„Gerufen in sein wunderbares Licht“ – Gedanken zum Motto des Bistumsfests am 22. Mai
Von Johannes Becher
Auserwählt, königlich, heilig. Mehr Anerkennung geht nicht. Und dann der wunderbare Satz: „Ihr habt Erbarmen gefunden.“ In einer so unbarmherzigen Zeit. Wovor sollt’ ich mich noch fürch¬ten? Eine Entdeckungsreise in Gottes „wunderbares Licht“.
Der erste Petrusbrief, aus dem das Leitwort zum Bistumsfest stammt, wird zu den „katholischen“ Briefen im Neuen Testament gezählt. Damit wird etwas über die Adressaten ge¬sagt: Paulus schreibt seine Briefe an eine konkrete Gemeinde, der Petrus¬brief will die Christen in Kleinasien insgesamt erreichen. Er ist sozusagen an die Allgemeinheit der Christen gerichtet. Katholisch eben. Nicht nur im ersten Jahrhundert nach Christus, sondern bis heute. Den Christen, die in den Provinzen Kleinasiens damals in der Minderheit leben, angefeindet vom großen Rest der Gesellschaft, spricht der gebildete Autor gleich vielfältig eine besondere Würde zu:
„Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten des¬sen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat. Einst wart ihr nicht sein Volk, jetzt aber seid ihr Gottes Volk; einst gab es für euch kein Erbarmen, jetzt aber habt ihr Erbarmen gefunden.“
1 Petrus 2,9f
Der Vers vom Ruf ins wunderbare Licht sitzt genau in der Mitte zwi¬schen Würde und Erbarmen. Gestern noch Finsternis, heute im Licht. Eine Kontrastgesellschaft.
Menschen suchen eine Quelle, die ihre Finsternis hell macht
„Im Anfang“ schuf Gott Himmel und Erde, trennte die Finsternis vom Licht. Machte alles hell. Sonne, Wär¬me, Lebenselixier. In den dunklen Tagen und Wochen des Jahres steigt die Zahl derer, die trübsinnig wer¬den. Die sich nach lichten Punkten im Alltag sehnen. Nach einer Quelle, die ihre Finsternis hell macht.
Wer von seinen Eltern zur Taufe gebracht wird, der bekommt Gottes „wunderbares Licht“ gleichsam als Überlebens-Chip eingegossen. Mit dem Wasser der Taufe wird er Mit¬glied im Club der Lichtgestalten. Und zum Lichtbringer. Denn mit dem Ruf in Gottes Weltauswahl tritt auch eine Pflicht zum Echo-Geben in Kraft. Wie der Volksmund in den Wald hinein¬ruft, so schallt es heraus. Wie Gott jeden und jede mit Würde begleitet und ins Licht bringt, so sollen jene auch allen begegnen, die sie treffen.
Wer Gottes Licht der Welt er¬blickt, wird zur Lichtgestalt. Erschro¬cken? Lampenfieber? Das ist normal. Künstler sagen sogar, das erhöhe die Konzentration, die Leidenschaft, die Leistung. Auf der Bühne des Lebens spielt der Christ die Rolle des Licht¬bringers. Auf dem Spielplan der Erde steht in ungezählten Neuinszenie¬rungen ein Drama von Gut und Böse, eine Ballade von Werden und Ver¬gehen, eine Komödie von Liebe und Leidenschaft. Und die Darsteller? Menschen mit Stärken und Schwä¬chen, guten und schlechten Tagen, Hauptrollen und Statistenaufgaben. Christen können das. Wenn ihr Lam¬penfieber nicht Angst ist. Den Mund nicht verschließt für die Worte und Gesten, die trösten und stützen, die anklagen und fordern, die versöhnen und aufrichten…Wer in Gottes wun¬derbarem Licht steht, ist auserwählt. Königlich. Heilig. Der ist nicht allein und der kann sich was leisten. Gottes Erbarmen belohnt. Und verzeiht. Auch Fehler.
Zugegeben, manchmal lässt sich im Dunkeln besser munkeln. Manch¬mal ist es anstrengend, immer in der Sonne zu stehen. Da hilft der Schatten. Manchmal hat man einfach genug vom Trubel im Rampenlicht und sehnt sich danach, dass der Vorhang fällt und die Lichter einmal ausgehen. Nur mal ganz kurz…
„Gerufen in sein wunderbares Licht“ – das heißt auch: Für dich macht Gott den Spot an. Sei um¬strahlt. Bei Gott kann jeder Deutsch¬lands nächster Superstar sein. Top¬modell. Talent für die Ewigkeit.
Lichtbringer sehen auch „die im Dunkeln“
Und wer in seinem Licht steht, der kann im Dunkeln sehen. Die im Dunkeln sehen. Jene, die Bert Brecht in seiner „Dreigroschenoper“ verdichtet:
„Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.“
Angestrahlt von Gottes Licht, aus¬gerüstet mit der Suchfunktion seiner erhellenden Lampe, gelingt es, auch die zu finden, die im Schatten leben. Und ihnen Licht zu bringen.
Einer solchen Lichtgestalt fällt es dann leicht, dem Aufruf zu folgen, der in dem Kapitel des Petrusbriefs steht, das auf den Motto-Vers des Bistumsfest folgt (3,15): „Seid stets bereit, Zeugnis zu geben von der Hoffnung, die euch trägt.“
Wer in seinem Licht steht, der kann nicht länger schweigen. Der macht den Mund auf. Der erzählt anderen davon, wie es ist, in seinem wunder¬baren Licht zu leben: auserwählt, königlich, heilig.