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Kleine Christen werden groß

Kinder lassen Gedanken freien Lauf

Über den gemeinsam besuchten sonntäglichen Gottesdienst diskutieren Kerstin und Lutz Müller-Hipper mit ihren Kindern Maria und Elias gern beim Mittagessen. Foto: Rebecca Keller

Für Familie Müller-Hipper aus Roßdorf sind Glaubensfragen keine Tabuthemen – Rituale helfen beim Sprechen über Religion

Von Rebecca Keller

Roßdorf. Kerstin, Lutz, Maria und Elias Müller-Hipper fanden vor zwei Jahren in der katholischen Kirche „ihr Zuhause“, wie sie sagen. Auf der Suche dorthin haben sie über Gott und ihren Glauben sprechen gelernt.

Während Erwachsene auf Alkohol oder Fernsehen verzichten, haben sich Maria und Elias für die Fastenzeit etwas Besonderes vorgenommen: Die Geschwister verzichten auf das Streiten. „Das hält sie zwar nicht davon ab, es dennoch zu tun“, räumt Papa Lutz (38) ein. Aber sie gehen bewusster miteinander um, bitten einander um Entschuldigung und versuchen nach Möglichkeit, Streit zu vermeiden. „Sie sind sich bewusst, dass sie sich nicht nur gegenseitig verletzen, sondern auch Gott“, sagt Mutter Kerstin (40), „deshalb sollen sie sich auch zweimal entschuldigen: beieinander und bei Gott.“

Auslandserfahrung hat die Familie geprägt

Auch außerhalb der Fastenzeit spielen Glaubensfragen in der Familie eine Rolle. „Vor fünf Jahren haben wir noch nicht so offen mit unseren Kindern über den Glauben gesprochen“, erzählt Kerstin Müller-Hipper, „da war noch alles so abstrakt.“ Die Familie hatte sich auf die Suche nach mehr Tiefe im Glauben gemacht. In freien evangelischen Gemeinden wurden sie vorerst fündig, haben dort gelernt, über ihren Glauben zu sprechen, ihn gegenüber anderen zu behaupten. Auch in einer Krise haben sie dort Hilfe erfahren. Ein Aufenthalt in den Vereinigten Staaten machte die Familie noch sprachfähiger. „Dort spricht man viel offener über den Glauben als hier“, sagt die Logopädin. „Aber angekommen waren wir noch nicht“, meint ihr Ehemann.

In der katholischen Kirche fanden sie, was sie suchten. „Ich hatte eine große Sehnsucht nach den Sakramenten“, beschreibt Kerstin Müller-Hipper ihre Suche. In der katholischen Pfarrgruppe Ost bei Darmstadt seien sie endlich „zu Hause angekommen“, wie es Lutz Müller-Hipper formuliert. Dem Datenverarbeitungskaufmann ist vor allem die Verbindlichkeit in der katholischen Kirche wertvoll geworden. „Wir können jetzt ganz anders mit unseren Kindern über den Glauben reden“, sagt auch Mutter Kerstin.

Elias ist seit der Aufnahme in die Darmstädter Pfarrei Ministrant. Außerdem besucht der Elfjährige den Erstkommunion-Unterricht und jetzt auch den katholischen Religionsunterricht in der Schule. Mit seinen Freunden kann er nicht so gut über das reden, was ihn beschäftigt: „Die sind nicht so fromm.“ Am besten gehe das in der Familie. Da ist etwa das regelmäßige Tischgebet. „Wenn Papa da ist, sucht er aus, wer beten soll“, erzählt Elias, der am liebsten „Alle guten Gaben“ und „Jedes Tierlein hat sein Essen“ betet.

Ein Gebetswürfel bringt Abwechslung, und auch freie Gebete gehören dazu. „Wir legen Wert auf einen gemeinsamen Beginn der Mahlzeit“, erklärt Kerstin Müller- Hipper, „und wir sind einfach dankbar, dass wir alles haben.“

Fragen nach den letzten Dingen gehen im Kopf rum

Maria liest vor dem Ins-Bett-Gehen ihrer Mutter aus ihrer Kinderbibel vor. „Ich bin gerade bei Isaak und Rebekka.“ Die Schülerin hat keinen Leitfaden. „Sie schnappt sich die Bibel und liest das, was sie gerade aufschlägt“, sagt Mutter Kerstin. Danach sprechen Mutter und Tochter oft noch über das Gelesene. „Die Kinder fragen, und wir antworten.“ So ergäben sich immer wieder Gespräche über das, „was den Kindern im Kopf herum geht“. Elias beschäftigt zurzeit die Frage nach den letzten Dingen. Wie das mit Himmel und Hölle ist, will der Schüler wissen. Und mit dem Reinigungsort. Wenn es keine Christen mehr auf der Erde gebe, dann wäre ja die Erde die Hölle, philosophiert Elias. „Er kann seinen Gedanken freien Lauf lassen“, berichtet Mutter Kerstin, „ganz anders als bei uns früher, als doch viele Ängste herrschten.“ Ihre Kinder seien sich der Liebe Gottes so sicher und wollten eben alles wissen. „Wenn wir keine Antwort wissen, sagen wir das auch“, gibt sie zu.

Auf die täglichen Rituale will die Familie nicht verzichten: Vor dem Schlafengehen spricht Kerstin Müller-Hipper eine Segensbitte aus und zeichnet ihren Kindern symbolisch ein Kreuzzeichen auf die Stirn.

„Gemeinsam auf die Suche machen“

Annette Reithmeier-Schmitt leitet den Elternkurs „Kess – staunen, fragen, Gott entdecken“ der Katholischen Familienbildungsstätte Mainz. Darin geht es um die religiöse Erziehung von Kindern im Alter von zwei bis zehn Jahren. Foto: privat

Zehn Tipps zur Begleitung der religiösen Entwicklung von Kindern

Was können Eltern tun, damit ihre Kinder offen werden und bleiben für die religiöse Dimension und den Glauben? Empfehlungen von Annette Reithmeier-Schmitt, Diplom- Sozialarbeiterin in der Katholischen Familienbildungsstätte Mainz:

  • Religiöse Erziehung beginnt dort, wo ein (kleines) Kind wahrgenommen und angenommen wird, wie es ist, mit all seinen Fähigkeiten und Stärken, Charakterzügen, Fehlern und Schwächen. Durch diese sichere Bindung an die Eltern wird die Grundlage gelegt, auch mit anderen Menschen und Weltanschauungen in Beziehung zu treten.
  • Eine sichere, vertrauensvolle Bindung an die Eltern ermöglicht es den Kindern, Vertrauen zu entwickeln. Sie ermöglicht Rückbindung und Vertrauen an Schützendes als Grundlage an die Rückbindung an eine höhere Macht, an Gott, der mich im Leben geleiten und begleiten kann.
  • Eine sichere Bindung an die Eltern ermöglicht ein interessiertes und neugieriges Zugehen auf die Welt. Dazu gehören auch die großen Kinderfragen nach dem Ursprung des Lebens und Sinndeutung.
  • Begleitung von religiöser Entwicklung der Kinder bedeutet auch, sich mit den Kindern zusammen auf die Suche nach Antworten zu den großen Fragen nach Gott und dem Sinn der Welt zu machen. Fragen und „sinnieren“ Sie gemeinsam, regen Sie ihr Kind an, Antworten aus seiner Sicht zu geben, und geben Sie ihm dazu dann erst Ihre Vorstellungen mit auf den Weg. Lassen Sie sich auf seine Ideen und Vorstellungen ein und damit auch von der Sichtweise des Kindes bereichern.
  • Sich im Alltag gegenseitig wahrnehmen, einer Sache gemeinsam Aufmerksamkeit schenken, gemeinsames Handeln, sich gegenseitig zu verstehen und sich in die Gefühle des anderen hinein zu versetzten, dies alles fördert eine gelingende Beziehung in der Familie und prägt ein Gottesbild, das trägt und stabilisiert.
  • Gehen Sie mit Ihrem Kind gemeinsam als „Sinndeuter“ mit einer positiven Lebenseinstellung durch das Leben. Sie helfen Ihrem Kind damit, das Leben mit seinen Herausforderungen zu verstehen, handlungsfähig zu sein und einen Sinn aus den Anforderungen des Lebens abzuleiten.
  • Kindliche Gottesbilder verändern sich je nach Entwicklungsstand und Erfahrung im Alltag. Stützen Sie diese Entwicklung, indem Sie sich für die kindlichen Vorstellungen von Gott interessieren und den Wandel begleiten.
  • Schenken Sie Ihrem Kind ein offenes Ohr und Zeit, wenn es mit seinen Fragen nach Gott und der Welt kommt. Hören Sie zu, versuchen sie die Gedanken des Kindes zu verstehen und nachzuvollziehen.
  • Stellen Sie Fragen, die zum Selbst-Entdecken anregen, anstatt fertige Antworten zu bieten. Fragen Sie nach den Erfahrungen der Kinder zum Thema, lassen Sie sich Begriffe aus der Kindersicht erklären, hinterfragen Sie weiter und lassen Sie sich Meinungen begründen.
  • Bieten Sie Ihren Kindern zu Hause und in der Gemeinde spirituelle Erfahrungen und Rituale an, damit sie diese Erfahrungsräume konkret erleben können. Kinder sind von sich aus auch offen für Bibelgeschichten, weil diese die sozialen Grunderfahrungen der Menschen ansprechen und Anregungen für das Zusammenleben anbieten.

Machen Sie sich mit diesen Anregungen auf die Suche mit Ihren Kindern und finden Sie so – auch für sich – (neue) Spuren zu Gott.

Kontakt: Katholische Familienbildungsstätte Mainz, Liebfrauenstraße
3, 55116 Mainz,
Telefon 0 61 31 / 25 32 94,
E-Mail: fbs.mainz@bistummainz.de
Infos im Internet: www.familienbildung-mainz.de

Kirchenzeitung

Tipps

So können Kinder beten

Für die ganz Kleinen:

„Wo ich gehe, wo ich stehe bist Du, lieber Gott, bei mir. Wenn ich Dich auch niemals sehe weiß ich sicher, Du bist hier.“

„Lieber Gott, tröste mich, wenn ich traurig bin. Tröste mich, wenn ich einsam bin. Tröste mich, wenn ich nicht gewinn. Tröste mich, bis ich glücklich bin.“

Was nah ist und was ferne, von Gott kommt alles her, der Strohhalm und die Sterne, das Sandkorn und das Meer.“

„Unser blaues Himmelszelt, Sonne, Mond und Tag und Nacht,
unsre weite schöne Welt hast Du, lieber Gott, gemacht. Sonnenblumen und der Baum, Pflanzen, Menschen, jedes Tier, Weinen, Lachen und mein Traum,
lieber Gott, das kommt von Dir. Du schenkst Regen, Frost und Eis und den Sommer, hell und heiß. Du behütest Mensch und Tier, guter Gott, wir danken Dir.“

„Großer guter Gott. Vielen Dank für diesen Tag. Wir haben gespielt, wir haben gelacht. Wir haben geweint, wir haben gezankt, wir haben uns liebgehabt. Wenn wir uns liebhaben, verzeihst Du uns. Segne uns alle und gib uns eine gute Nacht.“

Für die Älteren:

„Gott, Vater im Himmel, ein neuer Tag hat angefangen; Du schenkst ihn mir. Ich freue mich und danke Dir. Vor allem aber danke ich Dir, dass Du überall und immer bei mir bist und mich allzeit liebst, das macht mich froh. Zeige mir heute, was recht und unrecht ist. Hilf mir, gut zu sein.“

„Lieber Gott, beschütze alle Eltern auf der Welt. Hilf ihnen. Wenn sie müde sind, gib ihnen neue Kraft. Tröste sie, wenn sie Ärger oder Sorgen haben oder wenn sie erschöpft sind von zu viel Arbeit. Und wenn sie Angst haben, gib ihnen Frieden und Hoffnung. Mach, dass sie auch dann an Dich denken, wenn’s ihnen gut geht. Hilf ihnen allezeit und schenk ihnen deine Liebe. Ich will sie auch lieb haben.“