Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
 Startseite -  Verlag -  Stellenangebote -  Inhalt -  Impressum -  Kontakt 
Aufstieg in den nächtlichen Sternenhimmel

Aufstieg in den nächtlichen Sternenhimmel

Der ehemalige Kirchturm auf dem Bad Nauheimer Johannisberg ist heute die beliebte Volkssternwarte Wetterau

Von Daniela Tratschitt

Kirchtürme haben etwas Erhabenes, etwas, das uns zum Himmel aufblicken lässt. Doch diese steinernen Himmelsstürmer haben noch viel mehr: Geheimnisse und Geschichten. Und denen sind wir mit unserer Sommerserie auf der Spur.

Mit dem vereinseigenen, mobilen Teleskop die Frankfurter Skyline bewundern – auch das geht auf dem Bad Nauheimer Johannisberg. Fotos: Daniela Tratschitt

Daran haben seine Erbauer sicher nicht gedacht. Sie haben den Turm auf dem Bad Nauheimer Johannisberg als Kirchturm gebaut. Heute bringt er immer noch die Menschen dem Himmel näher – aber als Volkssternwarte.

Etwa um das Jahr 700 entstand hier eine Johannes dem Täufer geweihte Kirche – daher auch der Name des Bergs. Zum allerersten Mal erwähnt wurde die damals noch zum Kloster Fulda gehörende Johanniskirche in einer Schenkungsurkunde. Über die Jahrhunderte hinweg wurde die Kirche immer wieder auf- und umgebaut, erweitert und umbenannt, bis sie nach der Reformationszeit im Jahre 1606 endgültig aufgegeben wurde. Einzig der Turm wurde verschont. Erst im 19. Jahrhundert wurde die Ruine wiederentdeckt – zuerst als Punkt zur Landvermessung und dann als Aussichtsturm.

„Tag der offenen Tür“ in der Volkssternwarte

Am 16. November 1965 bekam der Turm eine weitere Bestimmung – auf der Turmplattform wurde die Volkssternwarte in Betrieb genommen. Der Amateurastronom Erwin Krauskopf aus dem Nachbarort Friedberg träumte davon, dort eine der Allgemeinheit zugängliche Sternwarte zu bauen. Eine wirkliche Volkssternwarte wurde der Johannisturm aber erst Ende der 1980er.

Über 139 Stufen in den Nauheimer Himmel

Jeden Dienstag kommen die Besucher in Scharen. Wenn um 20 Uhr die Seitentür geöffnet wird, finden sich immer ein paar „Mondsüchtige“. „Was eigentlich schade ist“, erklärt Joachim Kaiser vom Verein Volkssternwarte Wetterau. „Denn bei Vollmond kann man fast nichts sehen. Der gibt viel zu viel Licht ab.“ Viel besser geeignet fürs Sternegucken ist die Neumondnacht: „Unter besten Bedingungen, also etwa in einer klaren Neumondnacht, kann man durch unsere Teleskope bis zum Saturn sehen.“

Spektakuläres Schauen bis zum Saturn

Um das zu gewährleisten, gibt es auf dem Dach zwei hochklassige Teleskope mit Linsen oder Spiegeln, eine Extra-Montierung, um die Erddrehung auszugleichen, sowie eine drehbare Kuppel. So erleben die Besucher spektakuläre Ausblicke. „Wer einmal durch unser Teleskop den Saturn live gesehen hat, könnte denken, das wäre ein Foto.“

Den Mitgliedern des Vereins ist es wichtig, Wissen zu vermitteln und nicht nur eine weitreichende Aussicht. Deshalb erreichen die Sternensucher nach 105 Stufen zuerst den Vortragsraum, bevor sie 34 Stufen weiter in den Himmel schauen können. „Wir versuchen mit den Vorträgen die Lust an der Astronomie zu wecken“, bestätigt Kaiser. Und ein bisschen Werbung ür den Verein zu machen. Die Veranstaltung ist kostenlos, Spenden werden aber gern gesehen. Diese werden nicht nur zur Instandhaltung der Volkssternwarte benutzt oder zum Anschaffen neuer Technik. Ein echtes Großprojekt war die Errichtung des Planetenwegs zur Landesgartenschau 2010. Im Maßstab 1:2,8 Milliarden wurden alle neun Planeten von dem Künstler Rainer Landgraf inszeniert und säumen jetzt einen zwei Kilometer langen Weg. Endpunkt ist der ehemalige Planet Pluto und die Sternwarte im Kirchturm.

www.sternwartewetterau.de

Interview
Dieser Vater erklärt die Planeten: Joachim Kaiser.

Zu viel Licht – da wird selbst die Milchstraße blass

Joachim Kaiser ist zweiter Vorsitzender des Vereins Volksternwarte Wetterau.

Wie sind Sie zur Sternwarte gekommen?

Joachim Kaiser: Zum ersten Mal war ich 1997 in der Sternwarte, als gerade der Komet Hale-Bopp zu sehen war. Gemeinsam mit meinem Sohn habe ich in der langen Schlange gewartet, um dann festzustellen, dass man auf dem Feld mit einem Fernglas mehr sehen konnte. Durch das Teleskop hat man den beeindruckenden Schweif gar nicht gesehen. Dann hat es Jahre gedauert, bis zu einer Projektarbeit meines Sohnes über die Sternwarte. So bin ich 2004 wieder auf den Verein aufmerksam geworden und seitdem Mitglied. Vorher habe ich mich nie groß für Astronomie interessiert.

Wo liegen die Stärken oder Schwächen der Sternwarte?

Das größte Problem ist die Lichtverschmutzung rund um Bad Nauheim. Durch die Nähe zur Stadt, zu Frankfurt und dem Rest des Rhein-Main-Gebiets ist selbst der dunkelste Nachthimmel zu hell, um selbst durch das lichtstärkste Teleskop etwas wirklich gut zu sehen. Selbst bei guten Verhältnissen sind unsere Möglichkeiten eingeschränkt. Wir haben seit 2007 eine Kooperation mit einer Sternwarte im Vogelsberg, die es lichttechnisch dort wirklich gut hat. Manchmal gehe ich mit einem mobilen Teleskop in die Region, um wirklich etwas zu sehen.

Sie machen immer wieder Führungen in der Sternwarte. Was liegt Ihnen mehr: die Astronomie oder die Pädagogik?

Ich finde die Kombination gut. Sternenbeobachtung ist ein faszinierendes Hobby und es ist toll, diese Faszination weiterzugeben. Leider ist es nun mal so, dass aufgrund der Lichtverschmutzung viel astronomisches Wissen verloren geht. Man sieht ja heutzutage kaum mehr die Milchstraße.

Im Vortragsraum hängt ein Modell von Pluto. Gehört der noch dazu?

Ja, absolut. Nicht nur wegen des Merksatzes: Mein Vater Erklärt Mir Jeden Sonntag Unsere Neun Planeten. ela

Zur Sache

Wir nehmen Sie mit auf eine Sommertour durch das Rhein-Main-Gebiet: Diesmal geht’s hoch hinaus. Jede Woche lernen Sie einen besonderen Kirchturm kennen, erfahren Neues über Türmer, Glocken und Turmuhren. Gewinnen Sie tolle Preise beim Sommerrätsel und lassen sich überraschen von Menschen, die Außergewöhnliches erzählen. Sommerserie

Kirchturmspitzen

Kein Schwein...

Das Steak war gut, die Pommes schön knusprig, die Kuchenauswahl phänomenal – und die Preise, wie in der Zeitung angekündigt, „familiär“. Abgezockt wirst du beim Pfarrfest wirklich nicht. „Herzlich“, stand in der Lokalzeitung und im fl ächendeckend verteilten Gemeindebrief, lädt die Gemeinde alle zum Feiern an – und neben „leiblichem Wohl“ wird dir viel „Raum“ für Begegnung verheißen. Raum ist da. Begegnung? Fehlanzeige. Stumm genießt du Gegrilltes, Kaffee und Kuchen, stumm erträgst du die Blaskapelle und den örtlichen Gesangverein. „Kein Schwein spricht dich an, keine Sau interessiert sich für dich...“, wandelst du in Gedanken einen Schlagertext um. Gehst nach Hause. Bist satt. Hast es satt. Auf Wiedersehen? Maria Weißenberger

Sehenswert

Jugendstil im Sprudelhof

Der Sprudelhof von Bad Nauheim ist einzigartig in seiner Art. Er gilt als ein hervorragendes Beispiel des Jugendstils. Gebaut wurde der Sprudelhof, an dem man auf dem Weg zur Sternwarte vorbeikommt, 1906 bis 1911 im Auftrag von Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein. Architekt des Bauwerks war Wilhelm Jost, allerdings haben auch Mitglieder der Darmstädter Künstlerkolonie mitgeholfen.

Montags, mittwochs sowie freitags bis sonntags finden um 15 Uhr Führungen zum Thema Jugendstil statt. ela

Info, Buchung und Anmeldung: Telefon: 06 03 2 / 34 95 58 8

Internet: www.sprudelhof.de