Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
 Startseite -  Verlag -  Stellenangebote -  Inhalt -  Impressum -  Kontakt 
20000 arme Kinder in Frankfurt
07.02.10

20000 arme Kinder in Frankfurt

Diskussion im Haus am Dom: „Ihr redet über unsere Chancen“

 

Ausgabe 6 vom 7. Februar

Repro: KiZ

Von Barbara Brüning

Die „Sozialpolitische Offensive“ und der „Frankfurter Jugendring“ hatten Journalisten und Vertreter von Verbänden zu Diskussion, Analyse und Entwicklung von Zukunftsperspektiven ins Haus am Dom eingeladen. Ziel war eine Sensibilisierung für das Thema Armut.

Die Veranstaltung mit mehreren Hundert Besuchern fand auch im Zusammenhang mit der Projektwoche „Kinderarmut in Frankfurt“ und der Bistumskampagne „Kinderarmut“ statt. Und die Zahlen sind alarmierend: Etwa 20000 Kinder in Frankfurt sind arm. Das ist fast ein Viertel. In einigen Stadtteilen ist sogar jedes dritte Kind betroffen. Es sind Kinder, deren Eltern Leistungen nach Hartz IV beziehen. Etwa drei Euro pro Tag stehen ihnen für die Ernährung eines Kindes zwischen sechs und 14 Jahren zur Verfügung. Stefanie Weygandt, Elternbeirätin an einer Frankfurter Schule, hat das ausgerechnet. Da wundert es nicht, dass manche Kinder am Montag hungrig zur Schule kommen, weil es am Wochenende nicht genug zu essen gab. Jürgen Richter, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt Frankfurt, hat das in seinen Einrichtungen beobachtet.

Trotz Lehrmittelfreiheit in Hessen sei Schule nicht kostenlos, berichtet Weygandt. Das fange am Beginn des Schuljahres mit langen Listen an, auf denen steht, was die Schüler für das nächste Schuljahr brauchen: Wachsmalstifte, bitte Markenware. Und gehe weiter mit Ausflügen und Klassenfahrten. Hier mal fünf Euro für einen Theaterbesuch, und bitte von allen zehn Euro in die Klassenkasse. Für Eltern, die Arbeitslosengeld II bekommen, sei das viel. Oft können sie es nicht bezahlen.

Ein verborgenes Phänomen

Armut ist ein verborgenes Phänomen. Susanne Käser leitet die Caritas-Kindertagesstätte „Engelsruhe“ in Unterliederbach und weiß, wovon sie spricht. „Es genügt nicht, auf äußere Hinweise zu achten, denn Familien versuchen das zu vertuschen.“ Armut zeige sich daran, dass Kinder nicht zu Geburtstagen gehen, zu denen sie eingeladen werden, dass sie nicht mit ihren Freunden in den Sportverein oder zum Schwimmen gehen. Und an Ausflügen nicht teilnehmen. Das führe direkt in die Isolation, berichtet die Pädagogin.

Das alles sind keine guten Voraussetzungen, um später einmal selbst der Armut zu entgehen. Denn soziale Netzwerke, Freunde und Kontakte sind wichtig. Und ein Wissen um die eigenen Fähigkeiten. Deshalb fordert Hartmut Fritz, der Direktor des Caritasverbandes Frankfurt, „einen völlig anderen Blick“: Man dürfe Arme nicht immer nur als Problemträger sehen, die der Stadt zur Last fallen – auch arme Kinder haben Stärken, die es zu fördern gelte.

Natürlich solle man das Übel bei der Wurzel fassen, betonte Harald Fiedler vom Deutschen Gewerkschaftsbund Rhein-Main. Kinderarmut sei Elternarmut, und Elternarmut sei oft Einkommensarmut. Mindestlöhne, Sicherung der Arbeitsplätze müssten demnach vorrangige Bedeutung in der Politik haben.

Chancen der Stadtgesellschaft

Wie aber kann man Kinder aus der Isolation herausholen? Ganztagsschulen – personell wie materiell gut ausgestattet, darin waren sich alle einig, wären ein erster Schritt. Kostenloses Schulessen für alle, damit die Kinder, die kein Geld für Essen bekommen, nicht anders behandelt werden müssen als andere. Kostenlose Mitgliedschaft in Sportvereinen und eine allgemeine Kindergrundsicherung waren weitere Forderungen.

Aber woher soll das Geld kommen, wie kann man wirklich etwas verändern? Der Blick richtete sich auf die Medien: Sie sollen den Blick für das sich verbergende Elend schärfen, aber auch für dessen Ursachen. Sinkende Löhne, prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Angst, die sich breit macht. Auch für die Ressourcen, die verschenkt werden, weil viele begabte Jugendliche resignieren. Es müsse mehr Bewusstsein für die gemeinsame Verantwortung geschaffen werden, betonte Fritz.

„Ihr redet über unsere Chancen“ war der Titel der Veranstaltung. Aber es gehe auch um die Chancen der Stadtgesellschaft, wurde seitens der Presse betont. Es müsse in der Breite diskutiert werden, zum Beispiel mit den Personalchefs der Unternehmen. In der Stadt der Mäzene und Stifter müsse es Geld für Kinder-Belange geben.

An Ideen, Interesse und Sensibilität mangelte es an diesem Abend nicht. Und die Besucher wurden gebeten, über konkrete Handlungsschritte nachzudenken.

Zur Sache

Kampagne

Jedes sechste Kind in Deutschland ist von Armut betroffen. Dagegen setzt das Bistum Limburg seit dem letzten Jahr ein Zeichen. Unter dem Leitwort „Kinderarmut bekämpfen“ hat die Diözese eine Kampagne initiiert und will die Öffentlichkeit für das Thema Kinderarmut sensibilisieren. Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst hofft dabei auf die Beteiligung vieler Pfarrgemeinden, „die ein Zeichen der Solidarität setzen und viele kreative Ideen entwickeln, um Kinderarmut zu verringern“. (ids)

www.kinderarmutbekaempfen.de

Hintergrund

Gerechtigkeit

Die Sozialpolitische Offensive Frankfurt ist ein Zusammenschluss der christlichen Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände und Träger von sozialen Einrichtungen. Sie setzt sich unter anderem für Solidarität, Gerechtigkeit und Gestaltung des Gemeinwesens ein. (bp)

Infos: Telefon 069/8008718405; E-Mail: b.schindlerbaecker@ bistum-limburg.de

Information über „Kinder- und Jugendarmut in Frankfurt“ gibt es in einer Broschüre des Frankfurter Jugendrings. (bb) Telefon 069/56000110.

Ihr Draht zu uns

Redaktion Limburg

Frankfurter Straße 9
65549 Limburg
Tel. 06431 / 9113-34
Fax 06431 / 9113-37
Mail: h-kaiser@kirchenzeitung.de

Redaktion Frankfurt

Domplatz 3 (Haus am Dom)
60311 Frankfurt
Tel. 069 / 8008718-260
Fax 069 / 8008718-261
Mail: b-perrefort@kirchenzeitung.de

Abonnenten

Tel. 06431 / 9113-24
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: vertrieb@kirchenzeitung.de

Anzeigen

Tel. 06431 / 9113-22
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: anzeigen@kirchenzeitung.de