Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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Reli - Chance für Gott

Über Michigan und Fulda hin zu Jesus

Larissa mit ihrer Gastschwester Faith (11) im Jahr 2008 bei der Graduation- Zeremonie (Schulabschluss- Zeremonie) in den USA Foto: privat

In den USA erlebte Larissa Alt: Mitschüler zögerten nicht, von ihren Erfahrungen mit Gott zu sprechen

Von Ann-Kathrin Wetter

Rund 100 Kilometer Schulweg nahm Larissa Alt (19) während ihrer Oberstufenzeit täglich auf sich, um die Marienschule Fulda, ein Mädchengymnasium in katholischer Trägerschaft, besuchen zu können. Hat sich dieser Aufwand gelohnt?

Kehrt man von einem Austauschjahr nach Hause zurück, hat sich oft viel verändert. Der eigene Horizont gilt als erweitert und ein bisschen selbstständiger als alle anderen 17-Jährigen fühlt sich so mancher Heimkehrer ohnehin.

Ähnlich erging es auch Larissa Alt, als sie im Sommer 2008 aus den USA zurückkehrte. Die heute 19-jährige Abiturientin sitzt auf dem orangenen Sofa im Wohnzimmer ihres Elternhauses in Birstein, einer 6600-Seelen-Gemeinde am südlichen Zipfel des Vogelsbergs. „Ich habe in den USA an einer öffentlichen Schule Leute kennen gelernt, die ohne lange zu zögern von ihren Erfahrungen mit Gott geredet haben.“

„Man erntet schnell schiefe Blicke“

Aus Deutschland kannte Larissa solch offene Glaubensbekundungen nicht. „Die meisten meiner Freunde hier sind nicht religiös und über Gott reden, wollen die Leute in unseren Breitengraden ohnehin nicht so gerne. Man erntet schnell schiefe Blicke.“ Eine leidenschaftliche Kirchgängerin sei sie vor ihrem Amerikaaufenthalt nie wirklich gewesen, gibt Larissa zu. „Meine amerikanische Gastfamilie gehört einer Baptistengemeinde an und geht jeden Sonntag zum Gottesdienst.“

Das aktive Gemeindeleben hat Larissa gefallen. „Ich habe dort beschlossen, weiterzusuchen und meinen Glauben auch zu Hause in der katholischen Kirche aktiver zu leben. Deshalb wollte ich gerne eine katholische Schule besuchen, aber wo?“ Als einzige Möglichkeit erwies sich die Marienschule im 50 Kilometer entfernten Fulda. Obwohl die Versuchung groß war, einen einfacheren Weg zu wählen, entschied sich Larissa für die Nadelöhr- Variante: „Meine Freunde hatte ich während meines Austauschjahrs gar nicht gesehen und wir verstanden uns noch immer gut, warum sollte sich nun etwas ändern, weil wir unterschiedliche Schulen besuchen?“ Immerhin hatte sie sich ein hohes Ziel gesteckt: „Mehr über den Glauben und Jesus Christus erfahren.“

Den Kopf in ihre linke Hand gestützt schwärmt die junge Frau von ihrer Zeit in der Bonifatiusstadt: „Ich hatte eine grandiose Religionslehrerin, die manchmal sogar 45 Minuten nach Unterrichtsschluss noch mit uns weiterdiskutiert hat, wenn wir etwas nicht verstanden haben.“ Die Lehrerin Annette Völler-Bischoff habe zwar nie aus ihrem eigenen Leben erzählt, dennoch hätten die Schülerinnen gespürt, dass sie hinter all dem stehe, was sie erklärt. „Es war ihr immer sehr wichtig, dass wir verstehen, dass es letztendlich bei allem um uns ganz persönlich geht.“

„Religion kann man nur dann nachhaltig unterrichten, wenn man eine lebendige Beziehung zu Gott und zur Kirche hat“, weiß Schulleiter Dr. Oswald Post. Er unterrichtet Religion sowie Politik und Wirtschaft. „Irgendwann geht es ans Eingemachte. Schülerfragen sind oft sehr kritisch und man muss wirklich hinter dem stehen, was man erzählt, sonst macht das Unterrichten keinen Sinn.“

Larissa ist sich sicher, dass der Religionsunterricht Frucht getragen hat. „Es gab auch religionskritische Schülerinnen in unserem Kurs. Man kann schließlich niemanden zum Glauben zwingen. Aber vielleicht werden sie sich irgendwann in ihrem Leben an das Gelernte erinnern und es annehmen.“

„Wir haben immer mehr Bewerberinnen, als die Schule aufnehmen kann“, so Dr. Post. „Das ist eine große Chance für die Kirche, Jugendliche zu erreichen, die vielleicht nicht jeden Sonntag zum Gottesdienst gehen und denen aus dem Elternhaus der Glaube nicht mehr mit auf den Weg gegeben wird.“ Hier sollte die Kirche Kräfte konzentrieren.

Religionsunterricht in Lebensgröße

Larissa jedenfalls ist froh, täglich nach Fulda gependelt zu sein. Auch wenn sie, pro Fahrt, eine knappe Stunde unterwegs war. Besonders gut gefallen hat Larissa das morgendliche Gebet vor Unterrichtsbeginn im Mathematikunterricht, und das gute Verhältnis zwischen Lehrern und Schülerinnen. Das Klima an der Marienschule sei „unheimlich toll“ gewesen – keine Ellenbogenmentalität, sondern freundschaftliches Miteinander – Religionsunterricht in Lebensgröße.

Zur Sache
Dr. Oswald Post mit Schülerinnen Foto: privat

Glaubenswissen lernen und die Vernunft mit einbeziehen

Der Fuldaer Religionslehrer Dr. Oswald Post ist mit zehn Vorurteilen über den Religionsunterricht konfrontiert worden. Im Folgenden seine Antworten.

1. Glauben kann man sowieso nicht lernen

Dies ist streng genommen richtig. Glauben ist Erfahrung und Gnade, die in der Begegnung des Menschen mit Gott gründet. Gleichwohl ist es wichtig, Glaubenserfahrungen zur Sprache zu bringen und die biblischen Grunderfahrungen sowie die Tradition unserer Kirche zu kennen. Dabei ist es wesentlich, Glaubenswissen zu lernen und die Vernunft mit einzubeziehen. Gerade in unserer von den Naturwissenschaften geprägten sowie religiös indifferenten Welt ist dieser Kenntniserwerb unabdingbare Voraussetzung glauben zu können.

2. Jesus kommt im Reli-Unterricht sowieso nicht vor

Dies stimmt nicht. Jesus bleibt zentraler Bezugspunkt des Religionsunterrichts. Alle, auch moderne Grundfragen, wie die der Gentechnologie, sind auf seine Botschaft und seinen Auftrag hin zu prüfen. Ohne diesen klaren Bezug verliert der Unterricht seine Existenzberechtigung.

3. Reli ist langweilig

Nur dann, wenn die Schülerinnen und Schüler mit ihren Themen und Anliegen nicht mehr vorkommen und der klare Bezug zu Jesus Christus nicht vorhanden ist. Ein Unterricht, der nur nach dem Buch vorgeht, wirkt langweilig und greift zu wenig die aktuellen Lebensbezüge auf. Schülerorientierter Unterricht, der die Schüler zu Wort kommen lässt, ist nie langweilig.

4. Reli ist ein Laberfach

Religion ist dann ein Laberfach, wenn der Unterricht keine klare Struktur aufweist und der Lehrer seine erworbenen didaktischmethodischen Fähigkeiten nicht kompetent anwendet.

5. In Reli kriegt man gute Noten

Ein Religionslehrer, der sein Fach mit Engagement und Profession lehrt, wird keine Noten verschenken. Zu Beginn eines jeden Schuljahres werden die Bewertungskriterien offen gelegt, sie müssen sich an den schulrechtlichen Vorgaben orientieren. Das Fach Religion ist ein allgemeinpädagogisch begründetes Fach, das im Bildungskanon seine feste Verankerung hat. Eine Abweichung davon gefährdet die Existenz des Faches.

6. Da glaubt der Lehrer selbst nicht dran

Ein Religionslehrer, der nicht an Jesus Christus glaubt und keine lebendige Beziehung zu einer christlichen Gemeinde hat, kann zwar Religionsunterricht erteilen, seine Schüler werden dies spüren und sich innerlich abwenden. Der Schaden ist für beide Seiten groß.

7. Da guckt man nur Filme

Filme sind ähnlich wie in anderen Fächern einzusetzen und müssen ganz klar in eine Unterrichtseinheit eingebaut sein. Ein Filmeinsatz nur um Stunden zu füllen ist fehl am Platze. Filme dienen zur Vertiefung und der Perspektivenerweiterung in einer Unterrichtseinheit.

8. Das bringt mich nicht weiter

Ein Religionsunterricht, der die Themen der Zeit auf dem Hintergrund des Glaubens zur Sprache bringt, der sich auch auf die wesentlichen Sinnfragen seiner Schüler einlässt, wird von den Schülern geachtet und für wesentlich gehalten.

9. Da würde ich nur hingehen, wenn mein Freund Murat auch da wäre

Die Begegnung und das Gespräch mit Menschen anderer Religionen sind wichtig. Das II. Vaticanum hat dies in seinen Beschlüssen dargelegt. Für diese Gespräche bedarf es eines fundierten Wissens über die eigene Konfession und auch über die fremde Religion. Erst dann kann es fruchtbare interreligiöse Gespräche und Begegnungen geben.

10. Ich lass mir doch von denen nichts sagen!

Religionslehrer dürfen nicht belehrend und moralisierend unterrichten. Religionsunterricht muss klare christliche Antworten geben, mit denen sich Schüler kritisch begründet auseinandersetzen dürfen.

Dr. Oswald Post seit zwei Jahren Schulleiter der Marienschule in Fulda, unterrichtet seit fast 30 Jahren katholische Religion in unterschiedlichen Schulformen:

  • drei Jahre in kirchlichem Auftrag an einer Freien Waldorfschule
  • vier Jahre an einer Berufsschule
  • elf Jahre an staatlichen Gymnasien
  • elf Jahre an katholischen Gymnasien

Kirchenzeitung

Meinung

Was Sage ich?

Ein Pfarrgemeinderat, so hörte ich, wollte sich intensiv mit dem Thema Religionsunterricht beschäftgen. Man sammelte und sichtete die rechtlichen Grundlagen und diskutierte sie. Dann wurde eine Religionslehrerin zum Vortrag eingeladen. Die Ergebnisse der Gespräche wurden von den Gemeindevertretern als „wichtig“ bewertet, und doch waren sich alle einig: Wir bewegen uns noch zu sehr in der Theorie!

Diese Einschätzung änderte sich schlagartig, als ein Pfarrgemeinderat die anderen fragte: Was soll ich einem Jugendlichen sagen, der sich vom Religionsunterricht abmelden will? Es wurde eine spannende Sitzung.

Dietmar Kuschel

Stichwort

Reliunterricht

Aus dem Grundgesetz ergibt sich, dass der Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht steht. Er ist somit wie jeder andere Unterricht auch demokratischen Grundsätzen verpflichtet. Die im Religionsunterricht von den Schülern erbrachten Leistungen werden benotet. Diese Noten sind versetzungsrelevant. Melden sich Schüler im Laufe des Schuljahres ab, kann trotzdem unter Angabe der Teilnahmedauer eine Note erteilt werden. Wie jeder ordentliche Unterricht ist der Religionsunterricht grundsätzlich vom Schulträger mit eigenen Lehrkräften zu unterrichten und zu finanzieren.

Der Staat ist zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet, er garantiert die Freiheit jeder Religionsausübung. Daher kann er nicht entscheiden, welchen Inhalt der Religionsunterricht haben soll und welche Glaubenslehren „richtig“ sind. Der Staat ist daher auf die Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften angewiesen. Der Religionsunterricht ist somit eine „gemeinsame Angelegenheit“ von Staat und Religionsgemeinschaften.