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Kirche jetzt auf Seiten der Opfer
06.02.11

Kirche jetzt auf Seiten der Opfer

Studientag zum sexuellen Missbrauch in der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt

 

Ausgabe 6 vom 6. Februar 2011

Fakten, Folgen und Fragen des Missbrauchs: Damit beschäftigte sich Professor Klaus Kießling, der auch an der Organisation des Studientags beteiligt war. Fotos (3): Barbara Brüning

Meldete sich zu Wort: Pater Wendelin Köster

Begleitung in der Pastoral: Einen der Workshops leitete die Ordensfrau Dr. Beate Glania.

Von Barbara Brüning

Zum Jahrestag, an dem der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche öffentlich wurde, veranstaltete die Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt einen Studientag. Rund 200 Menschen hatten sich zu den Vorträgen am Vormittag im Auditorium versammelt.

Studenten, Pastoralreferenten, Ordensfrauen und -männer aus ganz Deutschland wollten sich in dieser Gemeinschaftsveranstaltung der Hochschule und des Allgemeinen Studentenausschusses (AStA) der Hochschule informieren.

„Fakten, Folgen, Fragen“, lautete der Eröffnungsvortrag von Professor Klaus Kießling. Sexuelle Gewalt geschehe meistens in familiären Strukturen, erklärte Kießling. Ein Priester oder ein Pater sei aber eben auch eine Vaterfi- gur. In Schule und Kirche bestehe ebenso wie in der Familie ein Vertrauens- und ein Abhängigkeitsverhältnis, das gefährlich werden könne. Besonders schlimm sei hier, dass die Gottesbeziehung mit dem Täter verwoben sei, so der 48-Jährige. Dadurch werde häufig auch die Gottesbeziehung der Opfer geschädigt. „Da der Gekreuzigte solidarisch mit allen Opfern ist, müssen sich die Täter vorhalten lassen, dass sie sich mit dem Seelenmord an ihren Opfern zu Henkern ihres Herrn gemacht haben,“ sagte Kießling.

Es sei jedoch nicht angebracht, Zölibat, Kirche oder Homosexualität zu Sündenböcken zu machen: „Zölibat generiert nicht den Missbrauch, und die Ehe verhindert ihn nicht“, betonte Kießling. Er gab aber zu, dass das priesterliche zölibatäre Leben besonders für die jungen Menschen attraktiv sein könne, die Probleme mit ihrer sexuellen Identität hätten. Für sie könne das als ein Weg erscheinen, sich nicht damit auseinandersetzen zu müssen. Das deute aber darauf hin, dass das eigentliche Problem in einer unreifen Persönlichkeit liege. Es müsse also schon für Priesteramtskandidaten ein selbstverständliches Angebot sein, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Der Obere der Jesuitenkommunität, Pater Wendelin Köster, erklärte, dass es ein Muss für alle Novizen sei, sich eine externe Person zu suchen, der sie sich regelmäßig anvertrauen sollten. Allerdings werde nicht überprüft, ob solche Gespräche auch tatsächlich stattfänden. Auch müssten die Gesprächspartner nicht psychologisch geschult sein, so dass offen bleibe, ob sie in der Lage seien, Gefahren in der Persönlichkeitsstruktur rechtzeitig zu entdecken und richtige Hilfestellung zu geben, bedauerte Köster.

Für die Opfer seien die Folgen verheerend, berichtete Kießling. Die Reaktionen bewegen sich von Schock und Verletzung über Zorn und Wut bis hin zu Depression oder sogar Selbstmord. Häufig seien die Verletzungen so tiefgreifend, dass Annehmen oder Versöhnung völlig ausgeschlossen sei.

„Ich schäme mich, dass so viele Priester am Seelenmord beteiligt sind.“
Peter Rütten

In einem der Workshops am Nachmittag beschäftigte sich Schwester Beate Glania, Missionsärztliche Schwester und in Sankt Georgen für die geistliche Begleitung von Pastoralreferenten zuständig, mit der Betreuung von Opfern durch die Pastoral. Eine Teilnehmerin, die Psychologin Dorothee Glöckler, die die Eheund Sexualberatung im Haus der Volksarbeit leitet, berichtete, dass sich oft nach längerer Beratung herausstelle, dass frühe Missbrauchserfahrungen die Ursache von Problemen mit der Sexualität in der Partnerschaft sein können. Eine Physiotherapeutin erzählte von körperlichen Symptomen von Opfern sexueller Gewalt, denen sie in ihrer Arbeit begegne. Von Scham sprach Peter Rütten, Missbrauchsbeauftragter im Bistum Trier: „Als Priester sind wir Seelenretter. Ich schäme mich, dass so viele Priester am Seelenmord beteiligt sind.“

Allerdings, so die 34-jährige Martine Jungers, eine Pastoralreferentin, die aus Luxemburg angereist war, sei sie beeindruckt von der Konsequenz, mit der die Kirche nun endlich beginne, sich auf die Seite der Opfer zu stellen. Dass eine Jesuitenkommunität einen solchen Studientag ausrichte, sei ein positives Signal.

In der Schlussrunde wurde klar, dass strukturelle Veränderungen, die allein sexuelle Gewalt verhindern könnten, noch nicht etabliert werden konnten. Sensibilisierung und erhöhte Wachsamkeit sind erste Schritte in diese Richtung.

Zur Sache

In Berlin fing es an

Anfang 2010 informierte Pater Klaus Mertes, Leiter des Canisisuskollegs in Berlin, die Öffentlichkeit über Missbrauchsfälle an ehemaligen Schülern in den 1970-er und 1980-er Jahren. Zwei Ordensangehörige, die an der Schule unterrichteten, sollten Kinder belästigt haben. Mertes hatte die Opfer aufgefordert, sich ihm anzuvertrauen. In Vollversammlungen wurden die Schüler und die Lehrerschaft in Kenntnis gesetzt. So begann die Offenlegung der Missbrauchsaffäre der katholischen Kirche in Deutschland, von der weitere Schulen, Klöster und Chöre betroffen sind, ebenso wie nichtkirchliche Einrichtungen. (brü)

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