Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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Oasen und Manna

Frisches Wasser für den Lebensweg

Menschen brauchen die Erfahrung, aufzutanken und neu motiviert zu werden für das, was kommt, sagt Dagmar Denker. Foto: privat

Auftanken im Gespräch und in der Stille – Anklopfende Menschen auf der Suche sind wunderbar

Oasen in der Wüste – die sind lebensnotwendig, weil es dort Wasser gibt. Auf dem Weg durch die Wüste schenkt Gott seinem Volk dieses Wasser. Was heißt das für die Kirche heute? Ein Gespräch mit Dagmar Denker, stellvertretende Leiterin des Seelsorgeamts im Bistum Fulda. Wo finden Menschen hier in Deutschland „Oasen“? Wer schon mal in der Wüste war, weiß, dass man den Weg durch die Wüste an den Oasen festmacht. Ohne Wasser hat niemand in der Wüste eine Chance. Die Wüste mit ihren Oasen ist ein wunderbares Bild für das Leben: Auf jedem Lebensweg braucht es außergewöhnliche Orte, besondere Erfahrungen, braucht es frisches Wasser – braucht es die Erfahrung aufzutanken und neu motiviert zu werden für das, was kommt. Gerade haben wir Pfingsten gefeiert – auch Pfingsten ist so eine Oase, die Menschen wieder neu bewegt, ihr Leben anzugehen. Große, anonyme Wohnsilos werden auch als Betonwüsten bezeichnet. Trifft das auch bald für Pfarreien im XXL-Format zu? Bislang waren Pfarrei und Gemeinde sehr häufig deckungsgleich („Pfarrgemeinde“). Das war und ist für viele sehr schön und vertraut. Die größeren Pastoralverbünde allerdings fordern uns heraus, mehr Orte und Möglichkeiten zu schaffen, an denen wir Gemeinde, Gemeinschaft, sein können. Das Ergebnis soll nicht ein „Weniger“ sein, sondern ein „Mehr“ an solch kleinen Oasen, an denen Menschen erfahren, dass sie Gemeinde sind. Die Menschen suchen Oasen in der Wüste der oft anonymen Gesellschaft. Wo finden sie die in der Kirche? Es ist sehr unterschiedlich, was Menschen als „Oase“ erleben. Ich glaube, sie finden Oasen überall dort, wo die Frage nach Gott und damit die Frage nach dem Leben gestellt wird. Das allerdings müssen wir in Zukunft wieder deutlicher tun. Darauf warten viele. In Oasen gibt es Wasser, das es sonst in der Wüste nicht gibt. Wo bietet die Kirche dieses „Wasser“ an? „Wasser“ gibt es in sehr unterschiedlicher Weise. Wo Menschen einen Ort finden zum Gespräch – dort gibt es Wasser; wo Menschen Stille finden – auch dort fließt „Wasser“. Und natürlich dort, wo Menschen ihre Beziehung zu Jesus Christus miteinander feiern – in der Eucharistie und in anderen Formen der liturgischen Feiern. Die Karawanen sind in der Wüste in Bewegung, in Aktion, an den Oasen ist Zeit zur Ruhe, zum Ausspannen. Wo sind die Plätze für Entspannung, für Kontemplation? Da bietet Kirche seit jeher viele Möglichkeiten. Neben den klassischen Orten unserer Klöster hat sich in den letzten Jahren eine große Vielfalt von Orten der Kontemplation und Entspannung herausgebildet. Vor allem auch die tiefe Erfahrung in der Natur, im Tanz und anderen kreativen Möglichkeiten ist für viele Menschen zum festen Bestandteil ihres Lebens geworden. Die Karawanen ziehen weiter – auch Kirchenmitglieder von einer Gemeinde zu einer anderen. Ärgernis für Pfarrer oder Herausforderung für Gemeinden, sich immer wieder für Anklopfende zu öffnen? Pilgernde zu sein, bedeutet nicht nur, nach Lourdes oder San-tiago de Compostela zu laufen. Pilgernde zu sein, bedeutet auch, nach den Orten und den Formen zu suchen, in denen ich mich beheimaten kann – in denen das Evangelium für mich lebendig bleibt. Dieses zu akzeptieren, ist ein wichtiger Schritt. Es ist wunderbar, wenn Menschen anklopfen – ob sie bleiben oder weitergehen. Eine Wohlfühl-Gemeinde mit frischem Wasser und köstlichem Manna – danach sehnen sich viele. Ein Wunschtraum? Wenn „wohlfühlen“ nicht bedeutet, unbeweglich zu werden, ist dagegen nichts einzuwenden. Wohlfühlen – dazu gehört auch die Bereitschaft, die eigene Vorstellung nicht zum Maßstab für andere zu machen. „Macher“ sind in Gemeinden gefragt – zu Recht. Was tun, wenn bei zu viel Aktion in der Wüste die Puste ausgeht? Das Wort „Macher“ hat einen schalen Klang. Es braucht sicher Menschen, die mit viel Weitblick und Umsicht eine Richtung vorgeben. Das übrigens ist auch bei den Beduinen in der Wüste so: Man verlässt sich darauf, dass es jemanden gibt, der den Weg weiß. Auch das ist ein Charisma, eine Gabe Gottes. Karl Rahner sagt: „Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein oder er wird nicht sein.“ Stimmt das? Wenn ja, warum? Das ist unbestritten. Und unbestritten gilt und galt das zu allen Zeiten. Menschen sehnen sich in ihren religiösen Fragen danach, tiefer einzutauchen in das große Geheimnis des Lebens und in die Verheißung, die uns trägt. Interview: Hans-Joachim Stoehr

Hintergrund

Leben ist mehr als das „Rennen im Hamsterrad“

Wenn man den Wortstamm ansieht, erkennt man, was ein Oasentag sein soll“, erklärt Schwester Ursula Schmitz vom Exerzitien- und Bildungshaus der St. Vinzenz-Pallotti-Stiftung Limburg. „Oasen sind fruchtbare Lebensräume in der Wüste, und bei einem Oasentag soll man fruchtbare Lebensräume in der Wüste des eigenen Alltags finden.“

„Wer zu mir kommt, der wird nicht hungern“

Viele Bildungshäuser und Klöster in den Bistümern Fulda, Limburg und Mainz boten in den vergangenen Jahren Oasen- oder Wüstentage an. Wie genau die Bezeichnung ist, variiert von Haus zu Haus. Doch der Kern bleibt der gleiche: „Dieser Tag soll dazu dienen, innezuhalten und zu spüren, dass es mehr gibt im Leben als nur das ewige ,Rennen im Hamsterrad‘.“ Für viele Teilnehmer gibt so ein Oasentag auch die Möglichkeit, zu erspüren, wo für sie selbst der Sinn des Lebens liegt – und wo Christus seinen Platz im Alltag hat. Um diese Frage beantworten zu können, ist die geistliche Begleitung bei Oasentagen wichtig. Denn nur Abschalten alleine ist nicht der Sinn eines solchen Tages. „Es geht auch darum, sich seinen eigenen Glaubensfragen, seinem Hunger nach Antworten zu stellen. Getreu dem Bibelwort: Wer zu mir kommt, der wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten“, erklärt die Referentin vieler vergangener Oasentage.

Um das zu erreichen, kennen die Veranstalter viele Methoden: Impulsgebete, Bibelarbeit, Meditation, aber auch malen, tanzen, singen oder wandern. „Natürlich kann man an einem Tag nicht alles angehen, dafür gibt es die Exerzitien. Aber man kann aufmerksam dafür werden, was in einem selbst ist.“

Kleine Oasen im ganz normalen Alltag

Bestimmend für den Tagesablauf sind die Zielgruppe, die Teilnehmer und das Thema, unter das ein Oasentag gestellt ist. „Ich habe schon einmal einen Tag zum Thema Aufmerksamkeit gemacht und die Teilnehmer einfach in die Natur geschickt“, erinnert sich Schwester Ursula. „Sie sollten einfach spüren, hören und fühlen, was einen dort draußen alles erwartet.“ Und diese Erfahrung mit nach Hause nehmen. „Um dort dann wiederum aufmerksam zu sein, für die kleinen Oasen, die einen im ganz normalen Alltag erwarten.“ (ela)

Tipps

Oasentage: Was, wo, wann?

Bistum Mainz:

„Liebe über alle Grenzen – das Buch Ruth“, Oasentag für Frauen, 10. September, 10 bis 18 Uhr, Kloster Engelthal, Altenstadt, 30 Euro, Telefon 06042/69334;

Oasentag für Männer, 19. November, 9 bis 17 Uhr, Schönstattzentrum Weiskirchen, Rodgau, Internet: www. veranstaltungen.schoenstatt.de;

„Ankommen im Aufbruch – Adventliche Zeit“, Oasentag für Frauen; 3. Dezember, 10 bis 18 Uhr, Kloster Engelthal, 30 Euro, Telefon 06042/69334;

Bistum Limburg:

„Arnsteiner Oasentag I – Gehen, Schreiten, Laufen, Pilgern – Ein persönlicher Pilgertag“, für Religionslehrer, 12. August, 9 bis 18 Uhr, Kloster Arnstein, Obernhof, 20 Euro, Info: Telefon 02604/97040;

„Geh deinen Weg vor mir und sei ganz!“, Oasentag für Frauen, 10. September, 9.30 bis 16.30 Uhr, Exerzitien- und Bildungshaus der St. Vinzenz-Pallotti-Stiftung, Limburg, 35 Euro, Telefon 06431/2009555;

„Die Hoffnung stirbt zuletzt“, Oasentag für Frauen, 5. November, 9.30 bis 16.30 Uhr, Exerzitien- und Bildungshaus der St. Vinzenz-Pallotti-Stiftung, Limburg, 35 Euro, Telefon 06431/2009555;

Bistum Fulda:

Wüstentage, 12./13. August, 9./10. September, 30. September/1. Oktober, 4. und 5. November, 9./10. Dezember, Anreise freitags 17 bis 18 Uhr, Kloster Frauenberg, Fulda, Telefon 0661/109545.

So gesehen

Täglich Manna

Wenn der Weg lang ist, scheint das Ziel manchmal endlos weit. „Durststrecken“ gibt es in jedem Leben. Zeiten, in denen die Kraft schwindet. Zeiten, in denen wir nach neuer Energie lechzen. „Manna vom Himmel“ erhoffen.

Vorsicht: Der Blick nach oben kann verhindern, dass wir das Manna vor unseren Augen übersehen. Das zum Greifen nah ist. Das uns mitten im Alltag ge-reicht wird. Die belebende Tasse Kaffee. Der Tee, dessen Duft uns anregend in die Nase steigt. Die Luft, die uns in der Mittagspause erfrischend um die Ohren weht. Der Sonnenstrahl, der sanft unsere Haut streichelt. Der schattige Zufluchtsort, wenn die Sonne es zu gut meint. Der Regen, der uns nach langer Hitze aufleben lässt. Das Buch, das uns eintauchen lässt in eine andere Welt.

Manna – das ist auch der andere Mensch, der uns zuhört. Bei dem wir auch mal jammern dürfen, ohne sofort mit guten Ratschlägen gestraft zu werden. Der Freund, der sagt: Ich ver-stehe dich. Der Partner, der uns liebevoll in den Arm nimmt. Die Freundin, die immer ein tröstendes Wort findet. Der Sohn oder die Tochter, die uns auch mal eine Aufgabe im Haushalt abnehmen. Die Gesprächsgruppe, die uns mitträgt und erträgt.

Manna – das ist auch Gemeinschaft im Gottesdienst. Aber genauso die Stille, die Konzentration. Ganz bei mir sein. Bei Gott.

Unser tägliches Manna. Manna in kleinen Portionen. Das uns leben lässt. Ohne das es nicht geht. Manchmal braucht es mehr. Den Besinnungstag. Die Auszeit im Kloster. Den Arzt oder Therapeuten. Den Urlaub oder die Kur.

Manna satt. Das fällt nicht vom Himmel. Muss es auch nicht. Es ist ja schon auf Erden. Aber man muss es entdecken, um sich davon zu nähren. Das erfordert Energie – die oft nicht mehr hat, wer Manna am nötigsten braucht. Dann sind aufmerksame Mitmenschen gefragt, die den Weg weisen. Nicht zufällig sagt man zu ihnen: Dich schickt der Himmel.

Maria Weißenberger