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„Ein abscheuliches Verbrechen“
14.03.10

„Ein abscheuliches Verbrechen“

Bischof verspricht „rückhaltlose und konsequente Aufklärung von Missbrauchsvorwürfen“

 

Ausgabe 11 vom 14. März

Von Heike Kaiser

Der Skandal um den Missbrauch Minderjähriger hat nun auch das Bistum Limburg erreicht. Die Vorwürfe richten sich gegen fünf Priester, von denen drei mittlerweile verstorben sind. Die Unterlagen sind inzwischen der Staatsanwaltschaft übergeben worden. Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst verspricht eine rückhaltlose und transparente Aufklärung.

„Wir bitten beschämt und schockiert alle um Entschuldigung und Vergebung, die Opfer solch abscheulicher Taten geworden sind“, sagte der Bischof vor Journalisten in Limburg. Sexueller Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche und Mitarbeiter der Kirche sei ein schweres Verbrechen, betonte er „mit großer Betroffenheit, mit Entsetzen und Abscheu über begangene Missbräuche und in Entschiedenheit, die erhobenen Vorwürfe aufzuklären“.

Dem Bistum Limburg seien, bedingt durch die große Aufmerksamkeit für die Missbrauchsproblematik, mehrere Vorwürfe sexuellen Missbrauchs mitgeteilt worden. „In allen Fällen sind wir vom Bistum aus sofort den Vorwürfen nachgegangen und haben nach den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz von 2002 gehandelt“, berichtete Tebartz-van Elst (siehe: „Hintergrund“).

Alle weiteren Vorwürfe werden geprüft

Gegenwärtig werden im Bistum Limburg fünf Priester beschuldigt. Ein Vorwurf liegt aus dem Jahr 1947 vor, der beschuldigte Priester ist bereits verstorben. Ein weiterer Vorwurf betrifft einen Priester, der 1970 verstorben ist, die Übergriffe hätten sich in den 1960-er Jahren ereignet, so der Bischof. In einem dritten Fall handelt es sich ebenfalls um Vorwürfe, die sich auf die Zeit der 1960-er Jahre beziehen und einen Priester betreffen, der im Jahr 2003 gestorben ist.

Da die Täter bereits tot sind, seien nach Auskunft der Staatsanwaltschaft in diesen drei Fällen „Voraussetzungen eines Ermittlungsverfahrens nicht erfüllt“. Trotzdem, versicherte der Bischof, „prüfen wir auch hier alle weiteren Vorwürfe in konsequenter Umsetzung unserer Leitlinien“.

In einem vierten Fall handelt es sich um einen Priester, über dessen Missbrauch das Bistum 2007, als Tebartz-van Elst noch nicht Limburger Bischof war, informiert wurde. Der Betreffende ist sofort suspendiert worden und befindet sich nicht mehr im kirchlichen Dienst. Das Opfer habe seinerzeit ausdrücklich darum gebeten, von einer Strafanzeige abzusehen. „Trotzdem hat das Bistum eine Strafanzeige erwogen und den betreffenden Priester zur Selbstanzeige gedrängt. Der beschuldigte Priester hat daraufhin einen Suizidversuch begangen und gilt immer noch als suizidal gefährdet“, sagte Bischof Tebartz-van Elst.

Auf einen fünften Fall sei das Bistum durch einen „mittelbaren und vagen Hinweis“ Mitte Februar aufmerksam gemacht worden. „Ich habe den inkriminierten Priester sofort einbestellt und von allen priesterlichen Aufgaben entbunden. Die angezeigten Vorfälle wurden von ihm eingeräumt. Sie beziehen sich auf einen Zeitraum, der 15 bis 20 Jahre zurückliegt“, berichtete der Bischof. Die sofortige Suspendierung habe bei dem Priester zu einer so schweren suizidalen Gefährdung geführt, „dass der behandelnde Psychiater die Verantwortlichen gegenwärtig zu äußerster Zurückhaltung verpflichtet hat“. Der Beschuldigte befinde sich weiterhin in stationärer Behandlung.

Zuerst die Opfer in den Blick nehmen

In keinem der Vorwürfe handle es sich um Vergewaltigung, jedoch sei „jeder Fall ein Fall zu viel und ein abscheuliches Verbrechen“, machte Tebartz-van Elst deutlich. Sexueller Missbrauch Minderjähriger sei nicht nur ein Problem der Kirche, sondern in viel größerem Umfang eines der gesamten Gesellschaft. „Doch wenn wir hier als Kirche durch rückhaltlose Aufklärung den Schutz der Kinder verbessern, ist schon viel erreicht.“

Das Bistum Limburg habe keine Entschädigungssummen gezahlt, biete jedoch an, notwendige Therapien zu bezahlen. „Unsere Verantwortung als Kirche hat zuerst die Opfer in den Blick zu nehmen. Schutz und Hilfe der Opfer sowie jegliche Prävention setzen wir in unserem Bistum entschieden um“, versicherte der Bischof.

Hintergrund

Leitlinien der Bischofskonferenz

Die „Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ aus dem Jahr 2002 gelten in allen Bistümern. Sie waren auch Thema bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Freiburg. Sie sollen nun überarbeitet werden, als Sonderbeauftragter für sexuellen Missbrauch wurde der Treier Bischof Stephan Ackermann berufen. Die Leitlinien regeln nicht nur die Beauftragung einer Person, die Missbrauchsvorwürfe prüft, sondern verpflichten zudem alle kirchlichen Mitarbeiter, Missbrauchsfälle, die ihnen zur Kenntnis gebracht werden, zu melden.

Die Fürsorge der Kirche gilt zuerst dem Opfer. Den Opfern und ihren Angehörigen wird eine menschliche, therapeutische und seelsorgliche Hilfe zugesagt. Besondere Bedeutung hat die frühzeitige Einschaltung der Staatsanwaltschaften.

Die Leitlinien regeln, dass Tätern nach Verbüßung ihrer Strafe keine Aufgaben mehr übertragen werden, die sie in Verbindung mit Kindern und Jugendlichen bringen. In Einzelfällen wird eine Entlassung aus dem Klerikerstand notwendig. In der Ausbildung von Geistlichen werden präventive Maßnahmen verstärkt, die Auseinandersetzung mit Fragen und Problemen der Sexualität thematisiert. Für die Aus- und Fortbildung Verantwortliche sind angewiesen, auf Personen zuzugehen, die ein auffälliges Verhalten zeigen. (ids)

Fünf neue Fälle

Limburg (kai). Kurz vor Redaktionsschluss wurde am Dienstag bekannt, dass Verdachtsfälle gegen fünf weitere Priester und kirchliche Mitarbeiter untersucht werden. Alle Informationen seien an die Staatsanwaltschaft übermittelt worden, teilt das Bistum in einer Erklärung mit. Die Vorfälle sollen sich in den 1950-er, 1960er und 1970er Jahren ereignet haben. Einige der Beschuldigten sind bereits verstorben, strafrechtlich sind die Taten bereits verjährt.

Im Zuge der Untersuchungen sei ein weiterer Fall in den Blick geraten: „In den 1970er Jahren gab es ein strafrechtliches Verfahren gegen den damaligen Leiter des Musischen Internats in Hadamar. Der frühere Leiter der Domsingknaben ist 2002 gestorben. Er wurde nicht strafrechtlich verurteilt“, heißt es in der Erklärung.

Beauftragter bei Missbrauchsverdacht

Dr. Benno Grimm (Seligenstadt) ist Beauftragter im Bistum Limburg bei Missbrauchsverdacht. Der Offizialrat im Ruhestand wurde von Bischof Franz Kamphaus zum 1. November 2006 als Nachfolger für die Pastoralpsychologin und Maria-Ward-Schwester Dr. Josefine Heyer ernannt. Grimm ist im Bistum Limburg die Anlaufstelle, wenn der Verdacht sexuellen Missbrauchs auftritt. Opfer oder deren Eltern können sich direkt an den Beauftragten wenden. Er wird eine erste Untersuchung des Verdachts vornehmen und weitere Schritte einleiten – von einer innerkirchlichen Voruntersuchung bis zur Zusammenarbeit mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden. Grimm zur Seite steht ein „Arbeitsstab sexueller Missbrauch“, der unter anderem mit einem Juristen, einem Priester, einem Richter des Diözesangerichts und einer psychiatrischen Sachverständigen besetzt ist. Dieser Arbeitsstab prüft, wie den Opfern psychologische und seelsorgerische Begleitung gegeben werden kann und welche Art der Begleitung und des (rechtlichen) Beistands dem Beschuldigten gewährt werden soll. Außerdem garantiert der Arbeitsstab als vertrauensbildendes Gremium nach außen in die Öffentlichkeit der Kirche und Gesellschaft hinein die Einhaltung der erlassenen Verfahrensordnung. (ids)

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