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Frankfurts „Stairway to Heaven“

Frankfurts „Stairway to Heaven“

Der Kaiserdom war das erste Hochhaus von Frankfurt. In einem bestimmten Winkel gesehen, verschwindet hinter dem Dom auch der Commerzbank-Tower. Fotos: Daniela Tratschitt

Beim Raufklettern auf den Dom brennen die Beine, beim Runterbrettern dreht sich der Kopf – aber die Aussicht ist unschlagbar

Von Daniela Tratschitt

Kirchtürme haben etwas Erhabenes, etwas, das uns zum Himmel aufblicken lässt. Doch diese steinernen Himmelsstürmer haben noch viel mehr: Geheimnisse und Geschichten. Und denen sind wir mit unserer Sommerserie auf der Spur.

328 Stufen. 66 Meter. Hört sich eigentlich nicht nach so viel an. Aber von wegen! Wer sich einmal aufgemacht hat, die Besichtigungsplattform des Frankfurter Doms zu erobern, kann sich den Erfolg hoch anrechnen und von den erlittenen Qualen ein Lied singen. Das gilt wenigstens für den Teil der Menschheit, der sein Leben nicht im Fitnessstudio, auf der täglichen Joggingrunde oder auf dem Stepper verbringt.

Kleinen Garten zu Beginn genießen

Schon der „Einstieg“ auf diesen „Stairway to Heaven“ macht etwas her. Zuerst heißt es für drei Euro ein Ticket zu erstehen. Die netten Kassierer geben Wissbegierigen auch gern Auskunft. Und sie öffnen per Knopfdruck die Tür zum Turm. Den kleinen Garten daneben sollte man übrigens vor dem Aufstieg genießen.

Dann geht es los. Immer im Kreis, auf schmalen Stufen, die unterschiedlich hoch und manchmal recht ausgetreten sind. Das Schlimme ist, dass man am Anfang überhaupt keine Ahnung hat, wo man sich eigentlich befindet. Deshalb der Tipp: Am besten nicht allein hoch. So bekommt man auf die gekeuchte Frage „Wie lange noch?“ immer ein ermutigendes „Ist nicht mehr weit“ zu hören.

Die Notrufsäulen wurden bei der

Aber Vorsicht: Nicht zu früh freuen. Denn der Aufstieg wird durch zwei Absätze und Gänge unterbrochen. Besonders gemein aus der Sicht der Unsportlichen ist das Zwischengeschoss, an dem man theoretisch raus an die Luft könnte. Allerdings: „Das ist noch gesperrt“, erklärt Küster Peter Lukas. „Bei der Renovierung vor einem Jahr hat man festgestellt, dass die Brüstung zu niedrig ist.“

So muss man immer weiter und ist noch lange nicht am Ziel. Im Treppenhaus gibt es nicht viel zu sehen. Manchmal eine Tür oder ein Graffiti, das keuchende Aufsteiger an die Wand gekritzelt haben: Wann wer hier war, oder einfach nur „Bockwurst“. Ermutigend sind die 13 SOS-Notrufstellen – falls sich jemand übernommen hat.

Wer endlich oben angekommen ist, genießt den grandiosen Ausblick über die City. Den hat man schon 1945 zu schätzen gewusst, wie an den „Ortsmarken“ einiger Besucher abzulesen ist. Für viele Frankfurter wird die Aussicht aber unbekannt sein. Immerhin war der Turm 13 Jahre lang geschlossen. „Vorher hatten wir mehr Besucher. Viele wissen noch nicht, dass man wieder hoch darf.“

Der letzte Türmer hat bis 1942 hier gewohnt

Die ehemalige Türmerwohnung ist heute geschlossen. „Der letzte Türmer hat bis 1942 hier gewohnt. Insgesamt 38 Jahre lang hat er von dort aus Brände gemeldet.“ Danach wurden auf den zwei Stockwerken historische Feuerwehr-Materialien gezeigt, die 1997 ausgelagert wurden.

Wenn man sich sattgesehen hat, geht es wieder abwärts. Der Blick fällt aus den kleinen Fensterchen auf Wasserspeier, Dächer, Türmchen und Ornamente. Runter geht es viel schneller als rauf. Auf Normalhöhe merkt man, dass es zu schnell war. Die Beine wackeln, und der Kopf dreht sich. Gelohnt hat sich’s trotzdem.

www.domturm-frankfurt.de

Interview

Hochzeitsnacht in Höhenluft

Peter Lukas (58) ist seit 28 Jahren Küster im Frankfurter Dom.

Frage: Wie oft müssen Sie auf den Turm?

Lukas: Das variiert. Manchmal dreimal am Tag, machmal aber auch eine Woche gar nicht. Kommt darauf an, was los ist.

Und wie lange brauchen Sie?

Wenn es ein Gewaltmarsch wird, weil mich ein Notfall erwartet, schaffe ich es in dreieinhalb Minuten. Ich schnappe dann oben auch ordentlich nach Luft. Aber das kommt selten vor. Ein normaler Tourist braucht im Durchschnitt für die 328 Stufen sechs bis sieben Minuten. Viele unterschätzen aber vor allem das Runterkommen. Das letzte Drittel ist angenehm zu gehen, deswegen werden viele immer schneller. Unten angekommen, ist ihnen schwindlig, sie können sich nur schwer auf den Beinen halten. Fast wie ein Betrunkener.

Was ist für Sie besonders beeindruckend an dem Turm?

Die Architektur. Die ersten Meter sind ein Viereck mit 3,5 Meter dicken Wänden, bestehend aus Eichenbohlen, Kieseln und rotem Sandstein. Danach folgt etwa 20 Meter lang ein Achteck und dann bis hoch auf 95 Meter hat der Turm die Form eines 16-Ecks. Das ist was ganz besonderes. Er wird nach oben immer enger.

Haben Sie auch einen Lieblingsplatz?

Ja, aber da darf nur ich hin – einfach, weil es zu gefährlich wäre. Ganz oben, noch über der Türmerwohnung, ist die U-Boot- Lücke. Das hab ich so genannt. Über eine Hühnerleiter kommt man auf 90 Meter und kann aus einer Lücke rausschauen. Das ist eine unglaubliche Aussicht.

Was ist das schönste Geheimnis des Domturms?

Was nur wenige wissen: Der letzte Türmer hatte die Erlaubnis, ein kleines Zimmer oberhalb seiner Wohnung an frisch verheiratete Paar zu vermieten. Aber nur für die Hochzeitsnacht. So hatten selbst die ärmsten Frankfurter die Möglichkeit, eine Nacht der Enge ihrer elterlichen Wohnung zu entfliehen. Das war das Hochzeitszimmer. ela

Kirchturmspitzen

Neues Gebot

Ein neues Gebot gebe ich euch: Ihr sollt das Wochenende heiligen. Nein, das steht so nicht in der Bibel. Es ist ein ungeschriebenes, dennoch ehernes Gesetz in vielen Gemeinden. Mit Abstand betrachtet, gut zu erkennen, sieht man einmal in Pfarrgemeinde- und Verwaltungsräten, Caritas- und Liturgieausschüssen, Pfarrbriefredaktionen oder Kindergottesdienstkreisen bei der Terminplanung zu (was unterhaltsamer und sogar lehrreicher sein kann als das Sommerferien- Fernsehprogramm).

Immerhin habe ich dabei gelernt, dass eine Woche höchstens vier Abende hat. Freitags abends einen Gottesdienst vorbereiten oder die nächste Ausgabe des Pfarrbriefs planen? Ausgeschlossen! Da beginnen ja fast alle Beteiligten, das anfangs genannte Gebot in unverbrüchlicher Treue zu erfüllen.

Brauchst du den Pfarrer (oder andere Hauptamtliche), schrumpft die Zahl der Abende rasch gegen Null: freier Tag, Seelsorgerat, Taufgespräch... Spitzenbelastung. Oder nur Belastungsspitzen?

Kleine Anekdote zum Schluss: Fragt eine Ehrenamtliche eine andere: „Wo warst du denn vergangene Woche, als wir Liturgieausschuss hatten?“ – „Ich hatte Urlaub.“ – „Urlaub – ja, dann hättest du ja erst recht Zeit gehabt!“ Es gibt mehr Spitzen unter Kirchtürmen als obendrauf...

Maria Weißenberger

Sehenswert

Der Ebbelwei-Express hält auch am Römer.

Bequem, lustig und historisch

Frankfurt ist eine der wenigen Städte, die Sightseeing mit Genuss verbinden. Der Ebbelwei- Express ist eine Institution in der Mainmetropole. Jeden Samstag und Sonntag kann man an Haltestellen wie Römer (gleich neben dem Dom), Hauptbahnhof oder Messe einsteigen. Im historischen Straßenbahnwagen geht es zu den vielen Sehenswürdigkeiten Frankfurts – dabei werden Musik, Brezeln und Apfelweingenossen. Die Fahrt dauert circa eine Stunde und im Fahrpreis von 6 Euro (Erwachsene) sind eine Flasche Apfelwein oder-saft sowie Brezeln enthalten. (ela) Info, Buchung und Anmeldung: Telefon: 069/213-2 24 25, Internet:

www.ebbelwei-express.com