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So richtig dazu gehören
23.08.09

So richtig dazu gehören

Pfarrer Christian Enke und Anneliese Wohn: ein Plädoyer für Induktionsschleifen

Wollen Aufklärungsarbeit leisten: Pfarrer Christian Enke und Anneliese Wohn setzen sich dafür ein, dass Hörgeschädigten Teilhabe ermöglicht wird. Enke wird dafür nicht nur bei Verwaltungsräten, sondern auch bei Hörgeräte- Akustikern und Beschallungsanlagen-Technikern vorstellig. Foto: Tim Niederacher

Von Heike Kaiser

Er ist Gehörlosenpfarrer im Bistum Limburg, sie leitet das Referat 3. und 4. Lebensalter, beide haben ein gemeinsames Anliegen: Christian Enke und Anneliese Wohn möchten schwerhörigen Menschen mehr Teilhabe im Gemeindeleben ermöglichen.

„Hast du verstanden, was der Pfarrer gepredigt hat?“ – „Ja, er hat doch sehr klar und deutlich gesprochen.“ – „Nein, das kann nicht sein. Ich habe kaum etwas mitbekommen. Bist du sicher, dass das Mikrofon eingeschaltet war?“ – „Natürlich, ich sage dir doch, er war sehr gut zu verstehen.“ – „Naja, wenn du meinst...“

Eine typische Gesprächsszene nach dem Gottesdienst, den Mutter und Tochter gerade gemeinsam besucht haben. Die Mutter ist alters-schwerhörig, geht aber trotzdem regelmäßig in den Gottesdienst in ihrer Heimatpfarrei – auch, wenn sie längst nicht mehr alles mitbekommt. Eine Situation, die Gehörlosenpfarrer Christian Enke (Oberursel) durchaus bekannt ist. Er vermutet, dass viele Seniorinnen und Senioren nicht mehr zum Gottesdienst kommen, wenn sie schwerhörig geworden sind und sich dadurch vom Geschehen ausgeschlossen fühlen.

„Wer ein Hörgerät trägt, schaltet es in einem großen Raum, in dem viele Menschen versammelt sind, oft aus, weil die vielen Nebengeräusche als sehr störend empfunden werden und alles nur noch rauscht“, erläutert er und bedauert: „Die Alters-Schwerhörigen sitzen dann zwar in der Kirchenbank, aber der Gottesdienst geht an ihnen zu einem großen Teil vorbei.“

Hier Abhilfe zu schaffen, ist das gemeinsame Anliegen von Pfarrer Enke und Anneliese Wohn, Leiterin des Referats 3. und 4. Lebensalter im Bistum Limburg. Sie appellieren deswegen an Pfarreien, in ihren Kirchen so genannte induktive Höranlagen installieren zu lassen, die es ermöglichen, den Ton vom Mikrofon direkt in ein entsprechend eingestelltes Hörgerät zu übertragen.

„Viele Verwaltungsräte zucken erstmal zusammen, wenn ich ihnen diesen Vorschlag mache“, erzählt Christian Enke. Seiner Erfahrung nach halten sich die Kosten allerdings in Grenzen: Er schätzt sie auf cirka 800 bis 1000 Euro. Um eine induktive Höranlage zu installieren, werde ein dünner Draht zwischen die Fliesen-Fugen gelegt und an die Mikrofonanlage angeschlossen. „Der Bereich kann ganz individuell festgelegt werden – von einer einzelnen Kirchenbank bis zu einem ganzen Kirchenschiff“, erläutert er.

Voraussetzung für diesen Schritt sei jedoch die Entscheidung des Verwaltungsrats: Wir wollen barrierefrei sein. „Wenn ich davon erfahre, dass eine Kirche neu gebaut oder umgebaut wird, bin ich sofort zur Stelle und versuche, dafür zu sorgen, dass Induktionsschleifen gelegt werden“, betont Enke und erzählt schmunzelnd, dass er wegen dieses Engagements schon längst einen Spitznamen im Dezernat Finanzen, Bau und Verwaltung habe. „Dort heißt es: Enke ist gleich induktiv.“

Anneliese Wohn begegnet das Problem Alters-Schwerhörigkeit vor allem in Kursen und Seminaren in Tagungshäusern. „Dabei gibt es so viele geeignete technische Hilfsmittel“, unterstreicht sie die Notwendigkeit, Aufklärungsarbeit zu leisten. Das Thema „Schwerhörigkeit“ in den Blick zu nehmen, komme im Übrigen nicht nur Älteren zugute: „Die ganze Gemeinde hat doch davon einen Nutzen, wenn so Teilhabe ermöglicht wird“, ist Anneliese Wohn überzeugt.

Genau wie Christian Enke bedauert sie, dass der Einbau von Induktionsschleifen in öffentlichen Einrichtungen in Deutschland längst nicht so selbstverständlich ist wie in anderen EU-Ländern. „Dabei ist es überhaupt kein Problem, Hörgeräte induktiv einzustellen“, möchte sie Schwerhörigen die Scheu davor nehmen, sich das technische Hilfsmittel anpassen zu lassen. „Wer im Bereich einer Induktionsschleife sitzt, muss sein Hörgerät lediglich auf das Programm ,T‘ einstellen, um problemlos alles zu verstehen, was ins Mikrofon gesprochen wird. Übrigens funktioniert das auch gut beim Telefonieren“, ergänzt Pfarrer Enke.

Bestärkt in seiner Absicht, auch weiterhin nicht nur bei Verwaltungsräten, sondern auch bei Hörgeräte-Akustikern und Beschallungsanlagen- Firmen Aufklärungsarbeit zu leisten, hat ihn unter anderem folgende Begebenheit: „Vor einem ökumenischen Gottesdienst in Oberursel hat mich eine Frau angemailt mit der Bitte, ihr meine Predigt schriftlich zukommen zu lassen, weil sie nichts hört“, erzählt Enke. „Da aber das gesprochene Wort ganz anders wirkt als das geschriebene, habe ich diese Frau gebeten: ,Setzen Sie sich in die Induktionsschleife, da geht der Ton vom Mikrofon direkt in Ihr Ohr.‘

Nach dem Gottesdienst hat sie mir eine ergreifende Mail geschrieben: ,Lieber Pfarrer Enke, mir sind die Tränen gekommen, denn ich habe zum ersten Mal so richtig dazu gehört.‘“ Für Pfarrer Enke ein gutes Beispiel dafür, wie Teilhabe mit relativ wenig Aufwand gelingen kann.

Zur Sache

Die „Telefon-Spule“

Fast alle Hörgeräte und fast alle aktuellen Cochlea-Implantate (Hörprothese für Gehörlose, deren Hörnerv noch funktioniert) haben eine eingebaute „Telefon- Spule“, mit der auch das Telefonieren mit Spezialtelefonen erleichtert wird.

Die T-Spule kann auf Wunsch vom Hörgeräte-Akustiker aktiviert werden, damit das Hörprogramm „T“ zum induktiven Hören zur Verfügung steht.

Schwerhörige Menschen setzen sich innerhalb einer Induktionsschleife, die mit einem speziellen Symbol gut sichtbar gekennzeichnet ist, auf einen Platz, stellen ihr Hörgerät auf das Programm „T“ und können so das gesprochene Wort direkt hören und klar verstehen. (kai)

Hintergrund

6000 Betroffene im Bistum

Im Bistum Limburg leben etwa 6000 gehörlose Katholiken. In wie vielen Kirchen des Bistums Induktionsschleifen liegen, ist jedoch eine bislang unbekannte Größe. Ein bundesweites Verzeichnis von Kirchen mit Induktionsschleifen gibt es jeweils zu den Weihnachts- und Ostergottesdiensten im Internet unter www.weihnachtsgottesdienste.de beziehungsweise www.ostergottesdienste.de

Wenn sich eine Gemeinde dazu entscheidet, eine induktive Höranlage zu installieren, raten Pfarrer Christian Enke und Anneliese Wohn dazu, einen Vertreter des Schwerhörigen-Bunds Hessen hinzuzuziehen, der die Induktionsschleife vor der Inbetriebnahme testet. (kai)

Informationen: E-Mail: c.enke@bistumlimburg.de, a.wohn@bistumlimburg.de, Internet: www.schwerhoerigennetz.de

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