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Auf Schatzsuche
10.07.11

Auf Schatzsuche

Unter 60 000 Bänden, Drucken und Schriften in der Diözesanbibliothek ist noch viel Unentdecktes

 

Doppelausgabe 28/29 vom 10. Juli 2011

Hofft auf weitere sensationelle Funde in den Regalen der Diözesanbibliothek: Stephanie Hartmann. Foto: Gundula Stegemann

Von Gundula Stegemann

Gegründet wurde sie bereits 1829, doch bis heute ist der Bestand der Diözesanbibliothek noch nicht vollständig erfasst. Eine Aufgabe, die sich die Leiterin Dr. Stephanie Hartmann vorgenommen hat – und bei der sie oft Erstaunliches entdeckt.

Seit acht Jahren arbeitet sie sich von Regal zu Regal, bis alle 60000 Bände, Drucke und Schriften erfasst sind.

Immer wieder mal greift Stephanie Hartmann ins Regal nach einem Buch oder einem Blatt Papier – und entdeckt, dass sie etwas ganz Besonderes, etwas Außergewöhnliches in der Hand hält.

Wie vor drei Jahren, als sie ein recht unscheinbar wirkendes Buch mit blassem Einband aus dem Regal nahm – die „Cautio criminalis“ von dem Jesuiten Friedrich von Spee (1591 bis 1635). „Das Buch ist fast 380 Jahre alt“, sagt die Bibliothekarin ehrfurchtsvoll. „Es ist ein Plädoyer gegen die Hexenprozesse, ein wirklich mutiges Werk zu damaliger Zeit.“

„Um den wahren Autor nicht preiszugeben, wurde das Impressum verfälscht.“
Stephanie Hartmann

Verfasst wurde es in Latein. Spee hatte es geschrieben, als die Hexenprozesse ihren Höhepunkt erreichten. Er vertrat darin die These, dass diese Prozesse nicht der Wahrheitsfindung dienten. Der Jesuit hatte Frauen, die als Hexen verurteilt waren, als Beichtvater begleitet. Er hatte sein Werk 1631 anonym drucken lassen, da sein Inhalt ausgesprochen brisant war. Ein Jahr später erschien bereits die zweite, überarbeitete Auflage, ebenfalls anonym.

„Um den wahren Autor nicht preiszugeben, wurde das Impressum verfälscht“, erklärt Stephanie Hartmann. „Denn schnell konnte man damals unter den Verdacht geraten, selbst auf der Seite der Hexen zu stehen.“ So findet sich im Impressum der Eintrag „auctore incerto theologo romano“ – was soviel heißt wie „ein gewisser römischer Theologe“.

„Auch der Ort des Drucks wurde verschleiert, um vom wahren Verfasser abzulenken“, erklärt die Bibliothekarin. „Der Eintrag nennt Frankfurt als Erscheinungsort – immerhin gab es dort zahlreiche Druckereien. Wahrscheinlich wurde es aber in Köln gedruckt.“

Das in Limburg aufgefundene Exemplar ist eines aus der zweiten Auflage. Natürlich gibt es eine umfangreiche Forschung zu Leben und Wirken von Friedrich Spee und eine Bibliografie zu seinem Werk, berichtet sie. „Das Besondere jedoch ist, dass das Limburger Exemplar in der Bibliografie nicht enthalten ist“, so Stephanie Hartmann. „Zudem finden sich im Buch verschiedene handschriftliche Einträge. In aller Regel lässt sich daraus das Schicksal eines solchen Buches rekonstruieren. Im Limburger Exemplar wurden jedoch an mehreren Stellen Einträge nachhaltig ausradiert – angesichts des brisanten Inhalts ein interessanter Aspekt, denn wer hat sich schon getraut, ein solches Buch zu besitzen und dies im Buch kenntlich zu machen?“

„Es bleibt im Dunkeln, ob und welche Folgen die im Buch enthaltene Kritik der Hexenverfolgung bei einem Bopparder Funktionsträger ausgelöst hat.“
Stephanie Hartmann

Einer dieser Einträge datiert auf das Jahr 1641 in Boppard am Mittelrhein, also zu einer Zeit, als es noch Hexenprozesse gab. Der Name des Besitzers, auf den der Eintrag einst vermutlich verwies, wahrscheinlich ein Schultheiß, ist jedoch nicht mehr nachvollziehbar; die Stelle wurde so heftig bearbeitet, dass das Papier beschädigt ist. Zwei Jahrhunderte vergingen, bis es 1826 nach Limburg kam. Ein Eintrag belegt, dass es zu jener Zeit im Besitz von Kaplan Arnold Haas war, der später unter anderem Domkapitular, geistlicher Rat und Pfarrer in Dietkirchen war.

„Es bleibt im Dunkeln, ob und welche Folgen die im Buch enthaltene Kritik der Hexenverfolgung bei einem Bopparder Funktionsträger ausgelöst hat“, sagt Stephanie Hartmann. „Genauso wenig konnte bislang ermittelt werden, wie der Limburger Geistliche Arnold Haas das Werk einordnete und was ihn bewogen hat, es zu erwerben.“

Seit sie den unscheinbaren Band, den sensationellen Fund des Limburger Exemplars der „Cautio criminalis“ in die Hand nahm, hat die Bibliothekarin sich umfassend mit der Geschichte dieses Buches beschäftigt und alle Fakten zusammengetragen in einem Aufsatz, nachzulesen in der Diözesanbibliothek Limburg.

Chronik

Zwei Jahre jünger als das Bistum Limburg

Eine Kostbarkeit mit nachträglich eingefügten handschriftlichen Einträgen: die 380 Jahre alte „Cautio criminalis“ von Friedrich von Spee.

Gegründet wurde die Diözesanbibliothek nur zwei Jahre nach Gründung des Bistums Limburg im Jahre 1827, damals jedoch als Bibliothek des Priesterseminars. Ihr Domizil war zunächst das alte Franziskanerkloster – die heutige Stadtkirche. Ausgestattet wurde die Bibliothek mit Restbeständen aus Bibliotheken von Klöstern aus dem Rheingau, dem Lahntal und dem Westerwald, die während der Säkularisation aufgelöst worden waren. Die Bibliothek umfasst Bücher aus Eberbach, den Klöstern Marienthal und Nothgottes, Montabaur, Hadamar, Marienstatt, dem Kloster Arnstein, dem Franziskanerkloster in Limburg und zahlreichen anderen Klöstern. Somit gehörten von Anfang an jahrhundertealte Bücher von Klöstern aus der Region zum Bibliotheksbestand.

Er umfasst vor allem theologische Literatur. Bald schon wurden auch Bücher aus Nachlässen in die Limburger Bibliothek aufgenommen, so der Nachlass des Mainzer Weihbischofs Johann Valentin Heimes, der Limburger Bischöfe Jakob Brand und Peter Josef Blum, der übrigens vor seiner Ernennung zum Bischof zeitweise selbst als Bibliothekar die Seminarbibliothek betreute. Erster hauptamtlicher Bibliothekar war Joseph Wingenbach, der von 1932 an 30 Jahre lang der Bibliothek ihre bis heute gültige Ordnung gab. Nach seinem Tod 1962 war sie über viele Jahre geschlossen, wurde nur provisorisch verwaltet, bis 2003 Dr. Stephanie Hartmann die Leitung der Diözesanbibliothek übernahm. Seitdem ist sie der Öffentlichkeit wieder zugänglich. Interessierte Besucher aus Limburg und Umgebung sowie Kursteilnehmer der theologischen und pastoralen Fortbildungskurse im Priesterseminar haben hier inzwischen wieder die Möglichkeit, in den Nachschlagewerken der Präsenzbibliothek zu stöbern. (gs)

Zur Sache

Bibliothek

Die Diözesanbibliothek Limburg beherbergt rund heute rund 60000 Bände. Man findet sie im Anbau des Bischöflichen Priesterseminars in der Weilburger Straße in Limburg, wo sie seit 1931 untergebracht ist. Seitdem führt sie den Namen Diözesanbibliothek. Seit acht Jahren, seit 2003 ist Dr. Stephanie Hartmann deren Leiterin. (gs)

Service

Öffnungszeiten

Die Limburger Diözesanbibliothek ist geöffnet dienstags, mittwochs und donnerstags von 9 bis 16 Uhr, nach Rücksprache auch darüber hinaus. Anmeldung bei Dr. Stephanie Hartmann, vor allem bei der gewünschten Benutzung von Altbeständen wird um vorherige Anmeldung gebeten unter Telefon 06431/200719. (gs)

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