Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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Heuschrecken: die Gefahren

Der Mensch straft sich selbst

Pater Max Rademacher ist Franziskaner im Beichtzentrum der Franziskaner auf dem Frauenberg in Fulda. Foto: Dietmar Kuschel

Franziskanerpater

Max Rademacher zu Verstocktheit und Plagen – in biblischen Zeiten und heute

Gott schickt zur Strafe für die Verstocktheit des Pharaos Plagen. Ein strafender Gott, das macht Menschen Angst. Wie passt dieses Gottesbild zum liebenden Vater, den uns Jesus verkündet? Fragen an Franziskanerpater Max Rademacher, Fulda, Exerzitien- und Beichtseelsorger sowie Gemeindemissionar.

Frage: Was ist so schlimm an der Verstocktheit des Pharao?

Pater Max: Dass der Pharao nicht offen ist für Gott und die unterdrückten Hebräer, dass er „zumacht“. Es ist wie in einer menschlichen Beziehung. Wenn die Partner aufeinander hin orientiert sind, gelingt das Leben besser, wenn einer zumacht, wird es problematisch. Das Gleiche gilt auch in der Beziehung zu Gott. Der verstockte Mensch löst sich aus der Verbindung mit Gott, aus der Liebesbeziehung mit Gott.

Und dann straft Gott den Pharao?

Nicht Gott straft. Die Bibel fasst das Geschehen in Bilder. Die Verstocktheit des Pharaos hat eine Konsequenz: im Bild gesprochen Plagen. Wenn heute Staaten den Dialog einstellen, sprechen die Waffen, Blut fließt, wie in einer der Plagen.

Wenn nicht Gott, wer straft dann?

Der Mensch straft sich selbst, wenn er sich aus der Beziehung mit Gott löst.

Martin Luther fragt: Wie finde ich einen gnädigen Gott?

Das heutige Gottesbild eines durchschnittlichen Christen ist eher negativ geprägt. Der Theologe und Psychologe Karl Frielingsdorf unterscheidet vier „dämonische Gottesbilder“: den strafenden Richter-Gott, den Todes-Gott, den Buchhalter-Gott, der alles registriert im großen Buch, und den Leistungs-Gott, bei dem ich etwas leisten muss, um in den Himmel zu kommen. Die vier Gottesbilder gibt es allerdings nicht jeweils in Reinkultur.

Wo sind die Wurzeln für diese Gottesbilder?

Sie sind ganz tief in uns drin und prägen uns. Erfahrungen, die Menschen mit Vater und Mutter machen, übertragen sich auf das Gottesbild. Menschen, die in ihrer Kindheit durch das Bild des strafenden Gottes geprägt wurden, sind später oft ängstlich. Ein Mensch, der sich ständig – in diesem Fall – von Gott beobachtet fühlt, wird neurotisch. Oder: Wer ständig etwas leisten muss für den Himmel, wird verzweifelt und ruhelos.

Wie können die Menschen von einem negativen zu einem positiven Gottesbild finden?

Wichtig ist, sich die Frage zu stellen: Welche negativen Schlüsselerfahrungen habe ich im Leben gemacht?

Beispielsweise hat ein Erwachsener als Kind immer wieder erlebt: Ich bin wertlos, unerwünscht. Ich frage ihn dann: Wo gibt es das Gegenteil in deinem Leben? Wo hast du erfahren: Ich bin erwünscht. Wenn ich diese gute Erfahrung dann verinnerliche, kann ich zu einem neuen Gottesbild finden.

Wer von Angst geprägt ist, dem rate ich, die Angst anzunehmen, sie zu benennen, sich hineinzubegeben. Nur so kann er zu einem Gottesbild finden, das ihn von der Angst löst. Verdrängen hilft nicht.

Menschen, die meinen, sie müssten sich den Himmel durch Leistung verdienen, verweise ich auf das Gleichnis Jesu von den Arbeitern im Weinberg. Jeder, auch der zuletzt gekommene Arbeiter, bekommt denselben Lohn. Da geht es nicht um die Leistung.

Sich an den biblischen Gottesbildern vor allem auch des Neuen Testaments zu orientieren, befreit den Menschen.

Interview: Hans-Joachim Stoehr

Die Heuschrecke und ihr Imageproblem

„Da blieb nichts Grünes“: Wie die Bibel bis heute unser Bild dieser Insekten bestimmt

Von Ruth Lehnen

Ihre Namen sind reine Poesie: Buntbäuchiger Grashüpfer, Italienische Schönschrecke, Punktierte Zartschrecke. Was können sie dafür, dass die afrikanische Verwandtschaft Schrecken verbreitet?

Ja, es stimmt, vor der Ägyptischen Wanderheuschrecke kann man Angst haben. Nicht vor dem einzelnen Tier, sondern vor dem Schwarm.

Die Bibel beschreibt das Phänomen im Buch Exodus (10,12 bis 21) sehr genau: „Als es Morgen wurde, hatte der Ostwind die Heuschrecken ins Land gebracht. Sie fielen über ganz Ägypten her und ließen sich in Schwärmen auf dem Gebiet von Ägypten nieder...das Land war schwarz von ihnen. Sie fraßen allen Pflanzenwuchs des Landes und alle Baumfrüchte...und an den Bäumen und Feldpflanzen in ganz Ägypten blieb nichts Grünes.“

Etwas von der geballten Fressmacht dieser Tiere lässt sich im Basler Zoo im Etoscha-Haus bestaunen. Dort werden immer rund 10 000 Ägyptische Wanderheuschrecken gezüchtet und rund 1000 gezeigt. Sie scheinen ausschließlich eins zu tun: Sie fressen alles kahl. So bekommen die Besucher eine Vorstellung davon, was ein Heuschreckenschwarm anrichtet. Er kann aus bis zu 40 Milliarden Tieren bestehen, die eine Fläche von 1000 Quadratkilometern bedecken und täglich 80 000 Tonnen Grünmaterial fressen. Dies entspricht der Nahrung für eine Million Menschen.

Eine wahrhaft biblische Plage, die unser Bild von Heuschrecken bestimmt. Wie ihre Verwandten, die Schaben und Ohrwürmer, werden sie darüber hinaus oft für eklig gehalten. Dabei gerät aus dem Blick, dass es auch hierzulande rund 250 Heuschrecken gibt, interessante und schöne Tiere. Die Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz hat den wichtigsten sogar ein Poster gewidmet und lädt zur Entdeckung ein.

Heuschrecken besitzen je nach Art lange oder kurze Fühler, drei Paar Laufbeine und meist zwei Paar Flügel. Die Flügel sind häufig zurückgebildet. Die Tiere sind begabte Musikanten. Fachleute nennen ihre Art, Laute zu erzeugen, „stridulieren“. Langfühlerschrecken heben die Vorderflügel und reiben sie aneinander. Kurzfühlerschrecken reiben ihre Hinterschenkel über die Flügel. Das Geräusch, das sie erzeugen, kennen die meisten von den Grillen, die auch zur Familie gehören.

Angeblich ist das Weinhähnchen der beste Musikant. Das Insekt liebt die Wärme und kam früher nur am Rhein vor, hat sich jetzt aber weiter ausgebreitet.

Die größte hiesige Heuschrecke unter den Langfühlerschrecken ist das Grüne Heupferd. Es ernährt sich überwiegend von Insekten und ist ein nützliches Tier.

Ein Nachtarbeiter ist die Maulwurfsgrille. Sie lebt weitgehend unterirdisch in selbst gegrabenen Gängen. Dort legt das Grillenweibchen seine Eier ab. Es ist eine sehr sorgfältige Brutpflegerin, es bewacht die Eier und hält sie sauber.

Ausgerechnet zu den Heuschrecken, die der Bibel ein so schlechtes Image verdanken, zählt das dem Namen nach frömmste der Tiere: die Gottesanbeterin. Die zu Fangwerkzeugen umgebildeten Vorderbeine hält sie oft angewinkelt, was ihr eine betendes Aussehen verleiht – daher der Name des streng geschützten Tiers.

Übrigens gilt im Bezug auf Heuschrecken das Wort vom Fressen und Gefressenwerden: Die Insekten werden in Afrika, Asien und Südamerika gebraten, gegrillt und als eiweißreiche Nahrung geschätzt.

www. zoobasel.ch
www. umweltstiftung.rlp.de

Stichwort

Die Plagen

„Der Zorn Gottes“ – so heißt ein Film über „biblische Katastrophen“, der zur Zeit im deutschen Fernsehen läuft (Discovery Channel). Das Original lässt sich in der Bibel nachlesen. Weil der Pharao nicht hören will, muss sein Volk fühlen. In zehn Plagen wird Gottes Zorn ausgeführt. Im Buch Exodus (7 – 11) sind sie aufgelistet: Das Wasser des Nils verwandelt sich in Blut, dann kommen die Frösche, danach Stechmücken und Bremsen. Das Vieh der Ägypter stirbt. Menschen und Tiere werden von Geschwüren geplagt. Der Hagel zerstört die Ernte und was der übrig lässt, fressen die Heuschrecken. Dann wird es finster im Land – drei Tage lang. Und weil der Pharao noch immer keine Einsicht zeigt, müssen alle Erstgeborenen seines Volkes sterben. Die Nacht, in der die Kinder Ägyptens sterben, wird für die Israeliten zum Zeichen des Aufbruchs aus der Gefangenschaft. Seit dieser Nacht feiern sie jedes Jahr Pessach, das Erinnerungsmahl an den Exodus.

Bis heute istvon Plagen die Rede. Krieg, Naturkatastrophen, Krankheiten. Und oft wird von gläubigen Menschen dann die Frage gestellt: Warum lässt Gott das zu?

Eine moderne Übersetzung der Exodus-Geschichte lieferte im Herbst 2004 der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering. Er verglich das Finanzgebaren mancher „anonymer Investoren“ mit der Fressgier von Heuschrecken: „Wir müssen denjenigen Unternehmern, die die Zukunftsfähigkeit ihrer Unternehmen und die Interessen ihrer Arbeitnehmer im Blick haben, helfen gegen die verantwortungslosen Heuschreckenschwärme, die im Vierteljahrestakt Erfolg messen, Substanz absaugen und Unternehmen kaputtgehen lassen, wenn sie sie abgefressen haben.“ In den Medien tauchten bald danach schwarze Listen mit den Namen der „Heuschrecken“ auf. Moderne Zeiten, biblische Bilder. Die Herzen der Pharaonen der Neuzeit bleiben verstockt. (job)