Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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Reli - Chance für Gott

„Reli wird oft nicht ernst genommen“

Wieviel Glaube kommt bei Kindern und Jugendlichen im Kopf und im Herzen an? Foto: kna

Eine Lehrerin erzählt, wie Schüler den Religionsunterricht wahrnehmen und was hinter manchen Vorurteilen steckt

Sibylle Brandl weiß, wie Schüler ticken. Die katholische Religionslehrerin – seit 15 Jahren im Schuldienst – arbeitet am staatlichen Stefan-George- Gymnasium in Bingen. „Glaube und Leben“ hat sie mit Aussagen zu „Reli“ konfrontiert. Vorurteil 1: Glauben kann man sowieso nicht lernen.

Sibylle Brandl: Im Prinzip ja. Denn Glauben muss man vor allem leben beziehungsweise vorgelebt bekommen. Zwar bietet der Religionsunterricht auch spirituelle Erfahrungsfelder, aber im Wesentlichen vermittelt er Wissensinhalte wie etwa die jüdisch-christlichen Grundlagen des Christentums und unserer Kultur. Das ist wichtig, weil viele gar nicht mehr wissen, was alles im täglichen Leben aus religiösen Zusammenhängen kommt. Zwar lebe ich auch als Lehrerin Glauben vor, aber: Glauben lernt man vorrangig in der Familie oder in der Gemeinde.

Vorurteil 2: Jesus kommt im Reli-Unterricht nicht vor.

Salopp gesagt Schwachsinn. Auf dem Gymnasium ist Jesus in der Oberstufe sogar ein halbjähriger Schwerpunkt. Die Person Jesu stellt in den unteren Jahrgangsstufen auch immer wieder den Zugang zu verschiedenen Themen dar, allein schon durch seine Gleichnisse. Religionsunterricht ohne Jesus wäre wie Mathematikunterricht ohne die vier Grundrechenarten.

Vorurteil 3: Reli ist langweilig.

Diesem Vorurteil begegne ich häufiger und versuche dann das Gegenteil. Die Frage ist: Woraus resultiert diese Einstellung? Möglich, dass das Fach wirklich nicht spannend gestaltet wird oder wurde oder an den Fragen der Schülerinnen und Schüler vorbei geht. Oder weil sie von Zuhause schon die Meinung mitbringen: Reli ist uncool. Eltern gehen auf die Barrikaden, wenn Deutsch ausfällt, aber nicht wenn der Religionsunterricht ausfällt.

Vorurteil 4: Reli ist ein Laberfach.

Das ist oft die Ansicht der Schüler, die daraus entsteht, dass Reli ein schulisches Nebenfach ist. Schüler spiegeln damit die allgemeine Tendenz wider, dass Religionsunterricht von vielen nicht ernst genommen wird. Als „Laberfach“ fällt Reli in einen Topf mit Fächern, in denen viel diskutiert wird wie beispielsweise in Deutsch. Schnell heißt es dann: „Mer habbe halt mal drüber gered.“ Aber wie auch in Musik, Sport und Kunst wird in diesen Fächern Persönlichkeitsbildung betrieben. Schüler können sich in Gesprächen ausdrücken, Meinungen bilden und haben Raum für eigene Ideen. Das ist dann oft nicht in direkten Ergebnissen greifbar und wird von den Schülern als diffus empfunden – Gelaber halt. Aber es wird in diesen Fächern auch handfestes Wissen gefordert, das gelernt und abgefragt werden kann.

Vorurteil 5: In Reli kriegt man gute Noten.

Das resultiert oft aus dem oben genannten „Laberfach“. Wie bewertet man Diskussionen und welchen Anteil am Unterricht nehmen sie ein? In meinem Unterricht schöpfe ich die volle Notenskala aus, weil ich versuche, Diskussionen und abfragbares Wissen im Unterricht abzudecken. Manche Kollegen entscheiden anders. Meine Vermutung ist, dass manche Lehrer im guten Sinn nicht mit Noten „draufkloppen“ wollen, um eine freie Diskussion zu fördern.

Vorurteil 6: Da glaubt der Lehrer selbst nicht dran.

Da antworte ich mit: Nicht überzeugen, sondern bezeugen. Ich werde das vermitteln, hinter dem ich stehe. Schüler merken, wenn man als Lehrer mit etwas ein Problem hat. Wenn sie fragen „Glauben Sie da selbst dran?“, wollen sie mich manchmal provozieren. Und wenn ich zurückfrage: „Die kurze oder die lange Antwort?“, wollen sie es oft gar nicht so genau wissen. Manchmal ist es auch eine billige Ausrede, um sich nicht am Religionsunterricht zu beteiligen. Oder sie sprechen das nach, was im Elternhaus gesagt wird.

Haben Schüler allerdings ein ernsthaftes Interesse daran, wie man als Reli-Lehrer zu seinem Glauben steht, bewerten sie es positiv, wenn sie merken, dass das „echt“ ist. An so einem Bekenntnis wird dann aber auch das gesamte Verhalten des Lehrers gemessen.

Vorurteil 7: In Reli guckt man doch nur Filme.

Sicherlich kann das mal der Fall sein. Filme gucken heißt bei den Schülern oft: Abschalten. Ein Frageblatt zu einem Film ist schon unbequem. Mancher Lehrer arbeitet gern mit Filmen; wichtig ist dabei das Vor- und Nachbereiten.

Vorurteil 8: Reli bringt mich nicht weiter.

Das sagen Schüler vielleicht heute. Fragen wir sie mal in 20 Jahren oder nach einer Lebenskrise. Da kommen dann die Sinnfragen. Und wo werden die Sinnfragen in den Schulfächern gestellt? Nicht in den Naturwissenschaften und nicht im Fach Wirtschaft und in den Fächern, die unsere Schüler für die Wirschaftswelt fit machen sollen. So besteht bei uns zum Beispiel eine Absprache zwischen Biologie und Religion, dass beim Thema Sucht in Bio die körperlichen Zusammenhänge geklärt werden, in Reli/Ethik es um die Frage geht: Wie kann ich mich so stärken, dass ich erst gar nicht in die Versuchung komme, abhängig zu werden?

Allerdings erkennen Schüler und Eltern oft nicht, was diese Themen mit Religion zu tun haben, aber das kann man ja ansprechen. Ich finde also schon, dass Reli genauso viel wie andere Fächer einen Menschen weiterbringen kann, wenn er für das Angebot offen ist.

Vorurteil 9: Da würde ich nur hingehen, wenn mein Freund Murat auch da wäre.

Dieser Satz ist mir noch nicht begegnet.

Vorurteil 10: Ich lass mir doch von denen nichts sagen.

Schüler lassen sich dann nichts sagen, wenn sie Doppelmoral spüren. Wenn es an Authentizität mangelt. Daran wird jeder, der Autorität ausübt, gemessen. Vielleicht wollen sich manche generell von Autoritäten nichts sagen lassen.

Welches Vorurteil begegnet Ihnen am häufigsten?

Reli ist ein Laberfach.

Gespräch: Anja Weiffen

Große Chance, Jugendliche zu erreichen

Larissa mit ihrer Gastschwester Faith (11) im Jahr 2008 bei der Graduation- Zeremonie (Schulabschluss- Zeremonie) in den USA Foto: privat

Eine 17-Jährige beschließt nach einem Auslandsaufenthalt, auf eine katholische Schule zu wechseln

Von Ann-Kathrin Wetter

Rund 100 Kilometer Schulweg nahm Larissa Alt (19) während ihrer Oberstufenzeit täglich auf sich, um die Marienschule Fulda, ein Mädchengymnasium in katholischer Trägerschaft, besuchen zu können. Hat sich dieser Aufwand gelohnt?

Kehrt man von einem Austauschjahr nach Hause zurück, hat sich oft viel verändert. Der eigene Horizont hat sich erweitert, und ein bisschen selbstständiger als alle anderen 17-Jährigen fühlt sich so mancher Heimkehrer. So erging es Larissa Alt, als sie im Sommer 2008 aus den USA zurückkehrte.

„Ich habe in den USA an einer öffentlichen Schule Leute kennen gelernt, die ohne lange zu zögern von ihren Erfahrungen mit Gott geredet haben.“ Aus Deutschland kannte Larissa solch offene Glaubensbekundungen nicht. „Die meisten meiner Freunde hier sind nicht religiös, und über Gott reden wollen die Leute in unseren Breitengraden ohnehin nicht so gerne. Man erntet schnell schiefe Blicke.“

Eine leidenschaftliche Kirchgängerin sei sie vor ihrem Austauschjahr nie wirklich gewesen, gibt Larissa zu. Das aktive Gemeindeleben hat Larissa in den USA gefallen. „Ich habe dort beschlossen weiterzusuchen und meinen Glauben auch zu Hause in der katholischen Kirche aktiver zu leben. Deshalb wollte ich gerne eine katholische Schule besuchen, aber wo?“ Als einzige Möglichkeit erwies sich für das Mädchen aus einer Gemeinde am südlichen Zipfel des Vogelsbergs die Marienschule im 50 Kilometer entfernten Fulda.

Larissa erzählt: „Ich hatte eine grandiose Religionslehrerin, die manchmal sogar 45 Minuten nach Unterrichtsschluss noch mit uns weiterdiskutiert hat, wenn wir etwas nicht verstanden haben.“ Die Lehrerin habe zwar nie aus ihrem eigenen Leben erzählt, dennoch hätten die Schülerinnen gespürt, dass sie hinter all dem stehe, was sie erkläre. „Es war ihr immer sehr wichtig, dass wir verstehen, dass es letztendlich bei allem um uns ganz persönlich geht.“

„Religion kann man nur dann nachhaltig unterrichten, wenn man eine lebendige Beziehung zu Gott und zur Kirche hat“, sagt Dr. Oswald Post, Schulleiter der Fuldaer Marienschule. Er unterrichtet Religion, Politik und Wirtschaft an der Schule. „Irgendwann geht es ans Eingemachte. Schülerfragen sind oft sehr kritisch und man muss wirklich hinter dem stehen, was man erzählt, sonst macht das Unterrichten keinen Sinn.“

Larissa ist sich sicher, dass der Religionsunterricht Frucht getragen hat: „Es gab natürlich auch religionskritische Schülerinnen in unserem Kurs. Man kann schließlich niemanden zum Glauben zwingen. Aber vielleicht werden sie sich irgendwann in ihrem Leben an das Gelernte erinnern und es annehmen.“

„Wir haben immer mehr Bewerberinnen, als die Schule aufnehmen kann“, so Post. „Eine große Chance für die Kirche Jugendliche zu erreichen, die vielleicht nicht jeden Sonntag zum Gottesdienst gehen und denen aus dem Elternhaus der Glaube nicht mehr mit auf den Weg gegeben wird.“

Larissa ist froh, täglich nach Fulda gependelt zu sein. Auch wenn sie, pro Fahrt, eine knappe Stunde unterwegs war. Besonders gut gefallen hat ihr das Gebet vor Unterrichtsbeginn, und das gute Verhältnis zwischen Lehrern und Schülerinnen. Das Klima an der Marienschule sei „unheimlich toll“ gewesen – keine Ellebogenmentalität, sondern freundschaftliches Miteinander –Religionsunterricht ins Leben übersetzt.

Kirchenzeitung

Zur Sache

Kirche geht in die Schule

Es ist nicht nur der Religionsunterricht, der einen Kontakt zwischen Schülern und Glaube herstellt. Diözesanjugendseelsorger Pfarrer Markus W. Konrad nennt ein paar Beispiele aus dem Bistum, die zeigen, dass Kirche in der Schule auch auf andere Weise präsent ist:

  • „Das Referat Jugend und Schule des Bischöflichen Jugendamts bietet schon seit Jahren Reflexionstage an“, sagt Pfarrer Konrad. Dieses Angebot richtet sich an Schüler ab Klasse zehn. Die Reflexionstage sind eine Auszeit von der Schule, die Schülern ermöglichen soll, über sich selbst nachzudenken und sich selbst und andere neu kennenzulernen.
  • Das Referat Jugend und Schule bietet auch das Seminar „Wir sind Klasse!?“, das helfen soll, wenn Konflikte die Atmosphäre in einer Klasse belasten, so dass sich niemand mehr wohlfühlt.
  • Andere Schulprojekte werden von den Katholischen Jugendzentralen (KJZ) durchgeführt, so beispielsweise von der KJZ Darmstadt, die zusammen mit der Caritas das Projekt „Was kostet die Welt“ auf die Beine stellen. Darin geht es für Schüler um die Frage: Wie organisiere ich meinen finanziellen Alltag?
  • Jüngere Schüler spricht die KJZ Darmstadt mit ihrer „Kinderzirkusschule“ an, die von der Idee her ein Ferienprojekt ist, aber auch direkt an der Schule zum Einsatz kommt.
  • „Die KJZ Mainz geht mit einer Sozialbörse an die Hauptschulen, um Schülern Projekte in sozialen Einrichtungen wie etwa in Altenheimen zu vermitteln“, berichtet der Diözesanjugendseelsorger.
  • Der Schulpastoraltag wird vom Referat Jugend und Schule organisiert: Hier tauschen sich alle zwei Jahre Reli-Lehrer zu aktuellen Themen aus wie etwa „Jugend und Medien“. (wie)

Referat Jugend und Schule, Telefon 0 61 31 / 25 36 41