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Erkennbar an den roten Taschen
12.06.11

Erkennbar an den roten Taschen

In Frankfurt-Ginnheim sind Kiezläuferinnen unterwegs und geben Rat

 

Ausgabe 24 vom 12. Juni 2011

Die Neun mit den roten Taschen. Neben Tina Meyer (links), Tanja Richter (Mitte) und Regina Harloff (rechts) sind sechs weitere Kiezläuferinnen in Frankfurt-Ginnheim unterwegs. Foto: Barbara Brüning

Von Barbara Brüning

Frankfurt. Neulich war Tanja Richter zusammen mit einer Freundin in der Pizzeria um die Ecke. Sie hatten wieder ihre knallrote Umhängetasche dabei. Das fällt schon auf. Ein Angestellter der Pizzeria, den Richter kennt, sprach sie darauf an. „Ich bin Kiezläuferin“, sagte die 40-Jährige. Lesen Sie, was es damit auf sich hat.

Kiezläufer seien Menschen, die in ihren Stadtteilen mit offenen Augen und Ohren unterwegs sind, erklärt Tanja Richter: Sie sprechen andere an, möchten aber auch angesprochen werden. Bei Problemen können sie helfen. Manchmal mit einem Pflaster, denn das findet sich auch in ihrer Tasche. Hin und wieder mit einer Adresse oder einer Telefonnummer, einem Flyer oder einer Broschüre – davon gibt es jede Menge in der roten Tasche. Und manchmal einfach mit Zeit zum Zuhören und dem Angebot einer Begleitung zu einer Behörde oder einer Beratungsstelle.

Es dauerte keine zwei Tage, da klopfte es an das Fenster der Erdgeschosswohnung von Tanja Richter. Es war der Angestellte der Pizzeria. Er habe da ein Problem, bei dem er allein nicht weiterkomme, gestand er ihr. Und sie konnte ihm helfen. Das ist eines der vielen positiven Erlebnisse der Kiezläuferin.

Kommunikativ und aufgeschlossen

„Ein Projekt, bei dem es einfach keine Nachteile gibt!“, strahlt Dominique Wernery, die Koordinatorin aus dem Caritas-Kinder-und Familienzentrum „Morgenstern“, bei dem die Kiezläufer und -läuferinnen aus Ginnheim eingebunden sind. Hier treffen sie sich einmal in der Woche zu einer Teamsitzung. Kindertagesstätten eignen sich hervorragend als Ausgangspunkt für das Projekt, da durch die Kinder häufig Probleme der Eltern zutage treten und umgekehrt Probleme der Eltern das Verhalten der Kinder verständlich machen. Bei den Sitzungen werden akute Fälle besprochen, aber auch Besuche und Gespräche angeregt, erklärt die kommissarische Leiterin der Einrichtung, Sandra Meyer.

Kiezläufer und -läuferinnen sind in ihrem Stadtteil eingebunden, kommunikativ und aufgeschlossen. Menschen wie Tina Meyer, die zusammen mit Regina Harloff in Ginnheim aktiv ist, sind nahezu ideal. Meyer ist 50 Jahre alt, Mutter und arbeitet morgens in der Frühbetreuung der Schule. Sie ist Taekwondo-Trainerin im Sportverein und hat einen Hund. Hundebesitzer kommen sowieso immer gerne ins Gespräch, wenn sie mit ihren vierbeinigen Freunden unterwegs sind. Ihr sind viele Kinder und auch die Eltern bekannt. Da liegt es nahe, eine Mutter einfach mal beim Einkaufen nebenbei zu fragen, wie es ihren Kindern gehe. Obwohl die Frau zuvor signalisiert hatte, trotz bestehender Probleme keine Beratung wünschte

„Kiezläuferinnen begegnen den Menschen in ihrem Stadtteil auf Augenhöhe“, erklärt Michael Heinz von der Frankfurter Caritas. „Die kommen an Menschen, die wir sonst nicht erreichen. Und ihnen werden Dinge anvertraut, die man einem ,amtlichen Sozialarbeiter‘ vielleicht eher nicht sagen würde.“ Viele Probleme können daher schon gelöst werden, bevor sie eskalieren.

Drei Monate haben sich die neuen Kiezläufer und -läuferinnen einmal in der Woche zu einer Schulung zusammen gefunden. Die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten, die sie schon mitgebracht haben, wurden hier noch einmal vertieft, bewusst gemacht und ausgebaut: Wie geht man auf Menschen zu? Wie verhält man sich in Konfliktsituationen, um nicht von einer Partei vereinnahmt zu werden? Wie hält man professionelle Distanz zu Problemen, die einem nahe gehen? Das waren nur einige der Fragestellungen. Ein Erste-Hilfe- Kurs bildete den Abschluss der Ausbildung. Seit April sind sie nun etwa fünf Stunden in der Woche auf Straßen und Plätzen in ihrem Stadtteil unterwegs. Ein kleines Honorar bekommen sie auch dafür.

Engagement für den Stadtteil

Das Vermeiden von Konflikten und Erreichen von Menschen, die sich sonst nicht in eine Hilfeeinrichtung trauen würden, ist einer der positiven Aspekte des Projekts. Langfristig verändern sich die Kiezläufer und -läuferinnen selbst bei ihrer Arbeit, hat Lisa Gerdom, eine der Projektleiterinnen, beobachtet. Manche seien am Anfang ob ihrer Verantwortung verschüchtert. Ihr Selbstbewusstsein wachse durch die Aufgabe, stellt sie fest. Und am Ende steht ein echtes Engagement für den Stadtteil. Letztendlich führe es dazu, dass die Menschen sich wohl fühlen und mit ihrer Stadt identifizieren. Dass sie hier Heimat finden und Verantwortung übernehmen, erklärt Heinz. „Und vielleicht tauchen sie irgendwann auch mal im Ortsbeirat auf und engagieren sich politisch“, fügt Lisa Gerdom hinzu.

Zur Sache

Helfen in der Nachbarschaft

Bereits seit 2004 entwickelt der Caritasverband das Kiezläufer- Projekt. Entstanden ist es in Unterliederbach im Rahmen des Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt“. Damals war das Ziel, die bereits bestehende Nachbarschaftskonfliktvermittlung durch sogenannte Kiezläufer/-innen zu ergänzen. Diese leisteten aufsuchende Kontaktarbeit im Quartier und konnten auf diese Weise Konflikte in der Nachbarschaft frühzeitig erkennen und bearbeiten. In Unterliederbach sind die Kiezläufer zu Vertrauenspersonen in ihrem Quartier geworden. Neben Unterliederbach und jetzt in Ginnheim gibt es sie auch in Höchst und im Gallus. Mindestens drei weitere Stadtteile sollen spätestens im nächsten Jahr hinzu kommen, berichtet der Leiter der Abteilung Ambulante Kinder- und Jugendhilfe der Caritas, Michael Heinz. (brü/pm)

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