- Nicola Schöllhorn ist Geigenbau-Meisterin und ihr Tagwerk besteht aus dem Bauen und Reparieren von Geigen und Violoncelli. 2002 hat sie sich selbstständig gemacht. Kraft für ihren Beruf und für ihr Familienleben mit Mann und drei Töchtern zieht sie auch aus dem Gebet. Die beste Stunde für ein Gespräch mit Gott: der Tagesbeginn, wenn noch alles still ist. Foto: Anja Weiffen
Beten, wie geht das? Nicola Schöllhorn erzählt, wie sie das tut. Ein Besuch bei der Bretzenheimerin
Von Anja Weiffen
Zu ihrem „himmlischen Papa“ betet Nicola Schöllhorn – und das immer mal wieder am Tag, auch wenn die Mutter von drei Töchtern und selbstständige Geigenbauerin viel zu tun hat. Die Kommunikation mit Gott gehört für die 36-Jährige zum Leben wie die Luft zum Atmen, und sie weiß, dass man beten lernen kann.
Es ist halb zehn Uhr morgens mitten in der Woche. Vor einer viertel Stunde ist Nicola Schöllhorn vom „Offenen Beten“ zurückgekommen. Einmal in der Woche lädt sie dazu um 9 Uhr in die Räume der evangelischen Kirchengemeinde im Holunderweg 1 ein. „Der Treff hat sich aus dem Beten mit einer Nachbarin entwickelt , das wir seit fünf Jahren pflegen“, erzählt die junge Frau und fügt hinzu: „Im Moment sind wir so zwischen zwei und fünf Leuten.“
„Es endet nicht an der Zimmerdecke“
Aber wie stellt man das an mit einem Gebetskreis? „Es endet nicht an der Zimmerdecke“, sagt die Protestantin schmunzelnd. Sie ist mit einem Katholiken verheiratet, hat zwei katholische Kinder und ist „oft ökumenisch unterwegs“. „Wir beten für alles und jeden, der uns in dem Moment wichtig ist.“ Es gibt keine feste Form. Ein Lied, ein Vers oder ein Bibelspruch eröffnet das gemeinschaftliche Beten. „Dann spricht jeder in der Wortwahl, mit der er groß geworden ist, und ich bete eben zum meinem himmlischen Papa“, sagt sie. Nein, nicht von ihren Eltern hat sie das freie Beten gelernt. Als Teenager hat sie ihre „Kommunikation mit Gott“ entwickelt, sich von Gebetskreisen anregen lassen und Menschen kennengelernt, die Gott einfach sagen, was ihnen auf dem Herzen liegt.
Nici, wie ihre Freunde sie nennen, ist sich sicher, dass sie gehört wird. „Sonst würde ich das nicht machen.“ Das Vertrauen, dass Gott, Jesus, es mit den Menschen gut meint, ist ihr dabei ganz wichtig. Im Grunde kommuniziert sie ständig in ihrem Denken mit ihm – und er mit ihr. Denn manche Zufälle nennt sie „Gottfälle“ und sie interpretiert dies für sich selbst als Nähe Gottes, „dass er nicht irgendwo weit weg, sondern ganz konkret an ihrer Person interessiert ist“. Sie spürt, dass ihr das Sprechen mit ihrem „himmlischen Papa“ gut tut. „Warum darf das Leben nicht auch leicht sein?“, fragt sie sich.
Jeden Morgen versucht sich Nici eine viertel Stunde lang eine Auszeit zu nehmen, bevor das Familienleben losgeht, ihr Mann Markus und ihre drei Töchter – neun, sieben und drei Jahre alt – aufstehen. Was tut sie dann? Bibel lesen, sprechen, mit Gott Kontakt aufnehmen. „Ich habe es lange Zeit nicht geschafft, diese Disziplin aufzubringen“, beschreibt sie den Weg dorthin, „aber dann hat mich eine Bibelstelle bei Jesaja wie ein Blitz getroffen, die beschreibt, wie der Prophet in einem Thronsaal vor Gott steht und so fasziniert und satt vor Glück von der Gegenwart Gottes ist. Und da habe ich mich gefragt: Wieso gönne ich mir das nicht!?“ Wenn sie ihre Gebetszeit morgens auslässt, erlebt sie irgendwann einen Mangel. Deshalb empfindet sie das Beten für sich als sinnvoll, „es ist mir zur einer Haltung geworden, nicht unbedingt nur ein Gefühl“. Diese Haltung gibt sie weiter: Das Gebet in der Familie morgens am Frühstückstisch, genauso wie abends vor dem Schlafengehen, gehört wie selbstverständlich dazu. „Wenn unseren Töchtern dazu etwas Eigenes einfällt, beten sie mit. Aber sie müssen nicht. Wir wollen ihnen zeigen, dass sie mit Gott reden können, wie mit uns auch.“
So frei Nici Schöllhorn das Beten auch gestaltet, ihre große Quelle ist und bleibt die Bibel. Flugs steht die drahtige Frau auf, springt in die Küche und holt die Bibel, die griffbereit auf einem Bord liegt. Alles, was sie über das Beten gesagt hat, finde sie in dem Buch wieder. Sie schiebt einen Zettel über den Tisch. „Das ist beispielsweise so ein Satz, mit dem man beten lernen kann.“
Dinge, die helfen, Worte zu verinnerlichen
Dort steht ein Text aus den Paulus-Briefen an die Philipper: „Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren.“ In dieser Passage ist alles enthalten, was beten ausmacht, findet sie: Danken, Bitten und vor allem: Gebete überflügeln alles Grübeln und Denken.
Dann kramt sie einen Gegenstand hervor: ein kleines Holztäfelchen mit der Aufschrift „Ruf mich an“. Angelehnt an die Bibelstelle Jeremia 33, dritter Vers: „Rufe zu mir, so will ich dir antworten.“ – „Das Täfelchen ist nur ein Hilfsmittel, irgendwann ist das verinnerlicht“, sagt Nici lachend. Verinnerlichen... ja, das geht sehr gut über das Singen – gute Idee. Sie holt die Gitarre hervor, und bevor ich mich von Nici Schöllhorn verabschiede, singen wir gemeinsam ein Lied mit dem Refrain: „Etwas in mir zeigt mir, dass es dich wirklich gibt.“
Wissenswertes über das Sprechen mit Gott – von A bis Z
Ave Maria: „Gegrüßet seist Du, Maria“, ein Grundgebet. „Mutter Gottes, bitte für uns Sünder…“ Maria wird nicht angebetet, sondern um Fürsprache gebeten.
Bitten: Erlaubt und erbeten. In der Bibel beim Evangelisten Matthäus (Vers 7,7) heißt es: „Bittet, und es wird euch gegeben…“ Gott wird mit einem Vater verglichen, der seinem Kind keinen Stein gibt, wenn es um Brot bittet.
Credo: „Ich glaube.“ Das Glaubensbekenntnis. Ein Gebet, das in jedem Gottesdienst an die Grundlagen erinnert.
Dialog: Mit Gott per Du. Mit ihm kann man sprechen wie mit einem ganz nahen Menschen. Das hat Jesus vorgemacht, als er mit „Abba“, seinem Vater, sprach.
Ehre sei dem Vater: …und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Das kürzeste Bekenntnis zum dreifaltigen Gott. Bestandteil jedes Stundengebets.
Fürbitte: Das Eintreten vor Gott für jemanden oder für etwas. Im Gottesdienst nach dem Credo.
Gedicht: Einige der berühmtesten Gebete sind in Reimform gefasst. Ein Beispiel von Eduard Mörike: „In ihm sei’s begonnen,/ der Monde und Sonnen/ an blauen Gezelten/des Himmels bewegt. / Du, Vater, du rate,/lenke du und wende,/Herr, dir in die Hände,/ sei Anfang und Ende,/sei alles gelegt.“
Hören: Beten bedeutet nicht, Gott mit Wortteppichen zu überziehen, sondern, sich zu konzentrieren auf ihn, auf seine Gegenwart, auf sein Wort. Zu lauschen, zu hören.
Jesusgebet: Wird auch Herzensgebet genannt. Das Wort „Jesus“ oder „Herr Jesus, erbarme dich meiner“, werden im Rhythmus des Atems gesprochen, wiederholt und verinnerlicht.
Klage: Die Beschwerde bei Gott. Qual und Leid brauchen im Gebet nicht verschwiegen zu werden. Vorbild aller gequälten Beter ist Hiob.
Lob: Wie die Klage und der Dank eine Grundform des Betens. Für Verbitterte eine gute Gebetsform: Jeden Abend einen Grund zum Lob finden und aufschreiben: Der Vogelgesang, die klare Luft, der liebe Gruß...
Meditieren: In allen Religionen verbreitete Versenkung, um in der Gegenwart Gottes still zu sein. Beim Meditieren wird nicht nachgedacht. Der heilige Benedikt (gestorben 547) nannte diesen Zustand „unter den Augen Gottes in sich selbst wohnen“.
Novene: An neun aufeinanderfolgenden Tagen wird in einem Anliegen gebetet – in der Pfingstnovene um den Heiligen Geist.
Oranten-Haltung: „Orare“ heißt auf Lateinisch beten. Die Orantenhaltung ist die Gebetshaltung des Priesters mit erhobenen Händen.
Psalm: „Lernen Sie zwölf Psalmen auswendig. Damit sie im Rucksack der Lebenswanderung als Nahrung dienen können.“ Der Ratschlag eines Mainzer Theologieprofessors kann allen nützlich sein. Die alte Textsammlung von 150 Lob-, Klage, Dank- und Bittliedern steht im Ersten Testament der Bibel. Sie erinnert an die jüdischen Wurzeln des Glaubens und ist Kern des Stundengebets.
Quelle: Das Gebet – Quelle, die erfrischt und belebt.
Rosenkranz: Das Gebet an der Perlenschnur: ein Vaterunser, zehn Ave Maria, das Ehre sei dem Vater… und ein Schlusssatz, der ein Geheimnis des Lebens Jesu hervorhebt: „…der für uns auferstanden ist“.
Stoßgebet: Sie beten nicht? Sie beten doch. Jeden Tag. O Gott! Ein Stoßgebet ist auch ein Gebet. „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir“, da braucht es kein ausgefeiltes Reden, da ist die Gewissheit, dass Gott hört.
Totengebet: Obwohl Gläubige sicher sein dürfen, dass die Toten bei Gott und erlöst sind, tut es gut, für sie zu beten. Das ist wie eine in liebender Erinnerung vertiefte Zusage: Du gehörst weiter zu uns. Das Totengebet ist eine tröstliche Erfahrung.
Vaterunser: Das Gebet Jesu! Die biblische Überlieferung macht es zum wichtigsten christlichen Grundgebet und zum festen Bestandteil jeder Eucharistiefeier.
Wort-Gottes-Feier: Christen versammeln sich, um sein Wort zu hören. Texte der Bibel, eine Auslegung der Botschaft, miteinander beten. Heute an vielen Orten die Form des sonntäglichen Gottesdienstes, wenn keine Eucharistie gefeiert werden kann.
Zungenreden: Eine besondere Gnadengabe des Geistes. Sprechen in Ekstase, ohne Deutung meist unverständlich für die Hörenden. In der Apostelgeschichte (2,4) beim Pfingstereignis beschrieben.
nen/job
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