An sich geht die Wackelei schon ganz unten los. Denn anders als bei vielen anderen Kirchtürmen erwartet einen hier keine unendliche Treppe, sondern eine Rampe. „Das ist ein Eselssteig“, erklärt Jürgen Hamm, der derzeitige Architekt des Wormser Doms. „Hier wurden früher die Lasten hochgebracht, mit denen letztendlich die Türme und die Gewölbe gebaut wurden.“ Und da Esel ziemlich guten Halt auf unebenem Grund haben, wurde nicht unbedingt auf Ästhetik oder Sicherheit geachtet: der Bodenbelag besteht aus einbetonierten Kieseln. „Wobei man sagen muss, das der erst Anfang des 20. Jahrhundert erneuert wurde.“ Dann nämlich, als dieser Teil des Doms zum wiederholten Mal komplett neu aufgebaut wurde.
„Der erste Dom wurde von Bischof Burchard zu Beginn des elften Jahrhunderts erbaut. Hier, in den unteren Geschossen des Westturms, kann man noch Teile davon entdecken“, berichtet Hamm. „Allerdings ließ einer von Burchards Nachfolgern den Bau etwas mehr als 100 Jahre nach seiner Fertigstellung wieder Zug um Zug abreißen. Mitte des zwölften Jahrhunderts wird in Worms der schlechte Zustand der Kirchen beklagt. Möglicherweise ging die kurze Bauzeit von nur 18 Jahren für den ganzen Dom zu Lasten der Qualität.“
Weil aber ein Bischof einen Dom braucht, haben Burchard II. und Konrad II. den Dom wieder aufgebaut. Mit fast gleichen Plänen, aber dafür mit mehr Zeit für die Errichtung. 1181, nach nun circa 50 Jahren Bauzeit, wurde dieser Dom dann eingeweiht. Über die Jahrhunderte hinweg wurde der Wormser Dom immer wieder schwer beschädigt, brannte aus, wurde beinahe gesprengt, geplündert und als Pferdestall benutzt. 1886 erbarmte man sich des Gebäudes und fing an zu renovieren – was übrigens wieder einen fast kompletten Abriss des Westchors erforderte. „Diese Seite des Dome ist auf schlechtem Grund gebaut und hat immer Probleme gemacht.“
Wenn man den an die Auffahrt eines Parkhauses erinnernden Eselssteig erklommen hat, bekommt man ungewöhnliche Einund Ausblicke – über das Gewölbe des Langhauses, in verborgene Gänge und Kammern. Der erste Ausstieg liegt in circa 20 Metern Höhe. Von hier aus hat man genaue Sicht auf den Kreuzgang. Allerdings nur, wenn man sich traut, die nicht einmal einen Meter breiten Galerie entlang zu gehen. Mit nichts zwischen dem Wagemutigen und dem Abgrund als ein paar Säulen. In 35 Metern Höhe kann man noch einmal raus. Auf eigene Gefahr, darauf besteht der Mainzer Architekt. Zuerst muss man sich durch einen engen Durchlass kämpfen und dann liegt einem Worms zu Füßen. Einmal rum bedeutet Adrenalin pur. Auch wenn man sagen muss, so sehen nur die Wenigsten diese Dächer des Doms, die Stadt, die Bühne der Nibelungenfestspiele. Einmal gestolpert und es ist aus.
Wie stark einem bei diesem Spaziergang das Herz schlägt, merkt man erst, wenn man wieder unten ist. Und deshalb sind die Türme des Wormser Dom- Westchors auch das absolute Herzschlag-Finale.
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