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Gewaltlos statt hilflos
25.07.10

Gewaltlos statt hilflos

Michael Scheuer leitet die Jugendhilfe Marienhausen – Sein Konzept: „Pädagogische Präsenz“

 

Ausgabe 30/31 vom 25. Juli

„Jugendarbeit geht nicht ohne Elternarbeit“, davon ist Michael Scheuer überzeugt. Der Diplom-Sozialpädagoge leitet die Jugendhilfe Marienhausen. Foto: Christa Kaddar

Von Christa Kaddar

Rüdesheim-Aulhausen. Seit Michael Scheuer als 19-Jähriger seinen Zivildienst im Kinder- und Jugendheim Marienhausen ableistete, hat diese Aufgabe ihn nicht mehr losgelassen. Inzwischen kann der 52-Jährige Leiter der Einrichtung sich nicht mehr vorstellen, aus Marienhausen wegzugehen.

Nach einer Ausbildung zum Jugend- und Heimerzieher, die er in Saarbrücken absolvierte, kehrte Michael Scheuer 1984 nach Marienhausen zurück. Parallel zu seiner Arbeit absolvierte er ein Studium, das er 1991 als Diplom- Sozialpädagoge abschloss.

Seit 1992 ist Scheuer Einrichtungsleiter. Gerade ein Jahr davor hatten die Salesianer nach sieben Jahrzehnten die Trägerschaft an die Stiftung St. Vincenzstift Aulhausen und die Rettungsanstalt zum Heiligen Joseph übergeben. In den Folgejahren wurde die ausschließlich stationäre Heimerziehung um teilstationäre und ambulante Betreuung und Begleitung der Kinder erweitert, was Ende 2006 auch die Namensänderung in „Jugendhilfe Marienhausen“ mit sich brachte.

Als Michael Scheuer die Leitung übernahm, wurden 35 Kinder in Marienhausen sozialpädagogisch betreut. Heute sind es 77 Kinder und Jugendliche, aber nur noch 18 sind in der Einrichtung untergebracht. 59 leben in Außenwohngruppen, darunter zwei Tagesgruppen mit je neun Kindern und Wohngemeinschaften mit älteren Jugendlichen.

Auf Dominanz und Strafen verzichten

„Ich kann mir nicht vorstellen, hier noch einmal wegzugehen“, sagt Michael Scheuer, „auch wenn es nicht einfach ist, mit Missbrauch und Vernachlässigung umzugehen, die die uns anvertrauten Kinder häufig durchlebt haben. Aber wir haben ein pädagogisches Konzept, das uns hilft und uns die Bewältigung dieser Aufgabe leichter macht. Es ist die von Haim Omer und Arist von Schlippe begründete ‚Pädagogische Präsenz’, ein System aus der Elternarbeit.“ Sozialpädagogen und Erzieher werden so geschult, dass sie Provokationen von Kindern und Jugendlichen gewaltfrei begegnen und auf Dominanz und Strafen verzichten.

Die Herausforderungen für Michael Scheuer und sein Team sind enorm. Sie haben es zu tun mit Kindern und Jugendlichen, die geprägt sind durch Erziehungsmängel, soziale Defizite, Trennungs- und Gewalterfahrungen, körperliche und seelische Vernachlässigung. Das Betreuungsteam wird konfrontiert mit aggressivem Verhalten und Unmotiviertheit. Die Kinder sind über das Jugendamt zugewiesen worden. „Manchmal bitten Kinder und Jugendliche selbst das Jugendamt um Hilfe, manchmal sind es die Eltern, oft sind es die Schulen oder die Kindertagesstätten. Die zunehmende Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Armut, kombiniert mit mangelnder Bildung, führen dazu, dass immer mehr Eltern nicht richtig für ihre Kinder sorgen können“, hat Michael Scheuer festgestellt. „Ich sehe es aber nicht so, dass Eltern ihre Kinder aus wirtschaftlichen Gründen abschieben.“

Die Kinder kommen aus einem Umkreis bis zu 150 Kilometern. Alle zwei bis vier Wochen besuchen sie ihre Eltern. „Es ist ein ungesundes Umfeld, in das die Kinder hineingehen, um den Kontakt zu halten, aber den Eltern fehlen oft die Möglichkeiten, um die Fahrt auf sich zu nehmen.“ Dem Kontakt zwischen Eltern und Kindern wird hohe Bedeutung zugemessen. „Jugendarbeit geht heute nicht ohne Elternarbeit“, betont Michael Scheuer. Da es Ziel der sozialpädagogischen Arbeit ist, Kinder wieder in ihre Herkunftsfamilien zu integrieren, werden Mütter und Väter so weit wie möglich in das Erziehungssystem einbezogen.

Ermutigen, das Leben in die Hand zu nehmen

Auch Dr. Caspar Söling, Direktor des St. Vincenzstifts, sieht in der Kombination von wirtschaftlicher Armut und Bildungsarmut eine der wesentlichen Ursachen für Probleme in der Erziehung. „Für solche Familien müsste es Familienbildung geben“, sagt er. „Die heutigen kirchlichen Familienbildungsstätten haben ihren Ursprung in diesen Problemen.“ Mit Sorge betrachtet er die Instrumentalisierung von Kindern durch überzogenen Leistungsdruck und eine verstärkte Selektion. „Früher war ein Schüler mit Hauptschulabschluss stolz, heute ist er deprimiert.“

„Es geht darum, die jungen Menschen zu ermutigen, das Leben in die Hand zu nehmen“, sagt Michael Scheuer. Das tun er und sein Team Tag für Tag, und sie freuen sich über jeden kleinen Schritt in Richtung eigenständiges Leben, den die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen machen.

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