Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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Woran erkenne ich Christen

Gott interessiert sich auch für Zweifelnde

Eine Frage, zehn Antworten: „Woran erkenne ich, dass Sie Christ sind?“

Geschichten vom Christ-Werden erzählen: Das will „Der Sonntag“ mit seiner neuen Jahresserie „Lebenslänglich. Frei für Gott“. Es soll darum gehen, Glaubenswissen zu vermitteln, Anregungen zu geben, wie der Glaube im Alltag gelebt werden kannl, Frauen und Männer zu finden, die ihre Glaubensgeschichte erzählen, Antworten weiterzugeben, wie Menschen den Ruf Gottes hören und danach leben. Zum Auftakt der Serie, die einmal pro Monat durch eine Themenseite vertieft wird, wollten wir von Mitgliedern der Limburger Diözesanversammlung wissen: „Woran erkenne ich, dass Sie Christ sind?“ Hier sind ihre Antworten.

Die Mitmenschen sollen spüren: „Auf den können wir uns verlassen“

Wiegand Otterbach, Vorsitzender der Bezirksversammlung Westerwald. Fotos (10): privat

Woran Sie erkennen, dass ich Christ bin? Das steht doch auf meiner Steuerkarte. Darüber hinaus kenne ich das „Vaterunser“ und das Glaubensbekenntnis. Ich gehe regelmäßig in die Kirche, bin in einem synodalen Gremium, und meine Verwandten werden christlich, ja sogar katholisch, beerdigt. Reicht Ihnen das?

Mir reicht es nicht. Das ist zunächst doch nur die Hülle, ein hohles Gefäß; da muss es noch mehr geben, woran Sie erkennen, dass ich ein Christ bin.

Fair sein, seine Pflicht tun und seine Mitmenschen ernst nehmen – ja, aber darum bemühen sich Nichtchristen sicher auch.

Als Christ möchte ich den Menschen Gutes tun und dadurch auf Gott hinweisen.

Ich versuche so zu leben, dass ich nicht gefragt werde „Sind Sie eigentlich ein Christ?“ sondern, dass die Mitmenschen denken: „Auf den können wir uns verlassen, das ist ein Christ.“

Bereitschaft zur Versöhnung, Vertrauen und Solidarität

Lothar Bindczek, Vorsitzender der Bezirksversammlung Rhein-Lahn

Mein zentraler Glaubenssatz lautet: Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe ist, ist in Gott. Die Liebe ist somit der Leitfaden, an dem ich versuche, mein Leben entlang zu führen. Daraus resultiert mein Vertrauen in Menschen meiner Umgebung, in meine Frau, meine Kinder, meine Freunde, meine Angestellten.

Dazu gehört immer wieder Bereitschaft zur Versöhnung nach Auseinandersetzungen und sich für andere solidarisch einzusetzen, sei es als engagierter Kommunalpolitiker, in den synodalen Gremien unserer Kirche oder auch in meinem Beruf als Rechtsanwalt.

Kraft und Gewissheit dieser Liebe Gottes verschaffen mir dabei immer wieder das Gebet und der Besuch der Gottesdienste. Hier erfahre ich die Kraftquelle, die mich zur Liebe befähigt!

Im Gespräch und Handeln

Ernst Köstler ist einer der Vertreter des Bezirks Wetzlar in der Diözesanversammlung.

Woran erkenne ich, dass Sie Christ sind? Besser ist es nach meiner Ansicht, dass andere erkennen, dass ich Christ bin. Das ist möglich im Gespräch, im Diskutieren, im Handeln und im Engagieren für Arbeiten und Projekte im Sinne des Christentums. Auf den verschiedenen Ebenen von der Kirchengemeinde vor Ort bis auf Bistumsebene bin ich ehrenamtlich tätig seit über 40 Jahren. Neben konkreten Aufgabenstellungen vor Ort galt mein Interesse und mein Einsatz besonders der Erwachsenenbildung in Gemeinde, Bezirk und Bistum.

Nicht nur für die Frommen

Susanne Sperling, Vizepräsidentin der Diözesanversammlung.

Im katholischen Glauben aufgewachsen, waren mir Kirche und Glauben nicht fremd, doch Lebenswege verlaufen nicht immer gerade. Ich war dabei, mich zu verlaufen, meinen Glauben zu verlieren. Zuviel Unglück und Bösartigkeit hatten sich mir in den Weg gestellt. Ich fing an zu hadern, mit Gott und der Welt! Und er schwieg. Dieses Schweigen bestärkte mich – Gott interessiert sich für alles, nur nicht für die Menschen oder mich.

Eines Tages empfang ich seine Botschaft – direkt über die Zeitung. Ich habe sie sofort verstanden und schallend mit meinem Gott gelacht. Meine Frage an ihn lautete: Wo ist die Gemeinschaft, die Katholiken mit Lebensbrüchen aufnimmt, sie integriert und teilhaben lässt? Seine Antwort zeigte mir den Weg zu einer schwarzen Katholischen Gemeinde in Innercity Washington. Seit dieser Zeit nehme ich wieder teil am Leben in der Gemeinde.

Neben dem eigenen spirituellen Auftanken spornt mich die Freiheit für Gott in der Kirche an, deshalb engagiere ich mich in unterschiedlichen Gremien. Mein Gott sucht nicht nur die Gemeinschaft mit den Frommen und Geraden, er interessiert sich auch für die Gescheiterten, die Zweifelnden, die Gebrochenen. Diese Botschaft möchte ich vermitteln.

Glauben muss nicht „verbissen“ gelebt werden

Stefan Fink, Vorsitzender der Stadtversammlung Wiesbaden

Die Menschen sind interessiert daran, wo die Kraft und die Motivation für christliches Engagement herkommen. Gerade als Vorsitzender der Stadtversammlung der Katholiken in Wiesbaden und als Vorsitzender der Kolpingfamilie Wiesbaden-Zentral stehe ich in Wiesbaden im so genannten Rampenlicht. Da ist es wichtig, dem Glauben und der Kirche ständig und immer wieder Präsenz zu verleihen.

Ziel muss es sein, gefragt zu werden, was es mit Jesus Christus auf sich hat. Gerade in der heutigen Zeit, wo so viel Basiswissen des Glaubens verloren gegangen ist, sind Ansprechpartner notwendig.

Zu zeigen, dass Glauben nicht „verbissen“ gelebt werden muss, sondern froh machend gelebt und vermittelt werden kann, ist dabei sicher auch nicht unwesentlich. Es muss versucht werden, die vielfach vorhandene Schwellenangst für den Zugang zum Glauben abzubauen.

Wir werden dann als Kirche, auch mit den katholischen Verbänden, uns wieder Gehör verschaffen können, bei vielen, die nach Sinnhaftigkeit des Lebens und daher eben nach Glauben an den Auferstandenen lechzen.

Immer auch die Interessen der anderen im Blick haben

Dr. Michael Molter, Delegierter des Bezirks Main-Taunus in der Diözesanversammlung

Ich hoffe, dass meine Mitmenschen an meinem Verhalten erkennen, dass ich Christ bin. Ich bemühe mich, mit meinen Mitmenschen in allen sozialen Bezügen fair umzugehen, auch im Beruf.

Das bedeutet für mich, dass ich nicht nur meinen Vorteil sehe, sondern immer auch die Interessen der anderen im Blick behalte.

Besonders im Berufsleben ist das nicht immer einfach, dort ist häufig der Erfolg die alleinige Richtschnur, gleichgültig, wie er erzielt wird. Schwächen von Kollegen und Geschäftspartnern werden gnadenlos ausgenutzt, jede Möglichkeit, den Anderen zu übervorteilen, wird genutzt.

Hier sehe ich meine Aufgabe als Christ, nach anderen Maßstäben zu handeln. Wenn es mir gelingt, durch mein Beispiel unsere christlichen Werte wieder neu in die Gesellschaft zu tragen, dann kann sich die Welt verändern.

Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, ob meine Mitmenschen hinter meinem Verhalten die christliche Motivation erkennen (wollen).

Erika Nehrkorn, Vorstandsvorsitzende des Sozialdienstes der katholischen Frauen in Wiesbaden

Beispiel der Ordensfrauen war prägend

An meiner Zuversicht und meiner Opferbereitschaft zeigt sich – so hoffe ich –, dass ich Christin bin. Die Zuversicht in allen Lebenslagen wurde mir in meinem christlichen Elternhaus vermittelt.

Meine Schwester trat 1949 in die Gemeinschaft der Armen Dienstmägde Jesu Christi in Dernbach ein. Ich besuchte die Marienschule in Trägerschaft der Genossenschaft. Damals waren die meisten Lehrkräfte Ordensfrauen. Ihnen war die Vermittlung christlicher Tugenden wie Nächstenliebe, Demut, Versöhnungsbereitschaft und Opferbereitschaft wichtig. Besonders mit Letzterem, der Bereitschaft zum „Kreuztragen“, tat ich mich schwer. Hatte Jesus das nicht bereits für uns getan?

Dennoch hat mich das Beispiel der Ordensfrauen geprägt. Wann immer sich mir eine Aufgabe stellte, die Verzicht beinhaltete, habe ich sie übernommen. Seit über 30 Jahren arbeite ich für den Sozialdienst katholischer Frauen in Wiesbaden. Ich habe erkannt, dass aus Opfern Segen erwächst, auch für mich selbst.

Einer, „der den Mund aufmacht“

Christian Pulfrich, Mitglied des Präsidiums der Diözesanversammlung und Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken

Bezogen auf das rein Optische ist die Frage schnell beantwortet: Man erkennt das bei mir am Taizé-Kreuz, das ich am Revers trage, und an dem kleinen silbernen Kreuz in meinem Auto, das eine Miniatur der Limburger Staurothek ist und das Bischof Tebartz-van Elst uns jungen Religionslehrern schenkte.

Diese optischen Bekundungen hängen eng mit dem „Mehr“ meines Glaubens zusammen: Aufgewachsen in der Diaspora- Gemeinde „Zu den Heiligen Engeln“ Haiger-Fellerdilln, habe ich vor allem den Gemeinschaftsaspekt des christlichen Glaubens erfahren: Gemeinschaft mit Gott, aber vor allem mit den Menschen. Die Gremienarbeit hat mir geholfen, dass ich ein mündiger Katholik werde, einer, der auch „den Mund aufmacht“.

Tiefe Glaubenserfahrungen habe ich in der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé geschenkt bekommen. Beides – die Mündigkeit des Katholik-Seins und die spirituellen Erfahrungen – sind die Basis meiner Arbeit als Religionslehrer und Schulseelsorger am Privaten Gymnasium der Zisterzienserabtei Marienstatt: Ich bemühe mich um die Weitergabe des Glaubens und vor allem darum, mit den Schülern zusammen Glaubensgemeinschaft zu leben.

Das Fundament teilen

Florian Behrens gehört dem Präsidium der Diözesanversammlung an

Woran erkennen Sie, dass ich Christ bin? Auf den ersten Blick? Wahrscheinlich gar nicht. Die erste Antwort, die mir eingefallen ist, war, vielleicht daran, dass ich nach christlichen Werten zu leben versuche? Doch das hat eher etwas mit Erziehung als mit bewusstem „Christ-sein“ zu tun. Vielleicht muss ich zuerst für mich selbst die Frage beantworten, woran ich erkenne, dass ich Christ bin. Und das zeigt sich für mich am ehesten an meiner inneren Einstellung. Als Christ zu leben bedeutet für mich, meinen Alltag in Bezug zu Gott zu setzen; oder nach Ignatius von Loyola, Gott zu suchen in allen Dingen.

Das bietet meinem Leben ein festes Fundament, wenn ich mich als von Gott begleitet spüre. Und diese Grundhaltung, dieser Halt, spiegelt sich vielleicht nach außen wider. Meinen Glauben zu leben bedeutet für mich, dieses Fundament nicht zu verstecken, sondern zu teilen. Und das ist es, woran ich mich am ehesten als Christ erkennen würde.

Für eine gerechte Ordnung in der Gesellschaft eintreten

Andreas Mengelkamp, Diözesanvorsitzender der Katholischen Arbeitnehmer- Bewegung (KAB)

Das „Fürchtet Euch nicht“ der Engel aus dem Evangelium an Heiligabend passt gut in unsere Zeit. Die Botschaft vom geborenen Retter, der als Kind in einer Krippe liegt, macht deutlich, dass wir uns angesichts der Gegenwart Gottes nicht fürchten brauchen.

Doch gelingt es uns, furchtlos zu sein, wenn wir in persönlichen Sorgen um uns nahe stehende Menschen oder unsere beruflichen Perspektiven verstrickt sind? Angesichts der tief greifenden Wirtschaftskrise merken wir: Das Reich Gottes wird zu wenig als uns nah erfahren, obwohl wir aus dem Glauben wissen: Mit Jesus ist das Reich Gottes angebrochen, und wir Laien sind dazu berufen, „für eine gerechte Ordnung in der Gesellschaft zu wirken“ (Papst Benedikt XVI., „Deus Caritas est“). Wenn wir diese „unmittelbare Aufgabe“ an- und ernst nehmen, möge uns die Erfahrung der Hirten zuteil werden: Sie wurden nicht enttäuscht.