Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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Mit Gott im Urlaub

Glaube in der Schwebe

Ausblick beim Segelfliegen Richtung Osten ins ehemalige Zonenrandgebiet. Die Instrumente zeigen 360 Höhenmeter (rechts unten) und eine Fahrt von 100 Stundenkilometern (Mitte oben) an. Fotos: Anja Weiffen

Ein Tag Urlaub auf der Wasserkuppe in der Rhön, an der Wiege des Segelflugs

Von Anja Weiffen

Welcher Christ legt im Urlaub das Religiöse ab wie einen Mantel an der Garderobe? Die, die beruflich mit Kirche zu tun haben, spielen vielleicht mal mit dem Gedanken. Der Tag bei den Segelfliegern auf der Wasserkuppe verspricht Weltliches. Doch es folgen überraschende Erkenntnisse.

Die Haube schließt sich. Kaum ein Laut ist mehr von draußen zu hören. Nur die Geräusche der Ruder- Mechanik, die Uwe Treppesch checkt. Seit 45 Jahren fliegt er. Gut zu wissen. Ein bisschen stickig ist es, oder ist es doch die Aufregung, nach vielen Jahren wieder einmal in einem Segelflugzeug zu sitzen? Das Schleppflugzeug, das uns gleich in die Lüfte befördern wird, ist startklar.

Schon bei der morgendlichen Lagebesprechung in der Fliegerschule Wasserkuppe war klar, dass an dem Tag kein ideales Segelflugwetter herrscht. „Blauthermik“ nennen die Flieger so ein Prachtwetter. Die aufsteigende Luft, die Segelflugzeuge „fliegen lässt“, müssen Piloten unter dem Blau des Himmels erst einmal suchen. Die besten Freunde der Flieger: fette Kumulus-Wolken, sie zeigen an, wo es Auftrieb gibt.

Schon ein Wunder, dass ein Flugzeug ohne Motor nicht vom Himmel fällt… Aber noch sausen wir auf der Startbahn entlang, bis mich die Erdanziehung leicht in den Sitz drückt. Dann der Blick auf die Landschaft. Traumhaft. Mit einem Ruck löst sich das Schleppseil vom Flugzeug. Stille. Wir schweben. Und Uwe Treppesch hat hinter mir alles im Griff.

Der ehemalige Vize-Präsident der Gesellschaft zur Förderung des Segelfluges auf der Wasserkuppe, zu der die Fliegerschule gehört, weiß, wovon er spricht. „Für mich ist das der Luftozean. Die Luftströmungen, das Blau, alles vergleichbar mit dem Meer“, sagt er. Poetische Worte, die einen hier oben zum Nachdenken, nein, zum Nachspüren bringen. Ein Ziehen im Bauch, es geht abwärts. Ein Wellental im Luftozean. Wir sprechen über Gott und die Welt, die unter uns liegt. Ja, auch Jesus hatte seine Erfahrung mit den Elementen. Etwa auf dem stürmischen See Genezaret. „Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr denn keinen Glauben?“, sagte er damals zu den Jüngern.

Uwe Treppesch hat Thermik, also Auftrieb, gefunden. Wir „kurbeln im Bart“, wie es in der Fliegersprache heißt. Und es hebt uns Zentimeter für Zentimeter höher dem Blau entgegen. Angst habe ich keine.

Harald Jörges, Leiter der Fliegerschule Wasserkuppe, im offenen Schleppflugzeug. Hier läuft die Verständigung nur über Kopfhörer.

Thron und Schemel für seine Füße

Dass die Piloten mit Gefühl und Gespür fliegen, das ist vor allem Harald Jörges, dem Leiter der Fliegerschule Wasserkuppe, wichtig – auch wenn auf dem Flugplatz vieles sehr technisch zugeht. „Hier ist alles im Fluss. Leute, die etwa beim Autofahren die Gänge reinhauen, müssen hier umlernen“, sagt er. Das Religiöse ist ihm nicht fremd. „Beim Blick auf die Erde spiegelt sich darin für mich auch das Gesicht Gottes wider“, bekennt er. Die Schöpfung – aus dem Flugzeug heraus betrachtet bekommt das Wort einen anderen Geschmack. Die Erdkruste mit Hügeln wie Teigfladen, Wäldern wie Wollknäuel und Dörfern wie Bauklötzchen. „Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel für meine Füße“, lautet eine Passage bei Jesaja 66. Die passt.

Wieder gelandet, werden Erfahrungen ausgetauscht. Nicht nur Luft und Erde tragen hier, sondern auch die Gemeinschaft. Die ist in der Fliegerschule gut gemischt: von Tagesgästen, Flugschülern bis hin zu Piloten wie etwa Jürgen Schulte-Mäter, der noch mit 60 Jahren seinen Flugschein gemacht hat. Viele reisen aus ganz Deutschland an, um sich an der Wiege des Segelflugs ihren Traum vom Fliegen zu erfüllen.

Eine Redakteurin geht in die Luft, mit Pilot Uwe Treppesch.

 

Die Kommunikation auf dem Flugplatz ist erfrischend ehrlich. „Hier darf keiner nachtragend sein“, sagt Fluglehrer René Sobolewski. Man müsse sofort sagen können, wenn etwas nicht gut läuft, „und kann damit nicht bis zum Abend warten. Wir laufen schließlich keinem Ball hinterher, sondern tragen Verantwortung für Menschenleben.“

Erfahrung, Routine und gute Ausbildung sorgen dafür, dass sich das Verantwortungsbewusstsein mit dem Spaß am Fliegen verträgt. „Das Fliegen ist völlig zweckfrei“, betont Harald Jörges. „Hier geht es um nichts anderes als um die Freude, in der Luft zu sein.“ Und die darf sein. Genauso wie auch die Bussarde „zweckfrei“ ihre Kreise ziehen – Mäuse finden sie dort oben jedenfalls keine.

„Haben Sie eine Jacke dabei?“

Dann die Überraschung: „Haben Sie eine Jacke dabei?“, fragt der Leiter der Fliegerschule. Ich ahne, jetzt wird’s turbulent. Harald Jörges deutet auf das offene Schleppflugzeug ohne Haube. Gurt, Mütze, Sonnenbrille, Kamera. Ich prüfe lieber alles doppelt. Der Flug ohne trennendes Plexiglas eröffnet neue Welten. Himmel und Erde zum Greifen nah. Zögernd schaue ich in die Tiefe, oh Gott. Irgendwo festhalten. „Passiert nichts“, sagt Harald Jörges durch die Kopfhörer. Ich atme tief durch. Ich vertraue einfach.

Fliegerschule Wasserkuppe, Gersfeld, Telefon 0 66 54/ 3 64, Internet: www.fliegerschule-wasserkuppe.de

Plötzlich wechselt die Perspektive

Im Zillertal hat Sonja Knapp, die Autorin dieses Artikels, dieses Foto aufgenommen. Die Pastoralreferentin ist Leiterin des Gemeindezentrums St. Elisabeth in Mainz-Kastel.

Wenn Gipfelerlebnisse unseren Alltag verklären

Mein größtes Urlaubsvergnügen ist das Wandern im Hochgebirge. Viele Höhenmeter habe ich schon auf meinen eigenen Füßen überwunden, und einige unvergessliche „Gipfelerlebnisse“ wurden mir dadurch beschert. Eine Erfahrung begleitet mich nahezu bei jeder Bergtour: Wenn ich oben beim Gipfelkreuz stehe, fühle ich mich dem Himmel ein Stück näher. Plötzlich wechselt die Perspektive und ich habe den Überblick, statt mitten im Tal meines oft beengenden Alltags herumzuwuseln.

Dem Alltag entfliehen und auf einen hohen Berg steigen – das ist für mich Erholung pur. Und ich befinde mich da in guter Gesellschaft, denn Jesus macht es ebenso: Nach der Enthauptung Johannes’ des Täufers (Matthäus 14, 3-12) fährt Jesus in eine einsame Gegend, um all das zu verdauen. Aber die Leute folgen ihm, er wendet sich ihnen zu, und es ereignet sich das Brotwunder (Matthäus 14,13-21). Danach entzieht er sich endgültig und steigt auf einen Berg, um in der Einsamkeit zu beten (Matthäus 14,23). Er entzieht sich den Menschen, um näher bei Gott zu sein … und kommt später, gestärkt durch diese intensive Zeit, zu den Menschen zurück.

Auch die Jünger Jesu kennen Gipfelerlebnisse (Lukas 9, 28-36): Plötzlich, nach allen Mühen ihrer Verkündigungsarbeit im Tal und nach den Strapazen des Aufstiegs, sehen sie Jesus in der Klarheit seines Lichtes. Nicht durch Nebelschleier, nicht verstellt durch allerhand Alltagskram. Auf dem Berg der VerKLÄRung gewinnen die Jünger Klarheit. Die Perspektive ändert sich, weil die Dinge ins rechte Licht gerückt werden.

Berggipfel sind Orte der Klarheit. Was Reinhard Mey über das Fliegen singt, mag in gewisser Weise auch für Berggipfel gelten: Was groß und wichtig erschien, wird plötzlich nichtig und klein … weil man dem Himmel näher ist. Deshalb wollen die Jünger auch am liebsten bleiben. Drei Hütten bauen und sich niederlassen. Nur mit Wehmut steigen sie wieder ins Tal, in den Alltag, in ihr Leben hinab. Und doch ist das der Ort, wo sie hingehören. Der Ort ihrer Berufung, an dem sie ihren Auftrag zu erfüllen haben. Als sie unten ankommen, merken sie, dass sie nicht mehr die Alten sind; dass die Perspektive des Himmels sie nachhaltig verändert hat. Sie sind mehr sie selbst geworden, und das drückt sich in ihrem Denken, Reden und Tun auch aus.

Auch ich kenne diese Wehmut, wenn’s bei einer Bergtour wieder an den Abstieg geht. Dieses Gefühl: Ich bin dem Himmel näher; ich möchte am liebsten für immer bleiben. Und doch weiß ich: Ich kann hier nicht bleiben. Ich könnte gar nicht auf Dauer überleben auf diesem Gipfel. Der Ort, an den ich gehöre, ist mein Alltag. Dort bin ich hingestellt; dort habe ich meine Berufung, meinen Auftrag. Aber es lohnt sich, diesen meinen Ort hin und wieder zu verlassen und ihn mit der Perspektive des Himmels anzureichern… damit ich ihn danach gestärkt und gerne wieder einnehmen kann. Dabei ist es nicht so wichtig, ob mir mein Gipfelerlebnis durch die leibhaftige Besteigung eines Berges zuteil wird oder ob ich auf andere Weise meine Seele aufschwinge. Wichtig ist, dass es mir gelingt, die Vogelperspektive einzunehmen, die mir einen geweiteten Blick und mehr Klarheit verschafft.

In diesem Sinne ist mein Wunsch nicht nur für diesen Sommer, dass Sie viele „Gipfelerlebnisse“ haben mögen, die Ihnen die Perspektive des Himmels bescheren.

Sonja Knapp

Kirchenzeitung

Zur Sache

Reisebibel oder Rosenkranz Gott im Koffer

Ich packe meinen Koffer und nehme mit... So beginnt ein bekanntes Kinderspiel.

Jetzt im Sommer steht für viele Menschen der Jahresurlaub an. Da wird der Koffer vom Schrank geholt oder die Reisetasche und das große Packen beginnt. Kleider, Schuhe, Badesachen.

Aber wie nimmt man Gott mit in den Urlaub? Soll er überhaupt mitkommen?

Vielleicht wünscht sich mancher auch mal eine freie Zeit ohne moralische Übermacht, ohne kirchlichen Zeigefinger.

Wer den Koffer nicht füllen will, kann auch am Urlaubsort seine Gewohnheiten pflegen. Warum nicht mal in einer Bergkapelle in den Gottesdienst gehen, oder eine Eucharistiefeier in einer anderen Sprache erleben? Gottesdienst-Tourismus, sozusagen.

Wenn man sich entschließt, Gott in irgend einer Form mitzunehmen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Reisebibel und Rosenkranz stehen zur Auswahl, oder vielleicht doch lieber eine Marienfigur oder einen Schutzengel für die Handtasche?

Manche Menschen schieben auch kleine Marienanhänger oder Kreuze in ihre Reisetaschen. Das wirkt dann wie ein Reisesegen, vielleicht kommt das Gepäck so auch nicht abhanden. Und beim Auspacken wird man wieder an Gott erinnert, wenn einem das kleine Kreuz in die Hände fällt.

Ja, es gibt wirklich viele Dinge, die man in seinen Koffer packen kann, um das Gefühl zu haben, Gott ist dabei. Doch eines ist klar: Wohin man auch reist, in die Berge oder ans Meer, Gott ist schon da. Er ist mit dem Reisenden unterwegs und wartet schon am Zielort. Und ernsthaft in einen Koffer packen lässt Gott sich sowieso nicht.

Julia Jendrsczok