Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
 Startseite -  Verlag -  Stellenangebote -  Inhalt -  Impressum -  Kontakt 
Kinder brauchen Beziehung
13.02.11

Kinder brauchen Beziehung

Wie das aussieht erläutert der Grundschullehrer Michael Wüst

 

Ausgabe 7 vom 13. Februar 2011

Er steht für Beziehungen: Schulhund Theo glättet die Wogen wenn es mal hoch her geht. Foto: Gertrud Fritz

Am Don-Bosco-Tag ging es um Erkenntnisse der Hirnforschung, der Entwicklungspsychologie und Bildungsforschung. Eine wertfreie Erziehung gibt es laut Professor Armin Krenz nicht. „Der Sonntag“ sprach mit dem Grundschullehrer Michael Wüst über Konsequenzen in der Erziehung.

Frage: Es hört sich so einfach an. Wenn Kinder Beziehungen aufbauen können, sind die Grundlagen für eine gute Entwicklung gegeben. Laut Professor Krenz stehen die Entwicklung von Selbstständigkeit, ein Selbstkonzept und eine positive Grundhaltung in unmittelbarem Zusammenhang. Ist das so pauschal richtig?

Wüst: Ja! Die Kinder, die ich erlebe, zeigen mehr positive Verhaltensweisen, nachdem ich oder andere Erwachsene ihnen Anerkennung geschenkt haben. Viel zu wenig ist man sich dessen bewusst, denn die wenigsten Kinder lernen bereits für sich selbst.

Bildung durch Bindung. Diese Aussage machte Krenz in seinem Vortrag. Was bedeutet das für die Arbeit in der Schule? Welche Möglichkeiten, welches Potenzial ist vorhanden?

Bedeutet das nicht, dass Kinder größere Lernerfolge erzielen, wenn es ihren Eltern gut geht? In erster Linie sind sie die besten und wichtigsten Beziehungspartner. Die Schule sollte sich also unbedingt weiter um deren Bedürfnisse bemühen. Pädagogische Beziehungen spielen in meinen Augen dann eine große Rolle, wenn die familiären Möglichkeiten für positive Beziehungen nicht genutzt werden (können). Ein Beispiel: Ein Erstklässler kam während einer Schulversammlung in den Konflikt mit einer Kollegin. Die Situation eskalierte sofort, als der Junge bemerkte, dass die gesamte Schule sein Verhalten mitbekam. Er schämte sich. Seine Wut kochte noch mehr in ihm hoch. Keiner hätte den Jungen besänftigen können, da ihn die Erwachsenen in seinen Augen bloßgestellt hatten. Als die Konrektorin mit Schulhund „Theo“ auf ihn zueilte, war sofort eine Veränderung zu spüren. Der Schüler umschlang weinend den Körper unseres positiv besetzten Seelenretters. Er konnte zunächst noch schluchzend aber zusehends aufmerksam an der Schulversammlung teilnehmen. Bildung durch Bindung.

In seinem Vortrag macht Professor Krenz die provozierende Aussage, dass Beziehungen die Bildungsprogramme der Kitas überflüssig machen. Was ist davon zu halten?

Ich bin wirklich sehr froh über die liebevolle Arbeit der Erzieherinnen. aus diesem Grund will ich die mir bekannten Kitas daher überhaupt nicht provozieren. Vielleicht haben aber die weiterführenden Schulen Konzepte und Programme, die sie über Bord werfen könnten, damit Kapazitäten für Beziehungen im Schulalltag frei werden. Liebevolle Menschen und Lehrer gibt es dort ja viele… Professor Krenz spricht aber sicherlich aus Erfahrung. Daher würde ich die These gerne an die Verantwortlichen weitergeben, die Programme erfinden und vorschreiben und umsetzen wollen.

Krenz lobt die Bildungsrichtlinien von Mecklenburg-Vorpommern, in dem ausdrücklich für den Kindergarten eine „fehlerfreundliche“ Atmosphäre als Grundsatz formuliert wurde. Wie kann man das auf Schule übertragen?

Es ist sehr gut, daran erinnert zu werden, dass der Unterricht von den Fehlern der Schüler und Lehrer (!) lebt. Die Aufgabe des Lehrers ist es, auf Fehler so aufmerksam zu machen, dass man mit Schwächen umgehen kann. Die Qualität von Schule erkennt man also am Umgang mit Fehlern und mit Stärken.

Unter anderem bemängelt Krenz, dass vor einigen Jahren Kinder im Alter von zehn Jahren noch einen Wortschatz von 10000 Wörtern hatten, der aber inzwischen auf 6000 gesunken sei. Wie kann man dieser Entwicklung gegensteuern?

Nach diesem Don Bosco-Tag könnte ich antworten: Indem den Kindern wieder mehr Märchen nahegebracht werden. Denn ich stimme Krenz zu, wenn er eine Flut von Programmen und Konzepten anmahnt, deren angebliche Verbesserungen nicht so recht spürbar sind. Das Erzählen von Märchen kann nachweislich innere Bilder wecken, die gedachten Worten gleichkommen. Das motiviert zum Nacherzählen. Somit kann die Sprachförderung zugleich auch noch zur Beziehungsförderung werden. Zumal Märchen seelische Grundbedürfnisse ansprechen. Ein weiterer Aspekt neben den Märchen sind die positiven Auswirkungen von Musik und Bewegung!

Eine wichtige Aufgabe bei der Bewältigung der Bildungsaufgaben beziehungsweise Beziehungsentwicklung hat der Religionsunterricht. Was kann er dazu beitragen?

Neben den anderen Schulfächern, die alle Beziehungs- und Bindungsaufgaben zu leisten haben, kommt dem Religionsunterricht eben die ganz besondere Aufgabe zu, mit den Kindern eine Beziehung zu Gott aufzubauen. Dies kann geschehen, wenn kleine und große Menschen im Unterricht persönlich bedeutsame Erfahrungen austauschen und von biblisch-alten oder noch besser von aktuell-eigenen Erlebnissen erzählen. Dann kann der Religionsunterricht dazu beitragen, dass möglicherweise Gott entdeckt wird.
Interview: Gertrud Fritz

Ihr Draht zu uns

Redaktion Limburg

Frankfurter Straße 9
65549 Limburg
Tel. 06431 / 9113-34
Fax 06431 / 9113-37
Mail: h-kaiser@kirchenzeitung.de

Redaktion Frankfurt

Domplatz 3 (Haus am Dom)
60311 Frankfurt
Tel. 069 / 8008718-260
Fax 069 / 8008718-261
Mail: b-perrefort@kirchenzeitung.de

Abonnenten

Tel. 06431 / 9113-24
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: vertrieb@kirchenzeitung.de

Anzeigen

Tel. 06431 / 9113-22
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: anzeigen@kirchenzeitung.de