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Milch+Honig: Visionen

Aufbruch ins Gelobte Land (1) – Land, wo Milch und Honig fließen

Honig. Wie „alles Süße“ in der Antike „eine sehr seltene und daher kostbare Rarität“. Fotos: bilderbox

Ausgabe 5 30. Januar 2011

Wo alle gut in Frieden leben können

Dr. Katrin Brockmöller sieht die Kirche eher „zusteuern auf die Katastrophe des Exils“ als auf dem Weg ins Gelobte Land

Biblische Bilder aus dem alten Buch Exodus helfen dabei, die Lage der Kirche heute zu verstehen und zu verändern. Diesmal sucht die Kirchenzeitung nach dem „Land, wo Milch und Honig fließen“. Fragen an die Theologin Dr. Katrin Brockmöller.

Buch Exodus. Aufbruch. Auszug aus dem Elend. Finden Sie den Vergleich der Lage der Kirche mit der Exodus-Erfahrung des Volks Israel passend?

Ehrlich gesagt nur sehr eingeschränkt.Die Bibel erzählt im Buch Exodus folgende Ausgangssituation: Durch einen Machtwechsel verändert sich die Lage der Israeliten in Ägypten entscheidend: Sie werden zu Sklavenarbeit gezwungen, ihre männlichen Säuglinge sollen getötet werden. Ihre Hilfeschreie motivieren Gott in der Erzählung des Exodusbuchs zur Sendung des Mose. Zumindest für Deutschland sehe ich für die Kirche keine derartige Gefährdung. Das heißt nicht, dass nicht auch in Deutschland aktuell Frauen und Männer in versklavenden Situationen verfangen wären, oder Kinder in Todesnot sind. Aber es ist nichts, was nur die Kirche oder nur die Christen trifft. Auf halbem Weg, nach gelungener Flucht, aber noch mitten in der Wüste, sehnt sich das Volk immer wieder zurück nach Ägypten. Das ist nun eine Sehnsucht, die nicht nur, aber auch innerkirchlich wahrnehmbar ist. Es gibt trotz aller Bewegung und struktureller Veränderung eine Sehnsucht nach der Macht und dem selbstverständlichen Konsens einer Volkskirche, nach alten Traditionen und Riten. Die Freiheit von äußerem Druck für alle gut zu gestalten, das ist und bleibt die große Aufgabe derjenigen, die ausgestattet mit dem Programm vom Sinai das Land erreichen. In den jüdischen Gebeten am Gedenktag des Auszugs (Pessach) heißt es: „Heute bist Du ausgezogen.“ Das eigene freie Leben gut zu gestalten, das ist die Aufgabe, die jede Generation zu bewältigen hat.

Dr. Katrin Brockmöller ist Expertin für das Alte Testament und Dozentin am Theologisch-Pastoralen Institut in Mainz. Foto: privat

In den biblischen Texten ist oft die Rede vom Land „wo Milch und Honig fließen“. Was ist damit im Wortsinn gemeint?

Eine Art Luxusvision einer antiken Kultur ist das. Der Boden ist so reich, dass große Viehherden gehalten werden können, die reichlich Milch (und natürlich dann auch Fleisch!) geben können. Die Natur beschenkt die Menschen zudem mit wildem Honig. Eine (wie alles Süße!) in der Antike sehr seltene und daher kostbare Rarität.

Bis heute hat sich die Metapher erhalten, wird in der Werbung verwandt. Zum Teil als Synonym für ein Schlaraffenland. Wie sieht dieses Land aus?

Es ist fruchtbar. Aber es fällt einem nicht einfach zu. Man muss es gestaltend bewohnen – das ist mit viel Arbeit verbunden. Und ob man dort weiter leben kann, entscheidet sich daran, ob es gelingt, eine Gesellschaft zu organisieren, in der die Witwen und Waisen geschützt, die Armen und Elenden gestärkt, die Fremden geliebt werden und Gott als „Ich bin da“ erkannt wird. Sobald das alles nicht wirklich im Blick ist, hat man das Land schon verloren. Lebt man in der Katastrophe des Exils. Das ist eher, worauf wir gesellschaftlich oder auch kirchlich gerade zusteuern, vermute ich.

Was ist der Unterschied zum Paradies?

Das Paradies im Sinne eines Schlaraffenlands ist eigentlich keine wirklich biblische Vorstellung. Im Garten Eden wird gearbeitet: die Menschheit soll den Garten bebauen und hüten! Von daher ähnelt das Gelobte Land vielleicht dem idealen Garten Eden, sicher aber nicht dem „Schlaraffenland“. Persönlich finde ich so ein Leben in ständiger Überfütterung auch eher abschreckend als anziehend.

Ist das „Gelobte Land“ das heutige Israel?

Gibt es dort gutes Leben in Frieden für alle? Soweit ich sehe nicht. Auch wenn es biblisch der erste Ort war, an dem es gelebt werden sollte. Übrigens war sogar Theodor Herzl, die Gründerfigur des modernen Zionismus und Autor des berühmten Romans „Altneuland“, zunächst damit einverstanden das neue Israel in einem Gebiet in Afrika zu errichten. Das ist allerdings daran gescheitert, dass sich das angebotene Gebiet

landwirtschaftlich nicht eignete und die meisten jüdischen Neusiedler doch lieber nach Palästina wollten. Was muss ich tun, um dorthin zu gelangen? Dürfen alle mitgehen?Biblisch gesprochen ist das einfach: Leben Sie nach den zehn Geboten (Exodus 20,1-17; Deuteronomium 5,6-21) oder wenigstens nach den Kurzfassungen: Liebe deinen Nächsten und den Fremden wie dich selbst! Bleiben Sie dabei nicht für sich, sondern schließen Sie sich mit anderen zusammen.

Wer gibt das Signal zum Aufbruch?

Wenn wir das „Gelobte Land“ wirklich als Metapher für das Leben, für das Gott uns geschaffen hat, setzen, dann ist das Signal schon längst gegeben. Jederzeit ist genau das unsere tiefste Aufgabe: Darauf hinzuwirken, dass alle (Menschen und Tiere) gut und in Frieden leben können und die Erde bewahrt wird. Das hört sich einfach hat, hat aber enorme Konsequenzen in allen Lebensbereichen.

Muss ich Ballast abwerfen, um dieses Land zu erreichen?

Ja sicher. Nicht nur Ballast. Sie müssen sicher auch aushalten, dass Sie immer wieder am einfachsten Gebot scheitern: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Wir leben noch nicht im Gelobten Land, deshalb können wir uns meistens noch nicht einmal selbst wirklich lieben. Vielleicht ist das sogar unser schwerster Ballast.

Interview: Johannes Becher

Das Land, wo Milch und Honig fließen, ist …

Milch im Überfluss. Foto: bilderbox

Kirchlich Engagierte beenden den Satz und nennen ihre Hoffnungen und Visionen

Die Kirchenzeitung fragt und engagierte Katholiken antworten. Bitte beenden Sie den Satz „Das Land, wo Milch und Honig fließen, ist für mich…

„… ein Land, dessen Bewohner zwar auch arbeiten müssen, die dabei aber wissen, dass sie Erfolg und Ertrag nicht selber machen können, sondern nur von Gott erwarten dürfen, weil er alles in der Hand behält“ (Deuteronomium 11,9 - 15).
Dieter Böhler, Jesuit, Professor für Altes Testament in Sankt Georgen, 49 Jahre

„Ein Land, wo Milch und Honig fließen, ist für mich dort, wo der Glaube friedlich und ungestört gelebt werden kann.“
Thomas Hecker, Bankkaufmann, verheiratet, 2 Söhne, PGR-Mitglied in Hadamar- Niederzeuzheim, 49 Jahre

„Ein Land, wo Milch und Honig fließen, ist für mich ein Land, in dem der Artikel 1, Absatz 1 unseres Grundgesetzes – ,die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt‘ – und der Artikel 3 – ,niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden‘ – von allen Bürgern geachtet wird und damit ein friedliches Miteinander möglich sein könnte.“
Beatrix Schlausch (Dillenburg), Präsidentin der Limburger Diözesanversammlung, 69 Jahre

„Ein Land, wo Milch und Honig fließen, ist für mich das Bild einer Verheißung, die Kraft gibt für den Weg durch die Niederungen des Alltags.“
Wolfgang Rösch, Stadtdekan in Wiesbaden und Pfarrer in St. Bonifatius, 51 Jahre

„Ein Land, wo Milch und Honig fließen, ist für mich mit der Vision verbunden, Hoffnung zu haben und zu finden, jenseits einer erfahrbaren Wirklichkeit!“
Bernd Hannappel, Diakon mit Zivilberuf, hauptberuflich beim Bezirkscaritasverband Limburg in der Obdachlosen- und Nichtsesshaftenarbeit beschäftigt, 50 Jahre

„Ein Land, wo Milch und Honig fließen, ist für mich ein Ort, an dem junge Menschen Kirche, Gesellschaft und Zukunft gestalten: in interkultureller Vielfalt, mit experimentell- erfahrungsbezogener Spiritualität, mit reflektiertem und authentischem Glauben, mit sozialem Engagement.“
Joachim Hartmann, Jesuit, Hochschulpfarrer in Frankfurt, 45 Jahre

„Ein Land, wo Milch und Honig fließen, ist für mich ein Sinnbild für eine Gesellschaft, in der keine Menschen, besonders Senioren, einsam und isoliert leben müssen. Durch unsere Malteser Dienste versuchen wir diesem Ziel täglich ein Stück näher zu kommen.“
Eva Sommerhoff, Dienststelle Westerwald der Malteser, 39 Jahre

„Ein Land, wo Milch und Honig fließen, ist für mich da, wo Menschen ihr Leben ehrlich miteinander teilen und gemeinsam auf Spurensuche gehen, wo Gott in ihrem Leben zu finden ist. Es ist da, wo wir wieder spüren, dass Gott uns Herzensspuren im Alltag hinterlässt, die uns heiler werden und die Hände nach unseren Nächsten ausstrecken lassen, dass wir selbst immer mehr Beschenkte und Schenkende werden.“
Anna Schubert, Gemeindereferentin im Pastoralen Raum Oestrich-Winkel, 29 Jahre

„Ein Land, wo Milch und Honig fließen, ist für mich immer dort, wo ich mit vielen meinen Glauben leben und entfalten kann.“
Armin Sturm, Pfarrer in Niederbrechen, 46 Jahre

Stichwort

Der Exodus

Exodus. Leben im Aufbruch. Das ist ein roter Faden in den Erzählungen der Bibel. „Das Motiv des Aufbrechens und Unterwegs-Seins ist ein durchgängiges und damit zentrales biblisches Motiv, das von Anfang an in der Tora, aber auch in der prophetischen und neutestamentlichen Literatur zu finden ist. Es beschreibt letztlich die gläubige Existenz vor Gott.“ So sagt es der Regensburger Alttestamentler Christoph Dohmen. Letztlich wird in den biblischen Texten ein Weg beschrieben: von der äußeren Bewegung zur inneren Haltung. Aus der Knechtschaft in der Fron anderer Herrscher zum guten und friedlichen Leben mit dem einen Gott. Trotz aller Gefahren, Ängste, aller Zweifel und Irrungen auf dem Weg verliert das Volk Israel nie das Ziel aus den Augen: „das Land zu erreichen, in das Abraham auf Gottes Geheiß aufgebrochen war, weil Gott es ihm und seinen Nachkommen geben wollte.“ (Dohmen)

Das Buch „Exodus“, das zweite der christlichen Bibel, ist eine Textsammlung. Es schildert nicht chronologisch ein historisches Ereignis. Und doch sind die Erzählungen in gewisser Weise auch historisch: Sklavenarbeit, Suche nach fruchtbaren Jagd- und Weidegründen, Umsiedlungen… Durchaus möglich, dass eine Gruppe von Israeliten im zwölften Jahrhundert vor Chris-tus ins Land Kanaan einzog auf der Suche nach einem „Land, wo Milch und Honig fließen“.

Das Buch Exodus nennt keinen Autor. In der Tradition wird es zum Zyklus der fünf Bücher Mose gezählt. Wahrscheinlich sind die Texte erst entstanden, als das Volk längst im verheißenen Land lebte. Vielleicht auch in einer Zeit neuer Bedrängnis – dem Exil in Babylon. Auf jeden Fall mit der Absicht, das Volk an den Bund mit Gott zu erinnern. (job)

Lesetipp: Das Heft „Exodus“ in der Reihe „Bibel und Kirche“, her-ausgegeben vom Katholischen Bibelwerk in Stuttgart, 6,90 Euro
www.bibelwerk.de