Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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Immer den richtigen Ton treffen

Immer den richtigen Ton treffen

Wo früher der Türmer wohnte, steht heute das Carillon. Fotos: Daniela Tratschitt Fotos: Daniela Tratschitt

Der spätgotische Kirchturm von Geisa ist Heimat eines Glockenspiels und vieler Fledermäuse

Von Daniela Tratschitt

Kirchtürme haben etwas Erhabenes, etwas, das uns zum Himmel aufblicken lässt. Doch diese steinernen Himmelsstürmer haben noch viel mehr: Geheimnisse und Geschichten. Und denen sind wir mit der Sommerserie auf der Spur.

Ein alter Aberglaube behauptet, dass böse Geister den Klang von Kirchenglocken nicht ausstehen können. Heutzutage gibt es aber auch unter der „normalen“ Bevölkerung viele, die sich durch Glockenläuten gestört fühlen. In Geisa allerdings könnte man solche Menschen beinahe als Kulturbanausen titulieren. Denn hier wird nicht einfach nur geläutet, hier wird musiziert. Immerhin ist in dem spätgotischen Kirchturm der Stadtpfarrkirche St. Philippus und Jakobus eines der schönsten Carillons Deutschlands beheimatet. Und Pfarrer Uwe Hahner versteht darauf zu spielen. „Ich habe zwar keine echte Ausbildung zum Carillonneur, nehme aber zur Zeit Unterrichtsstunden, um dieses Instrument zu erlernen.“

Das Glockenspiel wird mit der Faust gespielt

Doch wie alle, die in der Schule Blockflöte gelernt haben, wissen, nutzt auch der beste Musiklehrer nichts, wenn man nicht übt. Das ist aber bei einem Glockenspiel nicht so einfach – man will ja nicht die gesamte Gemeinde stören. Aus diesem Grunde steht auf der Empore in der Kirche ein Übespieltisch, der nur im Kirchenraum zu hören ist. „Da kann man sich auch mal verhauen.“ Das kann man bei einem Carillon sprichwörtlich, denn die Tasten oder besser Stöcke werden mit der Faust gespielt. Alle 49 Glocken des Geisaer Turmglockenspiels werden von einem Stokkenklavier im Turm gespielt. Hier sitzt der Musiker, „hämmert auf die Tasten“ und „tritt in die Pedale“. „Ein längeres Stück zu spielen, kann ganz schön anstrengend werden.“

Trainieren kann der Stadtpfarrer relativ oft – auch wenn das Glockenspiel neben dem mechanischen Spiel über einen Computer gesteuert wird und viermal täglich erklingt. „Es gibt auch immer wieder Menschen, die unseren Turm besichtigen wollen“, erzählt er. „All denen zeige ich, wie ein Carillon funktioniert und sich anhört.“ Das heißt, dass die Bewohner auch mal einen echten Hahner hören. „Ich spiele nichts Besonderes, nur altbekannte Lieder“, erklärt er.

Pfarrer Uwe Hahner am Spielpult des Glockenspiels in seiner Kirche.

Die Idee ein Carillon in der Stadtpfarrkirche von Geisa zu installieren, stammt von Hahner selbst. Ein Besuch bei einem Glockengießer im Jahr 2000 war der Auslöser. Nach dem Einverständnis des Bistums und vielen Untersuchungen war klar: Dieser Kirchturm ist wie für ein Glockenspiel geschaffen. Was wahrscheinlich auch an dem Turmaufsatz lag, in dem früher der Türmer wohnte und der heute das Carillon mit den spendenfinanzierten Glocken beherbergt. Innerhalb von drei Jahren wurde das gesamte Projekt verwirklicht, inklusive der Restaurierung des Turms.

Fledermaus-Weibchen finden ein Dach überm Kopf

Doch der alte Turm der Geisaer Stadtpfarrkirche beherbergt nicht nur das Glockenspiel. Zwei Stockwerke darunter finden jeden Sommer hunderte von Fledermaus- Weibchen ein Dach über dem Kopf, um dort ihre Kinder zu gebären und aufzuziehen. Die stört das Carillon überhaupt nicht. Fledermäuse haben ein gutes Gehör und wissen vielleicht den feinen Klang der Glocken zu schätzen.

Interview

„Ohne den Pfarrer kein so schönes Zuhause“

Wochenstubenvorkommen: Die Großen Mausohren im Kirchturm in Geisa. Foto: Martin Biedermann

Martin Biedermann (39) ist Fledermausschutz-Beauftragter des Umweltamts für den Wartburgkreis.

Welche Fledermaus ist im Kirchturm von Geisa heimisch?

Biedermann: Das Große Mausohr ist in ganz Deutschland verbreitet, in Thüringen gibt es etwa 60 bekannte Wochenstubenvorkommen. Allerdings gehört das Vorkommen von Geisa mit mehreren hundert Tieren zu den größten. Es ist mittlerweile selten, noch so eine große, alteingesessene Gruppe zu finden. In manchen Regionen Deutschlands ist das Mausohr leider schon ausgestorben.

Woran liegt das?

Das Mausohr gehört zu den drei größten der insgesamt 20 verschiedenen Arten in Thüringen. Sie hat eine Spannweite von bis zu 45 Zentimeter und kommt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum, wo es natürlicherweise warme Karsthöhlen besiedelt. Aus diesen Gründen hat es, vor allem was die Quartiere angeht, ganz besondere Ansprüche: Das Mausohr besiedelt hierzulande großzügige Dachräume mit unterschiedlichen Klimazonen und Hangplätzen. Außerdem braucht es meist ein großes offenes Fenster, aus dem es frei ein und aus fliegen kann. Dazu kommt, dass die Mausohren sehr empfindlich auf Pestizide reagieren und somit nur giftfreie Räume in Frage kommen. Deshalb ist das Kirchendach von Geisa ideal. Hier können die Weibchen in aller Ruhe ihre Jungen bekommen. Und für die Bürger von Geisa gibt es jeden Abend von März bis September viel zu sehen, wenn die Tiere ausfliegen, um auf nächtlichen Insektenfang zu gehen.

Also sind die Fledermäuse in Geisa beliebt?

Bei Pfarrer Hahner auf jeden Fall. Immerhin kümmert er sich mit Hilfe seiner Gemeindemitglieder seit Jahren rührend um die Tiere. Alleine das Wegräumen des Kots ist jeden Winter eine nicht einfache Aufgabe. Dabei unterstützen wir Fledermausschützer die Kirchgemeinde. Es war die Idee von Pfarrer Hahner, gemeinsam mit uns eine kleine Ausstellung zu den Fledermäusen im Kirchturmaufgang zu installieren. Ohne ihn hätten die Fledermäuse nicht so ein schönes Zuhause.

Interview: Daniela Tratschitt

Kirchturmspitzen

Von vorne

„Wir glauben daran, dass wir eine heilige, lebendige Gemeinschaft werden, aber wir wollen nicht daran glauben, dass diese sich auch nach außen hin sichtbar zeigen muss. Wir kommen in die Kirche aus der Vereinzelung heraus und mühen uns nicht, eine Gemeinschaft zu werden. Sonst würde es nicht vorkommen, dass wir alle so vereinzelt knien. Es wäre ein feiner Ausdruck unseres inneren Bemühens um die Gemeinschaft heiliger Beter, wenn wir uns nicht möglichst in die hinteren Bänke knien würden, sondern grundsätzlich die Bänke von vorne nach hinten besetzen. Es ist ein viel frohmachenderes Bild für den Priester wie für die Gläubigen, wenn wir uns nahe um den Altar scharen.“

Zitat aus einer Pfarrchronik, 1955. Allein die Sprache verrät, dass diese Schilderung Geschichte ist... Maria Weißenberger

Sehenswert

Steinernes Zeitzeugnis

Checkpoint Charlie ist fast jedem ein Begriff. Dass es aber in der Rhön, direkt vor den Toren von Geisa, auch ein solch steinernes Zeitzeugnis gibt, ist nur wenigen bekannt. An der heutigen Gedenkstätte Point Alpha standen sich einst die NATO und der Warschauer Pakt Auge in Auge gegenüber.

Zwei Dauerausstellungen, die original erhaltenen Grenzanlagen und Rekonstruktionen der ehemaligen Grenze sowie das Gelände des US-Camps machen Geschichte sichtbar, erlebbar und begreifbar.

Direkt neben Point Alpha findet sich der moderne Kreuzweg von Ulrich Barnickel. Sein „Weg der Hoffnung“ soll nicht nur an das Leiden Jesu, sondern auch an die Verbrechen des DDR-Regimes erinnern.

www.pointalpha.com
www.ulrich-barnickel.de