Alten und Neuen Testaments der Zweifel eines Glaubenden nicht verwerflich ist, stellt das Erste Vatikanische Konzil (1869/70) fest, dass ein Katholik nicht ohne schwere Sünde in den Zustand des Zweifels am Glauben geraten kann. Heute gilt der Zweifel – im Sinne eines „vernunftgeprüften“ Glaubens nach Anselm von Canterbury („der Glaube, der den Verstand sucht“) – als verständliche Äußerung jedes fragenden Menschen: Wer zweifelt, dem ist der Glaube nicht gleichgültig. Vielmehr anziehend und interessant.

In der Fülle von Gottesdiensten für Distanzierte, Fernstehende, Suchende und Zweifler heißt ein Angebot „Thomasmesse“: Die Idee stammt aus Finnland. Seit mehr als 20 Jahren werden dort Suchende zu Gottesdiensten eingeladen. Vor allem die Sehnsucht der Menschen nach Nähe und Spiritualität wird hier aufgegriffen. Es gibt eine „offene Phase“ mit Gesprächen und Zeit für eine persönliche Salbung. In Deutschland werden „Thomasmessen“, meist im evangelischen Raum, heute an rund 60 Orten gefeiert.

Zweifel und Glaube gehören untrennbar zusammen. Wie schrieb der heutige Papst Benedikt XVI. schon 1968 in seiner „Einführung in das Christentum“:

„Keiner kann dem Zweifel ganz, keiner kann dem Glauben ganz entrinnen; für den einen wird der Glaube gegen den Zweifel, für den anderen durch den Zweifel und in der Form des Zweifels anwesend. Es ist die Grundgestalt menschlichen Geschicks, nur in dieser unbeendbaren Rivalität von Zweifel und Glaube, von Anfechtung und Gewissheit die Endgültigkeit seines Daseins finden zu dürfen. Vielleicht könnte so gerade der Zweifel, der den einen wie den anderen vor der Verschließung im bloß Eigenen bewahrt, zum Ort der Kommunikation werden.“

Johannes Becher

Zitiert

Suchen und Tasten

„Der Glaube ist nicht etwas, das der Glaubende ein für allemal ,hat‘. Glauben heißt einen Weg gehen. Dieser Weg kann beschwerlich sein; auf ihm gibt es auch Suchen und Tasten, Verwirrtsein, Zweifel und Dunkelheit. Glauben ist mehr als Einsicht des Verstandes und Leistung des Willens; er ist vertrauende Hingabe an den Herrn, in welcher wir ihn immer wieder bitten: ,Ich glaube. Hilf meinem Unglauben!‘ (Markus

9,24).“Erwachsenenkatechismus „Leben aus dem Glauben“, Band 2, Seite 55

Tipps

Zahlreiche Möglichkeiten

In vielen Gemeinschaften ist eine „Kloster-auf-Zeit“-Erfahrung möglich. Eine Auswahl: