Die Türme von St. Peter in Ketten in Montabaur
Von Daniela Tratschitt
Kirchtürme haben etwas Erhabenes, etwas, das uns zum Himmel aufblicken lässt. Doch diese steinernen Himmelsstürmer haben noch viel mehr: Geheimnisse und Geschichten. Und denen sind wir mit unserer Sommerserie auf der Spur.
Schon in der Antike war man sich über die perfekten Proportionen einig. Der goldene Schnitt ist seit Jahrtausenden das absolute Maß in Kunst und Architektur. Nun ist das Leben aber eben selten perfekt, und deshalb ist das Ideal oftmals unerreichbar. Dass das auch bei Kirchenbauten so sein kann, sieht man eindrucksvoll bei der Montabaurer Kirche St. Peter in Ketten. Denn irgendwie sitzt hier nichts, wie es sollte – und genau das macht den Charme dieser einzigartigen Kirche und ihrer vier Türme, zwei davon Treppentürme zur Empore, aus.
Schon ohne ganz genau hinzusehen, verrät dem Betrachter der erste Blick, dass bei dieser Kirche das Ideal dem Leben angepasst wurde. Tür, Fenster und Giebel der Schaufassade liegen nicht in einer Flucht, das Dach wirkt schief, und ein Turm scheint etwas abseits zu stehen. Ja, selbst die kleinen Fenster der Seitenschiffe liegen nie richtig. Aber genau das macht St. Peter in Ketten so einzigartig.
Der erste Turm stammt aus dem 13. Jahrhundert
Der aus dem Blickwinkel des Betrachters links gelegene Turm, der Nordturm, war zuerst da. Gemeinsam mit dem Mittelschiff und den beiden ersten Seitenschiffen wurde er in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erbaut. Eine ganz klassische Kirche, wie man sie auch von anderen Orten her kennt. Doch aus irgendeinem Grund wurde viele Jahre später das südliche, also rechte Seitenschiff erweitert und ein zweiter Turm gebaut. Damit verschob sich das komplette Aussehen der kleinen Kirche. Noch auffälliger wurde die Asymmetrie nach dem verheerenden Brand 1534. Innerhalb der folgenden 60 Jahre des Wiederaufbaus bekam die Kirche statt wie vorher ein Flachdach ein ziemlich aus der Mitte gerücktes Satteldach.
Die Kirche hat sich dem Leben ihrer Gemeinde angepasst. Genauso wie ihrem Geschmack. Bis 1870 waren die Mauern des Gebäudes verputzt. Doch dann kam man zu dem Schluss, dass die ständige Renovierung des Außenputzes zu mühsam und nicht mehr modern sei. Weg war die aufwändige Fassade. Und damit auch der äußere Schutz. Saurer Regen, Wind und Wetter haben sich bis 2003 an den Mauern gütlich getan. Bis zur großen Restaurierung.
Heute kommt die schiefe Schönheit der Kirche wieder voll zur Geltung. Und auch ihre Türme können wieder zeigen, was sie haben. Beide sind in drei Stockwerke aufgeteilt. Beide sehen einander äußerlich zwar ähnlich, sind aber innerlich ganz unterschiedlich. Nicht, dass viele Menschen das mit ihren eigenen Augen sehen könnten. Die Türme sind nämlich für die Öffentlichkeit gesperrt, und nur selten kommt hier jemand hoch – außer den heimischen Tauben.
Der Nordturm beherbergt die Kirchturm-Uhr und die schwere Christusglocke. Sein Inneres ist nahezu im Originalzustand. Auch der Glockenstuhl besteht noch komplett aus Holz. In die Glockenstube kommt man nur über schmale, steile Leitern, durch enge Löcher und morsch wirkende Bretter. Ein Aufstieg, der einem außer dreckigen Händen, rasendem Herzschlag und kleineren Panikattacken nicht viel bietet. Nicht einmal einen spektakulären Ausblick über den Westerwald.
Fünf kleine Köpfe an der Fassade
Der Gang in den Südturm macht etwas mehr her. Bevor man nämlich den neuen Glockenstuhl aus Stahl und Beton für die übrigen drei Glocken ansehen kann, muss man erst einmal über das Dach des Seitenschiffs klettern. Auch hier kommt nur selten jemand hoch.
Das Innere der Türme ist also wenig spektakulär. Das macht das Äußere wieder wett. Denn wer ganz genau hinsieht, findet auf der Fassade kleine Köpfe. Drei menschliche und zwei tierische. Welchem Zweck letztere dienen, ist übrigens bis heute unklar. Oben auf der Spitze des Südturms gibt es noch eine ganz unauffällige Besonderheit: einen heiligen Petrus mit seinen Schlüsseln. Je länger man sich die Kirche und ihre Türme ansieht, desto mehr Spannendes und Einzigartiges erkennt man. Es hat eben auch etwas Gutes, nicht immer nach Perfektion zu streben.
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