Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
 Startseite -  Verlag -  Stellenangebote -  Inhalt -  Impressum -  Kontakt 
„Einfach nur glücklich“
10.01.10

„Einfach nur glücklich“

Frankfurt: Positive Ergebnisse nach Projektabschluss „Willkommenstage in der frühen Elternzeit“

 

Ausgabe 2 vom 10. Januar

Melanie Weimer leitete das Projekt „Willkommenstage in der frühen Elternzeit“. Foto: privat

Ein Baby verändert den Alltag. Zwar gibt es bei Problemen Unterstützung, aber gerade Familien mit besonderen Belastungen nutzen sie oft nicht. Mit den „Willkommenstagen in der frühen Elternzeit“ haben Katholische Familienbildung Frankfurt und Stiftung Polytechnische Gesellschaft darauf reagiert.

Leiterin dieses Projekts, das nach inzwischen zu Ende ging, ist Melanie Weimer (33). Im Interview äußert sie sich dazu.

Frage: Mit den „Willkommenstagen in der frühen Elternzeit“ haben Sie vor knapp zwei Jahren Neuland betreten. Was war neu daran?

Weimer: Neu waren die Zielgruppe, die Arbeitsweise und die hohe Flexibilität des Angebots. Zum ersten Mal haben wir uns gezielt und ausschließlich an Familien gewandt, die nicht von sich aus den Weg in die Familienbildungsstätte gefunden hätten. Anders als sonst ging der erste Schritt von uns aus. Wir haben die Familien über Fachleute wie Hebammen, Krankenschwestern oder Kinderärzte aktiv angesprochen. Nicht die Familien mussten zu uns kommen, sondern erst einmal haben wir die Familien aufgesucht. Der Schritt in die Familienbildungsstätte ist bei jeder Familie zu dem Zeitpunkt erfolgt, der für sie der richtige war – und das war sehr unterschiedlich.

„Nicht die Familien mussten zu uns kommen, sondern erst einmal haben wir die Familien aufgesucht.“
Melanie Weimer

Und Sie haben dadurch tatsächlich Eltern beziehungsweise Familien erreicht?

Ja, wir haben im Pilotdurchgang der „Willkommenstage“ elf Familien begleitet, die vorher die Katholische Familienbildung und ähnliche Anlaufstellen in Frankfurt überhaupt nicht kannten. Neun Familien sind bis zum Ende des Projekts dabei geblieben, eine Familie ist ausgestiegen, eine andere aus Frankfurt weggezogen. Ganz besonders freuen wir uns, dass der Kontakt zu den Willkommenstage-Familien auch nach Abschluss des Projekts weiter besteht. Die Familien sind gut in der Familienbildungsstätte angekommen. Viele besuchen nun eine reguläre Eltern-Kind- Gruppe, und wir sehen sie regelmäßig.

Heißt das, dass eine Familienbegleiterin die Familien auch über einen langen Zeitraum regelmäßig zu Hause besucht hat?

Anders hätten wir diese Familien gar nicht erreicht. Im Konzept der „Willkommenstage“ sind die Familienbegleiterinnen die Schlüsselpersonen. Ein ganz großer Teil der Arbeit spielt sich auf der Beziehungsebene ab. Die Familienbegleiterinnen schaffen eine Vertrauensbasis und sind verlässliche Ansprechpartnerinnen für die Familien. Anfangs, als die Babys noch ganz klein waren, haben die Familienbegleiterinnen viel an praktischer Unterstützung geleistet, ob durch Vermitteln einer Nachsorgehebamme, durch das Zeigen von Babymassage und Tragetechniken oder das gemeinsame Ausfüllen von Anträgen. Später sind die Familien zu Willkommenssamstagen und Müttercafés in die Familienbildungsstätte gekommen. Trotzdem hatten die Hausbesuche für persönliche Fragen und Anliegen bis zum Schluss eine hohe Bedeutung.

Wie haben Sie persönlich die Arbeit empfunden? Wie haben die Familien das Angebot an- und aufgenommen?

Es war sehr spannend, ein solches Projekt von der Entstehung der Idee über die Entwicklung des Konzepts bis zur Umsetzung in die Praxis zu begleiten. Ich empfand die Arbeit als ungeheuer intensiv und auf jeden Fall lohnend. Nicht nur die Familienbegleiterinnen, auch Lioba Kunz, die Projektkoordinatorin und Leiterin der Familienbildungsstätte, und ich haben sehr persönliche Beziehungen zu den Familien geknüpft. Die Rückmeldungen der Familien waren durchweg positiv. Eine Mutter hat ihrer Familienbegleiterin nach Projektende in einer Mail geschrieben: „Es klappt bis jetzt alles so gut, ich bin so froh, dass du mich damals angerufen hast und uns in das Projekt Willkommenstage aufgenommen hast! Das Wissen, was wir bekommen haben, kann uns keiner wegnehmen. Und man kann alles sehr gut umsetzen. Ich bin jetzt ein kleines Muttermonster geworden und bin einfach nur glücklich. Vielen, vielen Dank für all die schöne Zeit mit euch!!!“

Das Projekt „Willkommenstage“ wurde wissenschaftlich begleitet. Wie wurde es aus dieser Sicht abschließend beurteilt?

Im Evaluationsbericht des Sigmund-Freud-Institut heißt es, dass „das Projekt ‚Willkommenstage‘ Familien in schwierigen Lebenssituationen erreicht hat, was keineswegs selbstverständlich ist, dass alle Familien von der Teilnahme an den Willkommenstagen profitiert haben und ihre Erziehungskompetenz erweitern konnten und dass dadurch die Wahrscheinlichkeit erhöht wurde, dass sich ihre Kinder adäquat entwickeln und vermehrt eine sichere Bindung aufbauen können“. Oder um Professor Dr. Gerald Hüther zu zitieren: „Man kann Menschen nicht dazu bringen, ihre Einstellungen und Haltungen zu verändern, indem man sie belehrt, aufklärt oder ihnen gute Ratschläge erteilt. Es geht nur, indem man sie einlädt, ermutigt und wenn möglich sogar inspiriert, eine neue, andere, bessere Erfahrung machen zu wollen. Das ist das Konzept der ‚Willkommenstage‘. Es hat funktioniert.“ Natürlich hat das Evaluationsteam auch Verbesserungspotenziale aufgezeigt, zum Beispiel in Bezug auf ein noch intensiveres Einbeziehen der Väter, was wir im nächsten Durchgang auf jeden Fall aufgreifen werden.

Sie haben das Projekt zusammen mit der Stiftung Polytechnische Gesellschaft initiiert und durchgeführt. Hat diese Stiftung das Vorhaben „nur“ finanziell unterstützt?

Nein, die „Willkommenstage“ waren und sind ein echtes Kooperationsprojekt, zu dem die Stiftung Polytechnische Gesellschaft weit mehr als die finanzielle Ausstattung beigesteuert hat. Wir haben uns zu vielen Planungsgesprächen getroffen und sind den ganzen Weg mit allen Höhen und Tiefen, mit denen ein Pilotprojekt verbunden ist, gemeinsam gegangen. Die Stiftung hat uns großes Interesse und eine hohe Wertschätzung unserer fachlichen Arbeit entgegengebracht. Besonders erfreulich ist für uns, dass die Stiftung durch die „Willkommenstage“ eine einflussreiche Fürsprecherin für die gesamte Familienbildung geworden ist.

Wie geht es nun weiter? Legen die „Willkommenstage“ den Projektstatus ab und werden zu einem Dauerangebot?

Das ist das langfristige Ziel. Da die Willkommenstage kein Angebot von der Stange sind und der Erfolg von vielen Faktoren abhängt, kann die Ausweitung bei gleichbleibender Qualität jedoch nur Schritt für Schritt erfolgen. Im kommenden Jahr wird es daher zunächst die Ausweitung auf einen weiteren Standort geben. Neben einem zweiten Durchgang in der Katholischen Familienbildung werden die Willkommenstage zeitlich versetzt auch im Internationalen Familienzentrum im Frankfurter Ostend implementiert. Die Stiftung Polytechnische Gesellschaft unterstützt die „Willkommenstage“ weiter. Erfreulicherweise hat darüber hinaus die Stadt Frankfurt eine Mitfinanzierung zugesagt. Dem Ziel, die „Willkommenstage“ zu einem Regelangebot zu machen, sind wir damit bereits einen großen Schritt näher.

Interview: Bernhard Perrefort

Auskunft: Katholische Familienbildung, Tituscorso 28, 60439 Frankfurt, Telefon 069/570919, www.kath.fbs.frankfurt

ZUR SACHE

Drei Säulen

Das seit 2008 in der Frankfurter Nordweststadt erprobte Modell „Willkommenstage in der frühen Elternzeit“ wollte Mütter und Väter in einer schwierigen Lebenssituation erreichen, die sonst meistens keine Hilfsangebote annehmen. Das Programm ist freiwillig und vorbeugend ausgerichtet. Es basiert auf drei Säulen: zum Aufbau von Beziehungen die Hausbesuche der Familienbegleiterinnen, zur Vermittlung von Informationen die drei Willkommenssamstage und zur Vernetzung die 14-tägigen Müttercafés. Das Projekt ist eine Kooperation der Familienbildung Frankfurt und der Polytechnischen Gesellschaft. Diese möchte Frankfurt zu einer modernen bürgernahen Stadtgesellschaft entwickeln. Zu ihren Kernzielen zählen dabei unter anderem „vorbildliche medizinische, soziale und sozialpflegerische Einrichtungen“. (bp)

Ihr Draht zu uns

Redaktion Limburg

Frankfurter Straße 9
65549 Limburg
Tel. 06431 / 9113-34
Fax 06431 / 9113-37
Mail: h-kaiser@kirchenzeitung.de

Redaktion Frankfurt

Domplatz 3 (Haus am Dom)
60311 Frankfurt
Tel. 069 / 8008718-260
Fax 069 / 8008718-261
Mail: b-perrefort@kirchenzeitung.de

Abonnenten

Tel. 06431 / 9113-24
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: vertrieb@kirchenzeitung.de

Anzeigen

Tel. 06431 / 9113-22
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: anzeigen@kirchenzeitung.de