Glaubenswissen lernen und die Vernunft mit einbeziehen
Der Fuldaer Religionslehrer Dr. Oswald Post ist mit zehn Vorurteilen über den Religionsunterricht konfrontiert worden. Im Folgenden seine Antworten.
1. Glauben kann man sowieso nicht lernen
Dies ist streng genommen richtig. Glauben ist Erfahrung und Gnade, die in der Begegnung des Menschen mit Gott gründet. Gleichwohl ist es wichtig, Glaubenserfahrungen zur Sprache zu bringen und die biblischen Grunderfahrungen sowie die Tradition unserer Kirche zu kennen. Dabei ist es wesentlich, Glaubenswissen zu lernen und die Vernunft mit einzubeziehen. Gerade in unserer von den Naturwissenschaften geprägten sowie religiös indifferenten Welt ist dieser Kenntniserwerb unabdingbare Voraussetzung glauben zu können.
2. Jesus kommt im Reli-Unterricht sowieso nicht vor
Dies stimmt nicht. Jesus bleibt zentraler Bezugspunkt des Religionsunterrichts. Alle, auch moderne Grundfragen, wie die der Gentechnologie, sind auf seine Botschaft und seinen Auftrag hin zu prüfen. Ohne diesen klaren Bezug verliert der Unterricht seine Existenzberechtigung.
3. Reli ist langweilig
Nur dann, wenn die Schülerinnen und Schüler mit ihren Themen und Anliegen nicht mehr vorkommen und der klare Bezug zu Jesus Christus nicht vorhanden ist. Ein Unterricht, der nur nach dem Buch vorgeht, wirkt langweilig und greift zu wenig die aktuellen Lebensbezüge auf. Schülerorientierter Unterricht, der die Schüler zu Wort kommen lässt, ist nie langweilig.
4. Reli ist ein Laberfach
Religion ist dann ein Laberfach, wenn der Unterricht keine klare Struktur aufweist und der Lehrer seine erworbenen didaktischmethodischen Fähigkeiten nicht kompetent anwendet.
5. In Reli kriegt man gute Noten
Ein Religionslehrer, der sein Fach mit Engagement und Profession lehrt, wird keine Noten verschenken. Zu Beginn eines jeden Schuljahres werden die Bewertungskriterien offen gelegt, sie müssen sich an den schulrechtlichen Vorgaben orientieren. Das Fach Religion ist ein allgemeinpädagogisch begründetes Fach, das im Bildungskanon seine feste Verankerung hat. Eine Abweichung davon gefährdet die Existenz des Faches.
6. Da glaubt der Lehrer selbst nicht dran
Ein Religionslehrer, der nicht an Jesus Christus glaubt und keine lebendige Beziehung zu einer christlichen Gemeinde hat, kann zwar Religionsunterricht erteilen, seine Schüler werden dies spüren und sich innerlich abwenden. Der Schaden ist für beide Seiten groß.
7. Da guckt man nur Filme
Filme sind ähnlich wie in anderen Fächern einzusetzen und müssen ganz klar in eine Unterrichtseinheit eingebaut sein. Ein Filmeinsatz nur um Stunden zu füllen ist fehl am Platze. Filme dienen zur Vertiefung und der Perspektivenerweiterung in einer Unterrichtseinheit.
8. Das bringt mich nicht weiter
Ein Religionsunterricht, der die Themen der Zeit auf dem Hintergrund des Glaubens zur Sprache bringt, der sich auch auf die wesentlichen Sinnfragen seiner Schüler einlässt, wird von den Schülern geachtet und für wesentlich gehalten.
9. Da würde ich nur hingehen, wenn mein Freund Murat auch da wäre
Die Begegnung und das Gespräch mit Menschen anderer Religionen sind wichtig. Das II. Vaticanum hat dies in seinen Beschlüssen dargelegt. Für diese Gespräche bedarf es eines fundierten Wissens über die eigene Konfession und auch über die fremde Religion. Erst dann kann es fruchtbare interreligiöse Gespräche und Begegnungen geben.
10. Ich lass mir doch von denen nichts sagen!
Religionslehrer dürfen nicht belehrend und moralisierend unterrichten. Religionsunterricht muss klare christliche Antworten geben, mit denen sich Schüler kritisch begründet auseinandersetzen dürfen.
Dr. Oswald Post seit zwei Jahren Schulleiter der Marienschule in Fulda, unterrichtet seit fast 30 Jahren katholische Religion in unterschiedlichen Schulformen:
- drei Jahre in kirchlichem Auftrag an einer Freien Waldorfschule
- vier Jahre an einer Berufsschule
- elf Jahre an staatlichen Gymnasien
- elf Jahre an katholischen Gymnasien