Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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Der Duft des Christentums

Im Garten dem Herzen Gottes nahe

Blumenwiese im Garten des Exerzitienhauses in Hofheim Foto: Katrin Reichel

Ein Spaziergang durchs Kirchenjahr: Pflanzen und Früchte werden im Christentum religiös gedeutet

Von Bärbel Faustmann

Leben in Fülle, Schutz vor dem Bösen, Himmelsschlüssel, Paradies… Beim Gang durch den Garten am Exerzitienhaus in Hofheim begegnet man dem Duft des Christentums.

Der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski sagt es so: „Liebet die ganze Schöpfung Gottes, das ganze Weltall wie auch das kleinste Sandkorn. Jedes Blättchen liebet und jeden Sonnenstrahl. Liebet die Tiere, liebt die Gewächse. Wenn ihr das tut, so werden sich euch in ihnen die Geheimnisse Gottes offenbaren.“

„Viele Pflanzen haben mythologische und spirituelle Bedeutung“, erzählt die 41-jährige Forstwissenschaftlerin Dr. Katrin Reichel aus Königstein. Im herbstlichen Garten des Exerzitienhauses in Hofheim gibt sie ihr Wissen über Pflanzen und deren Deutung im kirchlichen Jahresverlauf preis. Der Blick in den Garten öffnet das Herz. Nichts ist zufällig, keine Blüte, kein Blatt und kein Baum, Gott ist in seiner Schöpfung erfahrbar.

Ein Baum als Symbol für das Leben in Fülle

Reichel erzählt: „Pflanzen begleiten den Menschen Zeit seines Lebens. Ein Geschenk Gottes war und ist das Paradies. Ein Ort, an dem Glück und Heil regieren, ein Land, so heißt es, in dem Milch und Honig fließen. Der Garten Eden, eine bewässerte Oase inmitten der Wüste. Zentral darin wächst tief verwurzelt, mit Halt gebendem Stamm und dem Himmel zustrebender Krone, der Baum des Lebens, das Symbol für das Leben in Fülle und ohne Ende, das Gott den Menschen schenkt; und dort steht der Baum der Erkenntnis als Weggabelung, an der der Mensch Erkenntniswillen und Entscheidungsfreiheit wählt und das Paradies verlässt. Aber es kehrt wieder: Im letzten Kapitel der Bibel, am Ende der Offenbarung des Johannes ist wieder von Bäumen des Lebens in der Stadt Gottes die Rede.“

Zu allen Zeiten haben Künstler ihre Vorstellung vom Paradies auf Leinwand gebannt. Berühmt ist das Paradiesgärtlein, das ein unbekannter Meister um 1410 malte und das im Frankfurter Städel-Museum zu sehen ist. Es zeigt Maria, Jesus und Heilige in einem irdischen Paradies. Alles an der dort gemalten Natur hat eine tiefe Symbolik. Die Zinnenmauer hält die heillose Welt draußen ab.

Katrin Reichel beginnt nun mit dem Jahreszyklus im Winter. Die Natur ruht.

„In vorchristlicher Zeit holte man sich im Winter mit immergrünen Nadelgehölzen und Buchsbaum das Leben in die Häuser und zugleich einen Schutz gegen böse Geister.“ Für die Christen heute sind der grüne Adventskranz und der Weihnachtsbaum Symbol der Hoffnung auf das ewige Leben. Ebenso das Aufblühen eines am Tag der Heiligen Barbara, 4. Dezember, geschnittenen Kirschzweiges. Dieselbe Symbolik hat die in der Weihnachtszeit fruch-tende Mistel. Schon Druiden in Gallien schnitten sie von den Bäumen, um heilende Medizin zu gewinnen und Dämonen abzuwehren. Damit ihre himmlische Kraft nicht zerstört wurde, durfte eine Mistel nie zu Boden fallen.

Und mitten im tiefen Winter, im Februar, erwacht wie ein Wunder die Schneerose mit ihrer weißen Blüte, die für die Unschuld steht.

Maiglöckchen und die Tränen unter dem Kreuz

Über einen Frühlingsboten, die Schlüsselblume, sagt eine Legende: „Petrus verliert die Himmelsschlüssel aus seinen Händen. Sie fallen zur Erde hinab und blühen. So wird den Menschen vom Frühling der Himmel aufgeschlossen.“

Zu Ostern blüht die Osterglocke. Auf Kreuzigungsdarstellungen dient sie als Vorwegnahme der Auferstehung Jesu. Die weißen Blüten des Maiglöckchens stehen für die Seelenreinheit der Gottesmutter und ihre Tränen unter dem Kreuz. Auch die gleichzeitig blühenden und fruchtenden Erdbeeren sind Marienpflanzen. Sie wachsen nah am Boden und symbolisieren so Bescheidenheit und Demut, aber zugleich mit dem dreiteiligen Blatt die Dreifaltigkeit und mit ihren vielen Ablegern die Ausbreitungskraft des Glaubens an Jesus Christus. Der Meister des Paradiesgärtleins malte so die „Madonna in den Erdbeeren“. Auch Rosen, darunter die Pfingstrose als Rose ohne Dornen, stehen sinnbildlich für Maria, für Liebe und Schönheit. Die Blüten der Lilie sind so schön, dass man glaubte, einen Blick in das Göttliche werfen zu können, wenn man sie betrachtet.

An St. Johannes dem Täufer, 24. Juni, blüht das gelbe Johanniskraut, das vielfältig Heilung bringt. Blüten und Blätter haben durchscheinende Zellen. Der Sage nach hat der Teufel das Kraut hier mit seinen Krallen durchlöchert – aus Ärger über dessen Heilwirkung. Jetzt ist die erste Hochzeit der Kräuter. Die zweite beginnt am 15. August, Maria Himmelfahrt. Zu diesem Fest werden Kräutersträuße gebunden. Schafgarbe, Johanniskraut, Frauenmantel, Kamille, Baldrian, Arnika, Königskerze und andere Heilkräuter sollen Heil bringen. Der Mensch als Ganzes, mit Körper, Geist und Seele steht im Mittelpunkt.

Sinnbild für Fruchtbarkeit und Vollkommenheit

Im Herbst endet die Reise durch das Kirchenjahr. Zu nennen sind Nüsse, Symbol der Fruchtbarkeit, und Äpfel, Sinnbild von Fruchtbarkeit und Vollkommenheit. Diese Früchte finden sich in den Nikolausstiefeln wieder.

Eichhörnchen huschen über den Weg, sammeln Nüsse für die Winterzeit. Sie scheren sich zwar nicht um deren Aussagekraft, aber mit ihrer Hilfe überleben sie den Winter. Die Schöpfung wirkt in diesem Moment vollkommen.

Ein Zitat von Dorothy Gurney passt jetzt exakt in das Bild: „Man ist dem Herzen Gottes nirgendwo näher als in einem Garten.“

So riecht katholisch
Goldgelbe Körnchen auf schwarzer Kohle. Wenn der Duft des Weihrauchs aufsteigt, wird’s feierlich. Foto: Ruth Lehnen

Kohle im Silbergefäß, ein Harz, das brennt, Rauch, der aufsteigt: Weihrauch

„Wie ein Rauchopfer steige mein Gebet vor Dir auf“ – der Duft des Weihrauchs ist der Duft des Heiligen.

Der ist ja bunt! Ein Blick in die goldfarbenen Weihrauchdosen der Mainzer Domsakristei überrascht: Weihrauchmischungen, wie sie meist verwendet werden, enthalten auch rote oder silberfarbene oder grüne Körnchen. Und es kommt noch süßer: In der Mischung „arabisch-dunkel“, die Küster Frank Wiegand bevorzugt, ist sogar Lavendel enthalten.

Weihrauch sei „Küstergeschmackssache“, meint Wiegand: Keine Sorte ist vorgeschrieben. Alle Sorten haben poetische Namen, zum Beispiel „angelus“. „Paradies“ oder „Dreikönig“. Im Rohzustand duftet das Baumharz nur wenig. Es muss, um sein frommes Wesen zu entfalten, entflammt werden, und das gilt ja auch für die Herzen der Gläubigen. Beweihräuchern, oder, wie es in der Fachsprache heißt, inzensieren, ist ein heiliges Spiel für die Sinne. Weihrauch, der nach oben steigt, wird heute weniger als „Rauchopfer“ verstanden, sondern mehr als Zeichen der Verehrung und Anbetung Gottes. Er ist eine Hilfe, das Heilige zu erfahren. Beweihräuchert werden der Altar, das Kreuz, das Evangelienbuch, die Gaben auf dem Altar und auch die Gläubigen. Wenn das Weihrauchfass an Sonntagen und bei Hochfesten geschwenkt wird, wenn ihnen dieser spezielle Kirchenduft in die Nase steigt, werden die Menschen feierlich gestimmt und lenken ihre Gedanken auf Gott. Mit dem Rauch steigen ihre Gebete auf und manches, was sie bedrückt hat, wird leichter.

Frank Wiegand zeigt, was in Sachen Weihrauch zu tun ist: Zunächst wird das „Schiffchen“, das Weihrauchgefäß, mit der Harzmischung befüllt, dann eine der kleinen tellerförmigen Kohletabletten auf eine Art kleine Kochplatte gelegt, um vorzuglühen. In das Weihrauchfass, das im Mainzer Dom aus Silber ist und mehr als 250 Jahre alt, kommt ein Einsatz, darauf wird die heiße Kohle gelegt, darauf ein Löffelchen Weihrauch – und: Schwenken! Das Schwenken dient einerseits dazu, dass die Kohle Luft hat und durchglüht, andererseits dazu, den jetzt schnell aufsteigenden Rauch zu verteilen. Weihrauch, das ist wahr, ist nicht jedermanns Sache: Ein Mann, der in der Sakristei gerade an der Tontechnik arbeitet, mag ihn nicht, und er hat eine Erklärung dafür: „Ich bin ja auch evangelisch!“

Ja, so riecht katholisch. Oft ist es diese frühe Erinnerung, die Menschen an ihrer Kirche lieben, dieser sinnliche Eindruck, das Feierliche und Besondere, der Wohlgeruch des Heiligen. Eine Kostbarkeit, zugleich eine Ehre für jeden Messdiener, der das Fass schwenken darf. Der Rauch bietet jedoch nicht nur der Nase etwas, sondern auch den Augen. Küster Frank Wiegand erlebt es so: „Wenn der Rauch im Dom steht und wenn die Lichtstrahlen sich darin brechen, dann herrscht eine ganz besondere Atmosphäre.“

Ruth Lehnen

Kirchenzeitung

Zur Sache

Wussten Sie schon...

  • ...dass Weihrauch das Harz einer Pflanze ist? Es stammt vom Boswelliabaum, der in Ostafrika wächst.
  • ...dass der beste Weihrauch aus Somalia kommt?
  • ...dass die niederländische Firma „Three Kings“ den meisten Weihrauch vertreibt?
  • ...dass Weihrauch reinigend und beruhigend wirkt und zum Meditieren anregt?
  • ...dass die Verwendung von Weihrauch ein Zeichen der Verehrung und Anbetung Gottes ist?
  • ...dass Weihrauch zum Beispiel in der Offenbarung vorkommt, dem letzten Buch der Bibel: „Aus der Hand des Engels stieg der Weihrauch mit den Gebeten der Heiligen zu Gott empor“? (Offenbarung 8,3 bis 5)
  • ...dass auch Myrrhe ein Räucherharz ist?
  • ...dass in die Osterkerze fünf Weihrauchkörner gedrückt werden, und zwar dort, wo die fünf Nägel platziert werden?

Positiv gesehen

Katholisches Parfum

Es gibt sie, die Klischees über die Christen verschiedener Konfessionen: Der Protestant ist ernst und zerlegt grüblerisch seine Freude am Leben, weil er allein mit seinem Gewissen vor dem Herrgott steht. Das kann auf den Magen schlagen. Da trinkt er besser Kräutertee. Und weil allein die Schrift zählt, soll der Gottesdienst wortgewaltig das Leben deuten. Ein wenig politisch wäre nicht schlecht. Aber alles, was ablenkt vom Wort, bleibt draußen. Schwere Kost!

Der Katholik dagegen. Beschwingt und froh. Wenn die Gemeinde feiert, gibt es Bier und Polonaise. Das Reich Gottes können wir nicht machen. Alles Geschenk. Aber deshalb im Jammertal nicht sauertöpfisch rumlaufen. Schließlich haben kluge Köpfe alles schon gedacht. Eine reiche Tradition. Wenn es schwierig wird an den Klippen des Lebens, hilft eben das Lehramt. Was soll man sich den Kopf zerbrechen, die haben das schließlich studiert. Prinzipien, klar. Aber wir sind nur Menschen. Sündig. Wenn’s hart kommt, bleibt die Beichte…

Genug Klischees. Doch spätestens, seit in den vergangenen Jahren in vielen evangelischen Gemeinden und Gremien eine (neue) Sehnsucht nach mehr Sinnlichkeit im Gottesdienst wach wird, blicken manche neidisch aus protestantischen Fenstern in die heiligen Hallen des Katholizismus. Das Begräbnis von Papst Johannes Paul II. als bester Beweis für die Kunst der Katholiken, zu inszenieren. Himmlische Ästhetik. Nah am Paradies. Prozessionen, Choralgesang, Brot und Wein für das Dutzend aus dem pilgernden Gottesvolk bei der Hausmesse…

Wer das mit der Muttermilch aufgesogen hat, der kann nicht austreten aus dieser Gemeinschaft. Das wäre Amputieren.

„Der Weihrauchduft in euren Kleidern bezeugt, dass ihr teilgenommen habt am Opfer Jesu Christi.“ So begrüßt die Oma im Sterbesessel die Urenkel, die aus der Christmette nach Hause kommen. Mein Parfum.

Johannes Becher