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Angst in Neugier verwandeln
18.07.10

Angst in Neugier verwandeln

Pilotprojekt „Bereitschaft zur Bewegung“ hat die religiöse Landschaft im Raum Dillenburg verändert

 

Ausgabe 29 vom 18. Juli

Begeistert von den Initiativen, die durch „Bereitschaft zur Bewegung“ in der Diaspora in Gang gekommen sind: Sven Haber ist überzeugt: „Es hat sich wirklich was verändert.“ Foto: Eva Baumann-Lerch

Von Eva Baumann-Lerch

Haiger. Schnellen Schrittes sprintet Sven Haber die Treppe zum Pfarrheim hinauf. Er kommt gerade von seiner Arbeit als Chemiker. Jetzt hat er einen Termin mit der Kirchenzeitung. Danach trifft er sich mit anderen aus dem Pastoralen Raum Dillenburg, um eine ökumenische Wallfahrt vorzubereiten.

Ein Programm bis in den späten Abend. Sven Haber aus Haiger ist einer von denen, die das Pilotprojekt „Bereitschaft zur Bewegung“ im Pastoralen Raum Dillenburg geleitet haben. Mit der ökumenischen Wallfahrt wird das einjährige Pilotprojekt jetzt abgeschlossen.

Die „Bereitschaft zur Bewegung“ ist ihm auch persönlich anzumerken: Der 39-Jährige vibriert vor Ideen, er ist begeistert von all den Initiativen, die ausgerechnet hier – in der tiefen Diaspora am nördlichsten Zipfel des Bistums – die religiöse Landschaft verändert haben.

„Wir wollten Angst in Neugier verwandeln“, erzählt der jugendliche Mann in Jeans und T-Shirt vom Beginn des Pilotprojekts. „Es war eine Zeit, zu der wir nicht wussten, wie es mit unserer Kirche hier weitergehen soll. Pfarrer Pablo Peláez hatte die Gemeinde verlassen, es sollte keinen Nachfolger für ihn in Haiger mehr geben. Seit über 100 Jahren stand unsere Gemeinde zum ersten Mal vor der Situation, keinen eigenen Pfarrer zu haben.“

Katholiken sind eine Minderheit

Dabei ist dieser Raum besonders schwierig: Am Dreiländereck von Rheinland-Pfalz, Nordrhein- Westfalen und Hessen sind Katholiken nur eine Minderheit unter den vielen Freikirchen. „Es gibt hier etwa 100 verschiedene Glaubensgemeinschaften, unter denen die Katholiken nur eine sind“, erläutert Haber.

Was dann passierte, ist beispielhaft: Die vier Gemeinden des Pastoralen Raums Dillenburg erklärten sich bereit, am Pilotprojekt „Bereitschaft zur Bewegung“ des Bistums teilzunehmen. Die katholischen Gemeinden aus Haiger, Fellerdilln, Dillenburg und Eschenburg-Diethölztal, die insgesamt neun Kirchen betreuen, arbeiteten nun zusammen und experimentierten mit neuen Gebets- und Aktionsformen.

Das Kirchturmdenken wurde zurückgestellt, die Katholiken aus den verschiedenen Gemeinden lernten sich kennen, gründeten Glaubenstreffs und starteten gemeinsame Initiativen (siehe „zur Sache“).

Eine Kirche voller junger Leute

„Der absolute Knaller“, sagt Haber, „war aber die You!gendkirche’. Es ist uns tatsächlich gelungen, die schwierige Altersgruppe der Teenager in ihrer Sprache, ihrer Musik und ihren Medien anzusprechen.“ Dreimal war die Kirche voller junger Leute, man erkannte sie kaum wieder, weil sie mit Lightshows und Beamer in ein anderes Licht getaucht war. „Jedes Mal dachten wir, dass dies der Höhepunkt sei. Aber beim nächsten Mal kamen dann noch ein paar mehr.“ Dass dies gelungen ist, führt Haber auf die Arbeit der Jugendlichen aus mehreren Gemeinden zurück, und auf ihre besonderen Werbegags: „Die haben in den Schulen Eintrittskarten für die Gottesdienste verteilt. An jeder Karte war ein Gutscheinabschnitt für je eine Tüte Popcorn. Die gab es dann nach dem Gottesdienst im Gemeindehaus.“

Sogar zum „Willow-Creek-Kongress“ haben sie sich getraut. Eine kleine Delegation aus dem Pastoralen Raum Dillenburg besuchte das große Christentreffen in Karlsruhe, das von einer aus Amerika stammenden Großkirche gestaltet und vor allem von freikirchlichen Christen besucht wurde. Hier, in diesem ganz anderen Rahmen, informierte sich die Delegation über Möglichkeiten der Gemeindeentwicklung. „Wir waren da absolut in der Minderheit“, erinnert sich Haber fröhlich.

Es geht um Menschen, nicht um Strukturen

„Außer uns waren da unter Hunderten von Gemeinden höchstens noch zwei katholische. Aber wir haben was dazu gelernt: Nämlich, dass es weniger um Strukturen, als um Menschen geht.“ Nur da, wo die Gemeinden begeisterte, charismatische Menschen habe, erfuhr er bei diesem Kongress, werde eine Gemeinde wachsen und sich weiter entwickeln können. „Die besten Konzepte bringen nichts, wenn da keine Menschen sind, die davon begeistert sind und andere mitreißen.“

Er selbst ist dafür ein gutes Beispiel. Bereits als kleiner Junge war Sven Haber in der Gemeinde Maria Himmelfahrt in Haiger als Messdiener aktiv. Auch als Jugendlicher hat er „das ganze katholische Programm“ mitgemacht und fühlte sich in der Pfarrei geborgen. Seine Frau Jana Fuhr-Haber lernte er in der katholischen Jugendarbeit kennen, inzwischen ist sie Pfarrgemeinderatsvorsitzende in der Nachbargemeinde Fellerdilln.

Auch nach seinem Studium und drei Jahren Berufstätigkeit in Franken zog es Sven Haber nach Haiger und in die Gemeinde zurück. „Jetzt will ich etwas von dem zurückgeben, was ich hier als Kind bekommen habe“, sagt er.

Das Pilotprojekt war eine besondere Zeit im Leben dieser Gemeinde – und er selbst hat sich mit ganzer Kraft hinein gegeben. „Es war anstrengend“, sagt er. „Aber es hat sich wirklich was verändert.“

Zur Sache

Das Pilotprojekt in Dillenburg

Teilprojekt Gottesdienst

  • Gebetsgemeinschaften: Um das Gebet der Christen zu beleben, trafen sich die Vertreter aller Gemeindegruppen der vier Pfarreien zum Austausch. Gemeindegruppen sollen so auch Gebetsgemeinschaft sein.
  • Junge Kirche: Drei Gottesdienste wurden als „YOU!gendkirche“ mit jugendgemäßer Werbung, mit Bands, Lightshows und Beamer gestaltet. Den ersten Gottesdienst hat Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst gefeiert. Die Kirche war immer voll.
  • Pfingstnovene: Von Christi Himmelfahrt bis Pfingsten fand an jedem Abend ein Gottesdienst in einer der neun Kirchen des Pastoralen Raumes statt, beispielsweise eine Vesper „für die Kirche zwischen Resignation und Aufbruch“ oder eine Marienandacht „für Menschen am Rande der Gesellschaft“.

Teilprojekt Glaube

  • „talk am kirchturm“ hießen die Gesprächsabende zu „heißen“ Themen wie Scheidung, Kirchenaustritt oder sexuellen Missbrauch („Kann man euch noch glauben?“) Es kamen viele, die sonst nicht in die Kirche gehen.
  • Glaubenstreffs: Gruppen von sechs bis acht Frauen und Männern, die gemeinsam in der Bibel lesen, beten und füreinander da sind. Diese Form der christlichen Praxis wurde von „Hauskreisen“ in die katholische Praxis übertragen, im Pastoralen Raum wurden sechs Gruppen gegründet.
  • Teilprojekt Caritas

    • Vier Arbeitskreise nahmen Kontakt mit dem Altenheim „Haus Elisabeth“ auf, um den Kontakt zwischen den Bewohnern und den anderen Einwohnern zu beleben. In diesem Zusammenhang wurden auch Fortbildungen für Mitarbeiter und ein Ausbildungskurs in Sterbebegleitung angeboten.

    Teilprojekt Ökumene

    • Ehepaare aus konfessionsverbindenden Ehen wurden zu einem ökumenischen Podiumsgespräch, einer Tauferinnerungsfeier und einem „Candlelight Dinner“ in den Pfarrsaal eingeladen.
    • Der „Missionsweg Nord-Nassau“, der auch durch den Raum Dillenburg führt, wurde an einem Samstag zum ökumenischen Pilgerweg von Christen unterschiedlicher Konfession.

    Teilprojekt Charismen

    • „Wir wollen nicht zuerst fragen: Wen finden wir für diese oder jene Aufgabe? Sondern zuerst sehen: Jede und Jeder ist von Gott erwählt, hat seine besonderen Begabungen und Fähigkeiten, und damit auch seine Sendung erhalten.“ Um eine neue Sichtweise auf die Charismen der Gemeinde zu erhalten, wurden Erkundungsfahrten zum Willow- Creek-Kongress und in eine katholische Pfarrei in Hannover unternommen. (ebl)

    Informationen: www.bereitschaftzurbewegung.de, www. pastoraler-raum-dillenburg.de

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