Aber Vorsicht: Nicht zu früh freuen. Denn der Aufstieg wird durch zwei Absätze und Gänge unterbrochen. Besonders gemein aus der Sicht der Unsportlichen ist das Zwischengeschoss, an dem man theoretisch raus an die Luft könnte. Allerdings: „Das ist noch gesperrt“, erklärt Küster Peter Lukas. „Bei der Renovierung vor einem Jahr hat man festgestellt, dass die Brüstung zu niedrig ist.“
So muss man immer weiter und ist noch lange nicht am Ziel. Im Treppenhaus gibt es nicht viel zu sehen. Manchmal eine Tür oder ein Graffiti, das keuchende Aufsteiger an die Wand gekritzelt haben: Wann wer hier war, oder einfach nur „Bockwurst“. Ermutigend sind die 13 SOS-Notrufstellen – falls sich jemand übernommen hat.
Wer endlich oben angekommen ist, genießt den grandiosen Ausblick über die City. Den hat man schon 1945 zu schätzen gewusst, wie an den „Ortsmarken“ einiger Besucher abzulesen ist. Für viele Frankfurter wird die Aussicht aber unbekannt sein. Immerhin war der Turm 13 Jahre lang geschlossen. „Vorher hatten wir mehr Besucher. Viele wissen noch nicht, dass man wieder hoch darf.“
Der letzte Türmer hat bis 1942 hier gewohnt
Die ehemalige Türmerwohnung ist heute geschlossen. „Der letzte Türmer hat bis 1942 hier gewohnt. Insgesamt 38 Jahre lang hat er von dort aus Brände gemeldet.“ Danach wurden auf den zwei Stockwerken historische Feuerwehr-Materialien gezeigt, die 1997 ausgelagert wurden.
Wenn man sich sattgesehen hat, geht es wieder abwärts. Der Blick fällt aus den kleinen Fensterchen auf Wasserspeier, Dächer, Türmchen und Ornamente. Runter geht es viel schneller als rauf. Auf Normalhöhe merkt man, dass es zu schnell war. Die Beine wackeln, und der Kopf dreht sich. Gelohnt hat sich’s trotzdem.
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Interview
Hochzeitsnacht in Höhenluft
Peter Lukas (58) ist seit 28 Jahren Küster im Frankfurter Dom.
Frage: Wie oft müssen Sie auf den Turm?
Lukas: Das variiert. Manchmal dreimal am Tag, machmal aber auch eine Woche gar nicht. Kommt darauf an, was los ist.
Und wie lange brauchen Sie?
Wenn es ein Gewaltmarsch wird, weil mich ein Notfall erwartet, schaffe ich es in dreieinhalb Minuten. Ich schnappe dann oben auch ordentlich nach Luft. Aber das kommt selten vor. Ein normaler Tourist braucht im Durchschnitt für die 328 Stufen sechs bis sieben Minuten. Viele unterschätzen aber vor allem das Runterkommen. Das letzte Drittel ist angenehm zu gehen, deswegen werden viele immer schneller. Unten angekommen, ist ihnen schwindlig, sie können sich nur schwer auf den Beinen halten. Fast wie ein Betrunkener.
Was ist für Sie besonders beeindruckend an dem Turm?
Die Architektur. Die ersten Meter sind ein Viereck mit 3,5 Meter dicken Wänden, bestehend aus Eichenbohlen, Kieseln und rotem Sandstein. Danach folgt etwa 20 Meter lang ein Achteck und dann bis hoch auf 95 Meter hat der Turm die Form eines 16-Ecks. Das ist was ganz besonderes. Er wird nach oben immer enger.
Haben Sie auch einen Lieblingsplatz?
Ja, aber da darf nur ich hin – einfach, weil es zu gefährlich wäre. Ganz oben, noch über der Türmerwohnung, ist die U-Boot- Lücke. Das hab ich so genannt. Über eine Hühnerleiter kommt man auf 90 Meter und kann aus einer Lücke rausschauen. Das ist eine unglaubliche Aussicht.
Was ist das schönste Geheimnis des Domturms?
Was nur wenige wissen: Der letzte Türmer hatte die Erlaubnis, ein kleines Zimmer oberhalb seiner Wohnung an frisch verheiratete Paar zu vermieten. Aber nur für die Hochzeitsnacht. So hatten selbst die ärmsten Frankfurter die Möglichkeit, eine Nacht der Enge ihrer elterlichen Wohnung zu entfliehen. Das war das Hochzeitszimmer. ela