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Nicht vom Staat abhängig sein
16.01.11

Nicht vom Staat abhängig sein

Fotoausstellung von Ein-Euro-Jobbern in der Arge in Limburg

 

Ausgabe 3 vom 16. Januar 2011

Im „Anziehpunkt“ günstig einkaufen, Kontakte knüpfen oder gar selbst Geld verdienen. Das zeigen die Schwarz-Weiß-Aufnahmen der Ein-Euro-Jobber. Foto: Volker Thies

Von Volker Thies

Der Ein-Euro-Job gilt als Symbol der ungeliebten „Hartz IV“-Sozialreformen. Gewerkschaften kritisieren, dass Ein-Euro-Jobber Festangestellte verdrängten. Der Bundesrechnungshof bemängelt, dass nur sehr wenige Menschen so auf den regulären Arbeitsmarkt zurückfänden.

Ein-Euro-Jobber können etwas. Sie übernehmen eine wichtige Arbeit, und sie kommen zugleich persönlich voran: Das ist die Botschaft der Fotoausstellung, die Ein-Euro-Jobber aus den Anziehpunkten in Limburg und Weilburg, Betreuer der Caritas und Verwaltungs-Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft Limburg-Weilburg gemeinsam gestaltet haben. Entstanden sind großformatige Bilder, die einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen. Gezeigt werden die 13 Schwarz-Weiß-Fotos bis zum 25. Januar in der Arge Limburg-Weilburg, Cahenslystraße 2 in Limburg. Im Verlauf des Jahres sollen die Fotos an weiteren Orten ausgestellt werden.

Michael Friedrich hört den Begriff „Ein-Euro-Job“ überhaupt nicht gern. „Das klingt abwertend“, sagt er. Aber in der Sache steht der Diplom-Sozialarbeiter hinter der „Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung“, wie die offizielle Bezeichnung im Beamtendeutsch lautet. Friedrich leitet die „Anziehpunkte“ in Limburg und Weilburg. Dahinter verbirgt sich ein Projekt des Caritasverbands für den Bezirk Limburg, das Sozialhilfeempfängern das Kaufen preiswerter Second-Hand-Kleidung ermöglicht. Es stellt zugleich eine niedrigschwellige Anlaufstelle für die Hilfsangebote der Caritas dar. Zudem sollen die Anziehpunkte einigen Menschen den Weg zurück in den Arbeitsmarkt ebnen: den Verkäuferinnen und Verkäufern, die auf Basis der „Arbeitsgelegenheit“ in den beiden Läden arbeiten.

Wer arbeitet, wird auch gegrüßt

„Arbeit ist mehr als Geldverdienen. Arbeit bedeutet, Wertschätzung zu erfahren und wieder an der Gesellschaft teilzunehmen“, beschreibt Friedrich das, was für ihn bei seinem Projekt und den anderen Ein-Euro-Jobs im Mittelpunkt steht. „Man merkt das an den Nachbarn. Die haben sich früher nicht viel mit mir unterhalten. Seit sie wissen, dass ich Arbeit habe, grüßen die freundlich und erkundigen sich, was ich mache und wie es mir geht“, sagt Lili-Elisabeth, die zum Team des Limburger Anziehpunkts gehört. „Viele kriegen hier die Kraft zum Absprung von allen möglichen Problemen“, so ihre Kollegin Conny. „Man wird gebraucht, und auch das Entgelt ist ein kleiner Schritt in die Eigenständigkeit. Ich habe nicht mehr das Gefühl, dem Staat auf der Tasche zu liegen und von Behörden abhängig zu sein“, ergänzt Andrea.

Deshalb hält Friedrich die Ein-Euro-Jobs trotz aller Kritik für richtig. Daran ändert für ihn auch der heute beschworene Wirtschaftsaufschwung nichts.„Dieser Aufschwung geht an unserer Zielgruppe vorbei. Das sind ältere Menschen oder Leute mit niedriger Qualifikation. Das kann beispielsweise schon ein Migrationshintergrund oder auch nur eine Adresse in einem falschen Stadtteil sein“, sagt Friedrich. Allerdings ist nicht jede Arbeitsgelegenheit wie die andere. Friedrich kommt es darauf an, wie die Einrichtungen mit ihren Mitarbeitern umgehen. „Das soll nicht nur eine Beschäftigung sein. Es geht vor allem darum, die Menschen aufzubauen, ihnen Hilfen und Tipps zu bieten“, betont der Sozialarbeiter.

Conny, für die der Anziehpunkt der dritte ihrer jeweils auf acht Monate befristeten Ein-Euro-Jobs ist, kann das bestätigen: „Hier kann ich über Probleme sprechen, die nichts mit der Arbeit zu tun haben. Vorher wäre ich damit nie zu meinem Chef gegangen.“

Es geht mit weniger Mitarbeitern weiter

Trotzdem ist Michael Friedrich nicht ganz und gar zufrieden mit den derzeitigen Strukturen. „Man muss sich grundsätzlich Gedanken über einen zweiten oder dritten Arbeitsmarkt machen, mit Angeboten, die auf Dauer ausgelegt sind“, fordert er. Ob der dann ähnlich wie die Ein-Euro-Jobs organisiert wird, ob Ideen wie Grundsicherung oder Bürgergeld einfließen, das seien Details. Neben der Befristung der Arbeitsgelegenheiten ist für Friedrich auch die ständige Abhängigkeit von öffentlichen Zuschüssen ein Problem. Bis in den Dezember hinein wusste er nicht, ob die Anziehpunkte 2011 weiter existieren würden. Inzwischen ist das zwar geklärt. Doch statt zwölf werden nur noch sechs Mitarbeiter weiter beschäftigt sein, weil eine Förderung aus dem Europäischen Sozialfonds ausläuft.

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