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Kleine Christen werden groß

„Mein Abendgebet habe ich vom Papa“

Der rote Faden endet an der Jesus-Kerze, die von Gertrud Muth angezündet wird: Stuhlkreis in der Kindertagesstätte Maria Ward in Fulda. Foto: Günter Wolf

Wie Kinder Glauben im Alltag erleben – Kindertagesstätte Maria Ward in Fulda gewährt Einblick

Von Günter Wolf

Auf dem Fußboden liegt ein roter Faden. Eifrig legen die Kinder Gegenstände darauf. So, wie der Faden sich auf dem Boden schlängelt, zieht sich die Erfahrung von Glauben durch das Leben. In der Kindertagesstätte Maria Ward in Fulda erfassen Kinder christlichen Glauben. Sie begreifen ihn dadurch.

In der Kindertagesstätte geht es sehr lebhaft zu – doch diszipliniert. An einem Tisch im großen Gruppenraum sitzt die vierjährige Alicia und schaut aufmerksam in die vor ihr liegende Kinderbibel. „Die Kinder können in ihrer Verfügungszeit nicht nur spielen, sondern sich auch mit der Bibel oder religiösen Bildern und Gegenständen beschäftigen, über die wir gesprochen haben“, erläutert Gertrud Muth, Leiterin der Kindertagesstätte.

Die Finger der Kinder werden eingegipst

Andere Kinder lassen sich Gipsverbände an ihren Fingern anlegen. Geduldig verpackt die Leiterin Kinderfinger mit Gips. Eine „Woche der helfenden Hände“ wird beendet. Ein Rettungsassistent der Malteser führte einen Rettungswagen vor. Außerdem gab es für die Kinder, die in diesem Jahr in die Schule wechseln, einen Erste- Hilfe-Kurs. Eingestimmt wurden sie mit dem Gleichnis vom Barmherzigen Samariter.

„Wir leben das Kirchenjahr und die Feste intensiv mit, wobei die Kinder Jesus als den Heiland kennen lernen sollen“, so Gertrud Muth, die die Kinder zum Stuhlkreis bittet. Dort sitzen zehn Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren: Hannes (6), Johanna (4), Svea (5), Bela (5), Alicia (4), Chelina (3), Anja (6), Rubia (6), Marie (6) und Jana (5). Gertrud Muth will mit ihnen auf die Woche zurückblicken.

In der Mitte steht die brennende Gottes-Kerze, von der ein roter Faden ausgeht. Entlang dieses Fadens legen die Kinder Gegenstände, die unter anderem aus dem Legepuzzle „Friedenskreuz durch das Kirchenjahr“ entnommen sind. In den vorausgegangenen Stuhlkreisen wurden besprochen: eine Kinderbibel, ein Stern, der die vergangene Weihnachtszeit symbolisiert, ein Jesusbild und kleine Textbücher, die verschiedene Geschichten aus den Evangelien erzählen. Dazu gehörten das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter, die Geschichte mit dem kleingewachsenen Zachäus oder von dem Bartimäus, dessen Hand verdorrt war und der von Jesus geheilt wurde. Der rote Faden endet an der Jesus-Kerze. „Sie steht symbolisch für das Ziel unseres Lebenswegs, nämlich Christus, das Licht, dessen Leben und Wirken wir betrachten“, erklärt Muth.

Wenn Kinder vom Glauben erzählen, verblüffen sie häufig die Erwachsenen. Kinder haben keinen abstrakten, sie haben einen konkreten, personalisierten Zugang zum Glauben. Für die vierjährige Johanna ist das der regelmäßige Gottesdienstbesuch. Sie erzählt: „Wir gehen in die Kirche in den Dom.“ Für den sechsjährigen Hannes ist der Dombesuch noch etwas spannender. „Ich singe im Chor“, erzählt der Junge. Er ist sich bewusst, dass es etwas Besonderes ist, wenn man aktiv an der Gestaltung der Liturgie mitwirkt.

Doch viel mehr scheint Kinder zu beschäftigen, was im Alltag um sie herum geschieht. Das versuchen sie auf ihre Weise mit Gott und Glauben in Einklang zu bringen. Beispielsweise, wenn sie den Tod eines nahen Verwandten verarbeiten. „Der Opa ist jetzt im Himmel“, sagt die vierjährige Johanna. Als Gertrud Muth die Jesus-Kerze entzündet, sagt das Mädchen spontan: „Wie die Mama, weil sie traurig ist, weil der Opa tot ist.“ Dann wird nicht nur in ihrer Familie eine Kerze angezündet, sondern auch für den gestorbenen Großvater gebetet.

Mit der brennenden Jesus-Kerze kommt Christus symbolisch in die Mitte des Stuhlkreises, erklärt Gertrud Muth die Bedeutung dieser Kerze. „Kinder sind für die Symbole, die wir in der Kirche haben, sehr empfänglich. Für Kinder muss daher Kirche und Glaube erlebbar sein“, sagt sie.

Gipsverbände an den Fingern: die „Woche der helfenden Hände“ endet. Foto: Günter Wolf

Bischof Heinz Josef Algermissen ist davon ebenso überzeugt. Zu Beginn seiner Predigt anlässlich einer Altarweihe in Großenbach wandte er sich an die Kinder: „Schaut nur einfach genau hin. Ihr werdet die Zeichen und Handlungen bei der Altarweihe in eurem Herzen verstehen. Den Erwachsenen muss ich das erst umständlich in einer langen Predigt erklären.“

Vielfältige Erlebnisse im Alltag können Kinder veranlassen, nach Gott zu fragen oder das Erlebte mit Glauben zu verbinden. Dabei wird schnell sichtbar, wie wichtig für die Glaubensentwicklung der Kinder das Vorbild der Eltern ist. Etwa dann, wenn in den Familien regelmäßig gebetet wird.

„Der Schutzengel passt immer auf mich auf“

„Mein Abendgebet habe ich von meinem Papa“, verkündet die sechsjährige Marie stolz. Betet sie jeden Abend mit ihren Eltern? „Ja!“, bestätigt Marie. Auch die religiöse Mystik ist den Kindern nicht fremd. Die fünfjährige Jana weiß, dass sie einen Schutzengel hat, „der passt immer auf mich auf, dass mir nichts passiert“.

Es sei wichtig, mit den Kindern über Glauben zu reden, betont Muth. „Kinder haben ein Anrecht darauf, sich über Religion zu informieren, deswegen tun wir das auch“, sagt die Erzieherin. Wenn gewartet werde, bis die Kinder in die Schule kommen und erst dann Religionsunterricht erhielten, sei es zu spät. Den Glauben spielerisch im Alltag zu erfahren, sei nur im Kindergarten und in der Familie möglich. Sie beschreibt, wie die Kinder in der Zeit von Advent bis Ostern Geburt, Leben, Leiden, Sterben und Auferstehung Jesu kennen lernen und verarbeiten. Das sei nicht einfach, „aber wir versuchen, das in ihrer erfahrbaren Alltagswelt den Kindern zu vermitteln“, so Gertrud Muth.

Zur Sache

Zehn Tipps zur Begleitung der religiösen Entwicklung von Kindern

Was können Eltern tun, damit ihre Kinder offen werden und offen bleiben für den religiösen Bereich und den Glauben? Annette Reithmeier- Schmitt, Diplom-Sozialarbeiterin in der Katholischen Familienbildungsstätte Mainz, gibt zehn Empfehlungen.

  1. Religiöse Erziehung beginnt, wo ein (kleines) Kind wahrgenommen und angenommen wird, mit seinen Fähigkeiten, Stärken, Charakterzügen, Fehlern und Schwächen. Durch diese sichere Bindung an die Eltern wird der Grund gelegt, auch mit anderen Menschen und Weltanschauungen in Beziehung zu treten.
  2. Eine sichere, vertrauensvolle Bindung an die Eltern ermöglicht es den Kindern, Vertrauen zu entwickeln – auch zu Gott.
  3. Eine sichere Bindung an die Eltern ermöglicht ein interessiertes und neugieriges Zugehen auf die Welt. Dazu gehören auch die Fragen der Kinder nach dem Ursprung des Lebens und nach Sinndeutung.
  4. Begleitung von religiöser Entwicklung der Kinder bedeutet auch, sich mit den Kindern den Fragen nach Gott und dem Sinn der Welt zu stellen. Fragen und „sinnieren“ Sie gemeinsam, regen Sie Ihr Kind an, aus seiner Sicht zu antworten, und geben Sie ihm dazu dann erst Ihre Vorstellungen mit auf den Weg. Lassen Sie sich auf seine Ideen und Vorstellungen ein und damit auch von der Sichtweise des Kindes bereichern.
  5. 5. Nehmen Sie sich im Alltag gegenseitig wahr, schenken Sie einer Sache gemeinsam Aufmerksamkeit, versuchen Sie, sich in die Gefühle des anderen zu versetzten: Dies alles fördert eine gelingende Beziehung in der Familie und prägt ein Gottesbild, das trägt und stabilisiert.
  6. Gehen Sie mit Ihrem Kind gemeinsam als „Sinndeuter“ mit einer positiven Lebenseinstellung durch das Leben. Sie helfen Ihrem Kind, das Leben mit seinen Herausforderungen zu verstehen, handlungsfähig zu sein und einen Sinn aus den Anforderungen des Lebens abzuleiten.
  7. Kindliche Gottesbilder verändern sich je nach Entwicklungsstand und Erfahrung im Alltag. Stützen Sie diese Entwicklung, indem Sie sich für die kindlichen Vorstellungen von Gott interessieren und den Wandel begleiten.
  8. Schenken Sie Ihrem Kind ein offenes Ohr und Zeit, wenn dieses mit seinen Fragen nach Gott und der Welt kommt. Hören Sie zu, versuchen Sie die Gedanken des Kindes zu verstehen und nachzuvollziehen.
  9. Stellen Sie Fragen, die zum Selbst entdecken anregen, anstatt fertige Antworten zu bieten. Fragen Sie nach den Erfahrungen der Kinder zum Thema, lassen Sie sich Begriffe aus der Kindersicht erklären, hinterfragen Sie weiter und lassen Sie sich Meinungen begründen.
  10. Bieten Sie Ihren Kindern zu Hause und in der Gemeinde spirituelle Erfahrungen und Rituale an. Kinder sind von sich aus offen für Bibelgeschichten, weil diese die sozialen Grunderfahrungen der Menschen ansprechen und Anregungen für das Zusammenleben anbieten.

Machen Sie sich mit diesen Anregungen auf die Suche mit Ihren Kindern und finden Sie so – auch für sich – (neue) Spuren zu Gott.

Kirchenzeitung

Meinung

Roter Faden

Kleine Kinder begreifen auch komplexe Vorgänge dann gut, wenn sie handgreiflich vermittelt werden, wenn die Kinder etwas anfassen können, um es zu erfassen. Im Kindergarten lässt sich dies täglich beobachten. Dieser Grundsatz gilt für alle Lebensbereiche, auch für das Glaubensleben. In der Fuldaer Kindertagesstätte Maria Ward hatte die Leiterin die Gottes-Kerze mit der Jesus-Kerze verbunden, mit einem roten Faden, der auch Anfang und Ende des menschlichen Lebens symbolisiert.

Was können wir Erwachsene von den Kindern lernen? Den roten Faden sollten wir nicht aus den Augen verlieren.

Dietmar Kuschel

Tipps

So können Kinder beten:

Für die ganz Kleinen:

„Wo ich gehe, wo ich stehe bist Du, lieber Gott, bei mir. Wenn ich Dich auch niemals sehe weiß ich sicher, Du bist hier.“

„Was nah ist und was ferne, von Gott kommt alles her, der Strohhalm und die Sterne, das Sandkorn und das Meer.“

„Großer guter Gott. Vielen Dank für diesen Tag. Wir haben gespielt, wir haben gelacht. Wir haben geweint, wir haben gezankt, wir haben uns lieb gehabt. Wenn wir uns lieb haben, verzeihst Du uns. Segne uns alle und gib uns eine gute Nacht.“

Für die Älteren:

„Gott, Vater im Himmel, ein neuer Tag hat angefangen; Du schenkst ihn mir. Ich freue mich und danke Dir. Vor allem aber danke ich Dir, dass Du überall und immer bei mir bist und mich allzeit liebst, das macht mich froh. Zeige mir heute, was recht und unrecht ist. Hilf mir, gut zu sein.“