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„Die Menschen brauchen mich“
12.12.10

„Die Menschen brauchen mich“

Adveniat-Gast Rufino Rodriguez berichtet im Bistum Limburg von seiner Heimat Honduras

 

Ausgabe 50 vom 12. Dezember

Informationen aus erster Hand (von links): Stefanie Hoppe, beim Hilfswerk Adveniat Referentin für Bildung und Pastoral, begleitete Rufino Rodriguez während seiner Besuchsreise. Rechts Winfried Montz, Leiter der Abteilung Weltkirche im Bischöflichen Ordinariat Limburg. Foto: Gundula Stegemann

Von Gundula Stegemann

Rufino Rodriguez ist ein „Delegado de la Palabra“, ein „Delegierter des Wortes“. Was das bedeutet, erläutert der Hondurianer bei einem Besuch im Bistum Limburg.

Der 52-Jährige ist auf Einladung von Adveniat unterwegs. Das Lateinamerika-Hilfswerk informiert in diesem Jahr über das Engagement der Laien in Kirche und Gesellschaft in Honduras, El Salvador und Brasilien.

Rufino Rodríguez hat an der Katholischen Universität von Honduras Religionswissenschaften studiert. Acht Jahre lang war er bei „Radio Crisma Danlí“ Programmdirektor für religiöse Bildung. Derzeit ist der dreifache Familienvater als Bauer in der Landwirtschaft tätig – und als ehrenamtlicher Vorsitzender des Kolpingwerks Honduras. Seit 34 Jahren ist er darüber hinaus „Delegado“, das heißt, er leitet Wortgottesdienste und fördert durch sozial-pastorales Engagement den Zusammenhalt in den Gemeinden.

Regelmäßig hält Rodriguez Vorträge zur Situation von Laien und zur Sozialpolitik in Honduras. Und so erzählt er von seinem Dorf, das 13 Kilometer entfernt ist vom nächsten Ort, in dem der Priester ist: „Bei uns kommt er selten, meist nur einmal im Jahr vorbei“, berichtet der engagierte Laie. „In den 1970-er Jahren“, erinnert sich Rufino Rodriguez, „betreute ein Pfarrer 700 Dörfer mit rund 300000 Gläubigen. Die meist schön älteren Priester kamen nicht so oft, zumal auch viele Orte mit dem Auto schlecht zu erreichen waren.“ Heute, betont der 52-Jährige, sei die Situation nicht viel besser.

Angst vor Arbeitslosigkeit

Die Menschen in seiner Heimat, der Provinz El Paraíso, leiden vor allem unter der hohen Arbeitslosigkeit in der Region. Jahrzehnte lang wurde dort nur Kaffee angebaut. Doch die Weltmarktpreise sinken, „und die Armut wird immer größer“, stellt er fest. Viele der gut ausgebildeten Arbeitskräfte verließen das Land. Rufino Rodriguez aber findet es wichtig, „der Heimat treu zu bleiben“. Zwar hatte er die Möglichkeit, in den USA zu arbeiten, doch er zog es vor, in Honduras zu leben. „Ich bin überzeugt davon, dass die Menschen mich brauchen und dass ich durch meine Arbeit auch zum Frieden in diesem Land beitrage“, sagt er.

Als Leiter des Kolpingwerks Honduras setzt er vor allem auf Aus- und Weiterbildung: Kleinbauern lernen dank der Kolping-Kurse beispielsweise, wie sie ihre Erträge steigern oder kleine Geschäfte führen können. Im letzten Jahr organisierte Rufino Rodriguez Lebensmittel für die vielen Menschen, die während des Staatsstreiches unter Versorgungsengpässen zu leiden hatten.

Warum er Delegado wurde? „Ich habe die Möglichkeit gesehen, etwas für die Gemeinschaft zu bewegen.“ Denn infolge von Arbeitslosigkeit und Armut gebe es in Honduras eine hohe Gewaltbereitschaft. Von 2003 bis 2008 stieg die Kriminalität um 250 Prozent, berichtet Rufino Rodríguez. Raub, Entführung, Waffenhandel, Drogen, Jugendbandenkriminalität und Gewalt in den Familien nähmen von Tag zu Tag zu.

„Mein Sohn erzählte mir am Telefon, dass in seinem Ort drei Tage zuvor bei einer Schießerei acht Autos in der Nachbarschaft überfallen und Menschen gekidnappt wurden“, nennt der Delegado ein Beispiel. „Selbst Polizisten und andere Autoritäten sind oft in Drogengeschäfte und andere kriminelle Machenschaften verwickelt.“ Kaum eine Straftat werde aufgeklärt.

Kirchlich Engagierte als Friedensarbeiter

Honduras sei eines der korruptesten Länder der Welt mit einem nicht funktionierenden Justizsys-tem. Angesichts dieser Situation werden die in der Kirche Engagierten zu Friedensarbeitern. Sie interpretieren die Botschaft des friedlichen Zusammenlebens im Geiste Jesu.

Doch nicht nur die Berichte von Rufino Rodriguez über die Zustände in seiner Heimat stoßen im Bistum Limburg auf offene Ohren. „Für uns ist auch sein Erfahrungsbericht über das Modell der Delegados ausgesprochen interessant“, sagt Winfried Montz, Leiter der Abteilung Weltkirche. „Und das insbesonders hinsichtlich der Beauftragung und des Engagements von Laien in der Pfarrei der Zukunft. Man muss sehen, welche Erfahrungen wir davon eventuell aufnehmen können.“

Hintergrund

Modell von 1966

1966 wurde das Delegado-Modell von einem kanadischen Bischof in Honduras eingeführt, vor allem, um auch Männer für die ehrenamtliche Kirchenarbeit gewinnen zu können. Das Modell gibt es bislang nur in Honduras und hat Pioniercharakter für ganz Lateinamerika.

Ein Delegado leitet Wortgottesdienste und fördert durch sozial-pastorales Engagement den Zusammenhalt in den Gemeinden. Jeder Delegado wird in einem feierlichen Akt jährlich neu bestätigt. Delegados arbeiten stets im Team von je zwei bis vier Männern und Frauen.

Der Dienst des Delegado ist ein pastoraler Dienst in der Gemeinde. Neben der Leitung der Wort-Gottes-Feiern bereitet er unter anderem die Gemeindemitglieder auf den Besuch des Priesters sowie auf den Empfang der Sakramente durch den Priester vor. Darüber hinaus engagieren sich die Delegados auch in sozialen Angelegenheiten für die Menschen. In den Diözesen betreut jeweils ein Geistlicher die Delegados. (gs)

Stichwort

Adveniat

Zum 50. Mal bittet Adveniat um Spenden für die Länder Lateinamerikas. In diesem Jahr informiert das Hilfswerk über das Engagement der Laien in Kirche und Gesellschaft in Honduras, El Salvador und Brasilien. „Ihr werdet meine Zeugen sein“, lautet das Motto der diesjährigen Aktion. Die Kollekten aller Weihnachtsgottesdienste am 24. und 25. Dezember gehen an Adveniat. Mit den Spenden werden Projekte und Programme in Lateinamerika gefördert. Zugleich macht Adveniat den Menschen hierzulande durch Berichte und Erfahrungsaustausch den kulturellen und spirituellen Reichtum Lateinamerikas zugänglich. (gs)

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