- Viele Menschen verstehen unter Beten etwas völlig Falsches, fürchtet Pater Helmut Schlegel.
Es braucht dazu weder die Macher noch die Könner, sagt der spirituelle Begleiter Pater Helmut Schlegel
Von Barbara Schmidt
Ein Patentrezept fürs Beten? Damit kann Helmut Schlegel nicht dienen. Der Franziskaner, Leiter des Zentrums für Meditation des Bistums Limburg in Frankfurt Heilig Kreuz, hat viel Erfahrung mit dem Beten. Der 66-jährige frühere Provinzial im Fuldaer Kloster Frauenberg ist ein gesuchter spiritueller Begleiter.
Ein Experte fürs Beten also? Helmut Schlegel schmunzelt. „Ich habe einmal einen Satz gehört, der mir gut gefallen hat: Beim Beten gibt es keine Profis – nur Anfänger und Amateure.“ Hinter dieser Erkenntnis steht die Einsicht, dass der Mensch in seiner Beziehung zu Gott immer bruchstückhaft bleibt, weil Gott „der ganz andere ist, der Unbegreifliche“, sagt Helmut Schlegel. Darin, glaubt der Franziskaner, liege auch eine Chance. Denn wo Sprache und Denken unzulänglich bleiben, es nicht auf rhetorische Fähigkeiten ankommt, „ist eine ganz andere Form des Zugangs nötig, aber auch möglich“.
Viele Menschen, fürchtet Schlegel, verstünden unter Beten etwas Falsches, nämlich „dass sie mit Gott ins Gespräch kommen. Das geht so nicht“, sagt er. Um zu beten, braucht es die Macher genauso wenig wie die Könner. Gefragt ist vielmehr Aufmerksamkeit für das, was schon in jedem von uns angelegt ist. Wer die Sehnsucht nach dem lebendigen Gott in sich wahr nimmt, sich als transzendenter Mensch erfährt, der nicht auf sich selbst und seine kleine Welt beschränkt ist, in dem beginnt Gottes Geist zu beten. „Ich muss nicht beten können“, kann Helmut Schlegel deshalb alle beruhigen, die sich sorgen, möglicherweise nicht die richtigen Worte zu finden oder sich fragen, welches denn nun die richtige Gebetsform sei. „Wenn ich etwa jetzt im Frühling die Freude an der Natur erlebe und spüre, was mir geschenkt ist, mich davon erfüllen lasse und sage: Ja, Gott, dafür danke ich, ist das schon ein Gebet“, sagt der Franziskaner.
Klingt einfach. Und doch tun sich auch viele Getaufte heute mit dem Beten schwer.
Ein Grund: Beten ist für immer weniger Menschen etwas, was sie von klein auf geübt und als etwas Selbstverständliches erfahren haben. „Ich bin zwar getauft, aber ich habe 20 Jahre überhaupt nichts mitbekommen“, zitiert Helmut Schlegel eine junge Frau. Wie kann sie aufmerksam werden für Gott? „Es gibt so viele Möglichkeiten. Bei Tisch, zum Beispiel, nur eine halbe Minute still sein und spüren: Schön, dass wir zusammen sind, danke für das Essen – sich dem hinzugeben, dass wir beschenkt sind.“
In einer rastlosen Gesellschaft glauben viele, dafür keine Zeit zu haben. „Es gibt, trotz allem, ganz viele Leerzeiten“, sagt Helmut Schlegel. So kann das Warten auf die Straßenbahn oder das Bügeln zur Gebetszeit werden – wenn denn nicht der Knopf im Ohr mich mit Musik beschallt oder der Fernseher läuft. „Natürlich, ich muss den Mut haben und die Dauerberieselung mal abstellen“, nickt der Exerzitienlehrer. „Das kann schwer sein. Gerade am Anfang hält man es kaum aus. Nichts tun, ohne Lärm sein. Aber das ist schon notwendig. Still sein, spüren, was um mich herum los ist, sich auch seinen eigenen Gefühlen auszusetzen …“
Ein Irrtum sei, dass Stille immer auch Ruhe bringe, weil „im Innern oft eine Menge hoch kocht“, sagt Pater Helmut. Bis der Mensch in der Stille berührbar werde, brauche es zudem Zeit. Dem Leben entzieht sich der Beter dennoch nicht, Meditation als Rückzug auf die Wolke, dieses Bild stimmt für den Franziskaner nicht. „Das Gebet ist keine Flucht“, sagt er. „Es braucht vielmehr die Entscheidung, sich dem Leben zu stellen. Ich will mich berühren lassen – das geht weit über das Gebet hinaus“, spricht Helmut Schlegel an, dass aus dem Beten auch eine Bereitschaft zum Handeln erwächst.
Sie ist der Grund, warum der Franziskaner auf die Frage: „Hilft Beten?“ schlicht mit einem „Ja“ antwortet. Der Beter, der die Seele öffne, verwandle sich, ist Helmut Schlegel überzeugt. Er werde „offen, frei, sensibel und beziehungsfähig. Beten macht mich zu einem lebendigeren Menschen.“ Und das kann man sogar sehen. „Menschen, die sich dafür öffnen, deren Leben ist verändert, deren Blick und Ausstrahlung ist eine andere“, hat Schlegel bemerkt. Für ihn auch ein Beleg, dass das Gebet keine Einbahnstraße ist. „Gott antwortet nicht mit Worten, Gott antwortet, indem er mich mit der Wirklichkeit berührt und mit mir selbst und anderen versöhnt“, sagt Helmut Schlegel.
Kontakt: Hl. Kreuz – Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität Kettelerallee 45 60385 Frankfurt Telefon 0 69 / 9 45 48 49 80 E-Mail: meditationszentrum@bistum-limburg.de
Wissenswertes über das Sprechen mit Gott – von A bis Z
Ave Maria: „Gegrüßet seist Du, Maria“, ein Grundgebet. „Mutter Gottes, bitte für uns Sünder…“ Maria wird nicht angebetet, sondern um Fürsprache gebeten.
Bitten: Erlaubt und erbeten. In der Bibel beim Evangelisten Matthäus (Vers 7,7) heißt es: „Bittet, und es wird euch gegeben…“ Gott wird mit einem Vater verglichen, der seinem Kind keinen Stein gibt, wenn es um Brot bittet.
Credo: „Ich glaube.“ Das Glaubensbekenntnis. Ein Gebet, das in jedem Gottesdienst an die Grundlagen erinnert.
Dialog: Mit Gott per Du. Mit ihm kann man sprechen wie mit einem ganz nahen Menschen. Das hat Jesus vorgemacht, als er mit „Abba“, seinem Vater, sprach.
Ehre sei dem Vater: …und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Das kürzeste Bekenntnis zum dreifaltigen Gott. Bestandteil jedes Stundengebets.
Fürbitte: Das Eintreten vor Gott für jemanden oder für etwas. Im Gottesdienst nach dem Credo.
Gedicht: Einige der berühmtesten Gebete sind in Reimform gefasst. Ein Beispiel von Eduard Mörike: „In ihm sei’s begonnen,/ der Monde und Sonnen/ an blauen Gezelten/des Himmels bewegt. / Du, Vater, du rate,/lenke du und wende,/Herr, dir in die Hände,/ sei Anfang und Ende,/sei alles gelegt.“
Hören: Beten bedeutet nicht, Gott mit Wortteppichen zu überziehen, sondern, sich zu konzentrieren auf ihn, auf seine Gegenwart, auf sein Wort. Zu lauschen, zu hören.
Jesusgebet: Wird auch Herzensgebet genannt. Das Wort „Jesus“ oder „Herr Jesus, erbarme dich meiner“, werden im Rhythmus des Atems gesprochen, wiederholt und verinnerlicht.
Klage: Die Beschwerde bei Gott. Qual und Leid brauchen im Gebet nicht verschwiegen zu werden. Vorbild aller gequälten Beter ist Hiob.
Lob: Wie die Klage und der Dank eine Grundform des Betens. Für Verbitterte eine gute Gebetsform: Jeden Abend einen Grund zum Lob finden und aufschreiben: Der Vogelgesang, die klare Luft, der liebe Gruß...
Meditieren: In allen Religionen verbreitete Versenkung, um in der Gegenwart Gottes still zu sein. Beim Meditieren wird nicht nachgedacht. Der heilige Benedikt (gestorben 547) nannte diesen Zustand „unter den Augen Gottes in sich selbst wohnen“.
Novene: An neun aufeinanderfolgenden Tagen wird in einem Anliegen gebetet – in der Pfingstnovene um den Heiligen Geist.
Oranten-Haltung: „Orare“ heißt auf Lateinisch beten. Die Orantenhaltung ist die Gebetshaltung des Priesters mit erhobenen Händen.
Psalm: „Lernen Sie zwölf Psalmen auswendig. Damit sie im Rucksack der Lebenswanderung als Nahrung dienen können.“ Der Ratschlag eines Mainzer Theologieprofessors kann allen nützlich sein. Die alte Textsammlung von 150 Lob-, Klage, Dank- und Bittliedern steht im Ersten Testament der Bibel. Sie erinnert an die jüdischen Wurzeln des Glaubens und ist Kern des Stundengebets.
Quelle: Das Gebet – Quelle, die erfrischt und belebt.
Rosenkranz: Das Gebet an der Perlenschnur: ein Vaterunser, zehn Ave Maria, das Ehre sei dem Vater… und ein Schlusssatz, der ein Geheimnis des Lebens Jesu hervorhebt: „…der für uns auferstanden ist“.
Stoßgebet: Sie beten nicht? Sie beten doch. Jeden Tag. O Gott! Ein Stoßgebet ist auch ein Gebet. „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir“, da braucht es kein ausgefeiltes Reden, da ist die Gewissheit, dass Gott hört.
Totengebet: Obwohl Gläubige sicher sein dürfen, dass die Toten bei Gott und erlöst sind, tut es gut, für sie zu beten. Das ist wie eine in liebender Erinnerung vertiefte Zusage: Du gehörst weiter zu uns. Das Totengebet ist eine tröstliche Erfahrung.
Vaterunser: Das Gebet Jesu! Die biblische Überlieferung macht es zum wichtigsten christlichen Grundgebet und zum festen Bestandteil jeder Eucharistiefeier.
Wort-Gottes-Feier: Christen versammeln sich, um sein Wort zu hören. Texte der Bibel, eine Auslegung der Botschaft, miteinander beten. Heute an vielen Orten die Form des sonntäglichen Gottesdienstes, wenn keine Eucharistie gefeiert werden kann.
Zungenreden: Eine besondere Gnadengabe des Geistes. Sprechen in Ekstase, ohne Deutung meist unverständlich für die Hörenden. In der Apostelgeschichte (2,4) beim Pfingstereignis beschrieben.
nen/job
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