Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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Wozu ist die Kirche da?
10.10.10

Wozu ist die Kirche da?

Der Erfurter Bischof Joachim Wanke gibt der Limburger Diözesanversammlung Antworten

 

Ausgabe 41 vom 10. Oktober

Er spricht in einfachen, verständlichen Sätzen, aus denen hin und wieder deutlich Humor herauszuhören ist. Manche Aussage leitet er ein mit: „Dafür werde ich jetzt wohl nicht viel Beifall bekommen.“ Und doch stehen die Delegierten der Diözesanversammlung spontan auf, um dem Erfurter Bischof Joachim Wanke anhaltend zu applaudieren.

Wozu ist die Kirche da? Auf diese Frage antwortet Wanke: „Sie ist dazu da, den Menschen den Weg zum Himmel zu zeigen.“ Sicherlich habe Gott tausend Möglichkeiten, das Herz der Menschen zu berühren. „Aber zunächst einmal ist es Aufgabe der Kirche, also unser aller Aufgabe, von Gottes Liebe Zeugnis zu geben – und zwar so, dass alle Menschen davon erfahren.“

Was ihn bedrängt, ist die Vorstellung: Ein Thüringer würde nach seinem Tod vor Gott stehen und zu ihm sagen: „Ich habe noch nie etwas von dir gehört.“ „Dann hätte ich versagt“, gibt Joachim Wanke zu.

„Wir alle sind Seelsorger“, sagt der Erfurter Bischof. Kirche ereigne sich dort, wo drei Dinge passieren: Wo Jesus Christus in den Blick gerückt werde, wo Getaufte und Gefirmte sich miteinander vernetzen und wo anderen Menschen einladend Türen zu Gott hin geöffnet werden. Immer wieder bittet er die Gläubigen um zwei Dinge: An die hauptamtlichen Seelsorger mit der Erwartung heranzutreten „Zeigt uns Jesus Christus! Seid nicht nur Organisatoren des Gemeindelebens, sondern seid noch mehr ,Geistliche’, die uns helfen, Jesus Christus im Blick zu behalten.“

Seine zweite Bitte: „Wir selbst sollen und dürfen füreinander Seelsorger werden – dann nämlich, wenn der Herr in unseren Worten und noch mehr in unserem Leben erkennbar wird.“ Die Werke der Barmherzigkeit seien nicht an die Priesterweihe gebunden.

Die Vernetzung der Glaubenden ist Wankes Überzeugung nach ein Aspekt des Christseins, der noch wichtiger werden wird. „Und wenn nun die Pfarreien größer werden, wird es ,Vor-Ort-Gemeinden’ geben, die von kleinen Initiativkreisen und Kerngruppen inspiriert und getragen werden.“ Eine Gemeinschaft im Glauben könne man auch zusätzlich an anderen Orten finden, im Umfeld von Klöstern oder in Geistlichen Gemeinschaften.

„Bekehrte schaffen heilsame Unruhe.“
Bischof Joachim Wanke

„Etwas weitersagen, dem Evangelium Türen nach außen zu öffnen“, ist für Wanke die dritte Aufgabe der Kirche. Das Thema „Mission“ sei nicht einfach ein neues seelsorgliches Arbeitsfeld neben anderen; es beanspruche eine grundlegendere Aufmerksamkeit. Seine Vision ist es, „der Gottesberührung für kirchen- und gottferne Menschen eine neue pastorale Priorität zu geben“. Eine Ortskirche, die sich darauf einzustellen beginne, dass „Neueinsteiger“ und „Wiedereinsteiger“ zu ihr Kontakt suchen, werde sich zwangsläufig in ihrer Selbstdarstellung ändern. „Bekehrte schaffen heilsame Unruhe. Sie beschenken uns mehr, als dass sie eine Last sind.“

Bischof Joachim Wanke ermuntert dazu, sich auf den gesellschaftlichen Pluralismus einzustellen, Veränderungen nicht als Katastrophe anzusehen und sich neu auf das zu besinnen, „wofür Kirche heute zu stehen hat“. „Man spürt die Veränderungen zu ,früher’, aber es fehlt eine Vorstellung davon, wie es weitergehen könnte. Das lähmt und schafft Resignation“, hat er festgestellt. Er fordert dazu auf, „nicht zu vergessen, was uns kirchlich möglich ist. Wir können auch in den nächsten Jahrzehnten durchaus eine ,einladende, das Evangelium auf den Leuchter stellende Ortskirche’ sein“, ist Joachim Wanke überzeugt. Seine Vision ist eine „Missionskirche neueren Typs“, die bei ihrer Grundaufgabe bleibt: möglichst viele Menschen mit der Frohen Botschaft zu berühren. Aber: „Das geht nicht ohne Veränderung.“

Wenn der Wind jetzt auf einmal aus veränderter Richtung wehe, gelte es, „die Segel neu auszurichten“. Der heute verbreitete weltanschauliche Pluralismus müsse nicht zur „Vergleichgültigung“ von religiösen Überzeugungen führen. Im Gegenteil, sagt Wanke: „Eine Vielzahl von Weltdeutungen kann sogar dabei helfen, religiöse Lebendigkeit zu entfalten.“ Der Gottesglaube, das habe er im alten Staatssozialismus der DDR erfahren, „hat seine Überzeugungskraft in sich selbst.“

Die Diaspora bezeichnet der Erfurter Bischof nicht als Notstand der Kirche, „sondern sie ist die Grundbestimmung ihres Daseins“. Die derzeitige Situation der Verunsicherung der Christen sei „Gnadenzeit, nicht Zeit des Unheils“. Eng mit dieser Überlegung verbunden sei eine andere Einsicht: „Die Glaubensverkündigung und die Selbstdarstellung der Kirche wird einem kritischen und auswählenden, manchmal auch abwählenden Votum der Menschen gegenüberstehen.“ Das berge die Chance in sich, dass Glaubensentscheidungen nachhaltig getroffen und durchgetragen werden. „Es ist weniger an religiöser ,Dressur’ möglich. Wir leben in mancher Hinsicht religiös ehrlicher als vorangegangene Generationen“, ist Bischof Wanke überzeugt. „Kirche und Seelsorge müssen sich auf eine geistig plurale Welt einstellen, in der das Christliche nicht von vornherein üdas Selbstverständliche ist.“

Hintergrund

Bericht der Präsidentin: „Stimmung aufgreifen“

„Wir müssen die Stimmung im Bistum und auch die Stimmung in der Kirche insgesamt aufgreifen. Aber wir wollen dabei der vielbeschworenen Krise nicht das Wort reden.“ Beatrix Schlausch, die Präsidentin der Diözesanversammlung, sprach sich dafür aus, Impulse zu setzen. „Dazu braucht es manchmal Perspektivveränderung. Daher hat das Präsidium beschlossen, dass wir uns von außen anregen lassen wollen bei unserem Nachdenken über eine Pastoral der Zukunft.“ Der Bischof von Erfurt kenne schon lange die Herausforderungen eines säkularisierten Umfelds. „Trotzdem hat er die Situation der Kirche nie schlecht geredet, sondern vielmehr die Chancen der Zeit wahrzunehmen gesucht“, so Schlausch.

„Auch wir hier im Bistum spüren die Krise“, sagte Schlausch. „Dazu kommt, dass die Ankündigung von Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, die Pastoralen Räume auf Dauer zu Gemeinden zusammenzulegen, für viel Unmut und Unruhe sorgt.“

Ausdrücklich dankte sie dem Bischofsvikar für den synodalen Bereich, Dr. Günther Geis, für die „vertrauensvolle und offene Atmosphäre“ beim Austausch mit dem Präsidium der Diözesanversammlung. Mit der Kampagne „Kinderarmut bekämpfen“, die im August abgeschlossen wurde, sei erreicht worden, dass das Thema im Bistum präsenter ist, aber nicht, dass es in den Gemeinden breit behandelt worden wäre. „Dafür wäre mehr an personellen Ressourcen notwendig gewesen“, sagte Schlausch.

Eine gewisse Selbstverständlichkeit hätten inzwischen die regelmäßigen Kontakte zwischen dem Kirchensynodalvorstand der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und dem Präsidium der Diözesanversammlung. Deshalb freue sie sich sehr, dass von evangelischer Seite Präses Dr. Ulrich Oelschläger an der Sitzung der Diözesanversammlung teilnehme. In einem Grußwort an die Delegierten hatte Oelschläger ebenfalls die gute ökumenische Beziehung gewürdigt. (kai)

Stichwort

Vier Herausforderungen

„Wenn wir wissen, was wir wollen, werden wir auch lernen, wie wir das Gewollte, auch auf neuen Wegen, erreichen.“ Bischof Wanke (Foto) sieht dafür vier Herausforderungen – „für Bischöfe, Seelsorger wie Laienchristen“:

1. Abschied von Gewohntem zulassen und Veränderungen nicht als Katastrophe ansehen

2. Sich auch in Kirche und Seelsorge auf den gesellschaftlichen Pluralismus und die weiter zunehmende „Freisetzung“ des Menschen einstellen

3. Neu die Grundaufgaben von Kirche in den Blick nehmen

4. In der Ausgestaltung von Seelsorge und kirchlichem Leben eine neue Weite gewinnen

Sieben „Werke der Barmherzigkeit“ als „Anregung en zu einer Vision kirchlichen Daseins“:

  • Einem Menschen sagen:
  • „Du gehörst dazu“
  • „Ich höre dir zu“
  • „Ich rede gut über dich“
  • „Ich gehe ein Stück mit dir“
  • „Ich teile mit dir“
  • „Ich besuche dich“
  • „Ich bete für dich“ (kai)
Zur Sache

Drei Anträge

Die Delegierten haben drei Anträge verabschiedet:

  • Die Mitträgerschaft der Diözesanversammlung des Bistums Limburg im Bündnis erlassjahr. de wird wie bisher fortgeführt.
  • Die Diözesanversammlung bittet die Bistumsleitung, schriftlich darzulegen, welchen Vorteil die Großpfarreien gegenüber Pastoralen Räumen mit selbstständigen Pfarreien bietet, der die Inkaufnahme der von vielen Gemeinden befürchteten Nachteile rechtfertigt.
  • In der nächsten Sitzung im Mai 2011 wird sich die Diözesanversammlung mit dem von Erzbischof Robert Zollitsch angesprochenen Reformstau in der katholischen Kirche und mit anstehenden Problemen im Bistum Limburg beschäftigen. (kai)

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