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Ohne Scheuklappen in der Welt
12.09.10

Ohne Scheuklappen in der Welt

Junge Männer berichten im Vincenzhaus Hofheim über positive Erfahrungen im Zivildienst

 

Ausgabe 37 vom 12. September

Im Gespräch mit Zivildienstleistenden aus dem Bistum: Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst (links) und der Bundesbeauftragte für den Zivildienst, Jens Kreuter, im Hofheimer Vincenzhaus. Foto: Barbara Schmidt

„Der Zivildienst lässt einen wahnsinnig viel soziale Kompetenz hinzugewinnen“, ist Kai Papalaus Erfahrung. Der 23- Jährige ist im St. Josefshospital in Wiesbaden im Patientenbegleitdienst im Einsatz. Menschen in Rollstühle setzen und zu Untersuchungen fahren, ist für ihn derzeit Teil seines Alltags.

„Es vergeht kein Tag ohne Muskelkater“, gesteht Kai Papalau lachend ein. „Wir kriegen dabei aber auch die Ängste der Patienten mit, können auf sie beruhigend wirken und versuchen, ihnen so eine Richtung zu geben“, erzählt er. An diesem Mittwoch ist Kai Papalau allerdings nicht in Wiesbaden bei den Patienten, sondern mit 14 weiteren Zivildienstleistenden des Bistums Limburg im Hofheimer Vincenzhaus. Dort berichten sie Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst und Dr. Jens Kreuter, dem Bundesbeauftragten für den Zivildienst, von dieser Art Lebens-Erfahrung.

Von dem Limburger Domsingknaben über verschiedene Krankenhäuser bis hin zum Gastgeber, dem Heilpädagogischen Kinderheim Vincenzhaus in Hofheim, das vom Caritasverband Frankfurt getragen ist, reicht die Palette der Einrichtungen, aus denen die „Zivis“ erzählen. Dass Jahr für Jahr tausende junger Männer, die sich für den Zivildienst entschieden haben, dabei „’mal sehen, wie’s denen geht, denen es nicht so gut geht in der Gesellschaft“, ist für Jens Kreuter ein großer Wert. Selbst wenn man später keinen sozialen Beruf ergreife, verändere es doch den Horizont und sorge für ein besseres Verständnis etwa dafür, was Behinderung bedeute. Wer so geprägt sei, werde dann vielleicht auch als Arzt oder Banker oder Journalist zu Einschätzungen gelangen, die ihm ohne Zivildienst nicht gelungen wären.

Für viele junge Männer bietet die Dienstpflicht auch eine Möglichkeit beruflicher Orientierung. „Ich wusste nicht, was ich nach dem Abi machen sollte“, berichtet Martin Dutine, Zivi im Karlsheim Kirchähr. Dass das soziale Engagement den Blick weitet, ist seine Erfahrung. Und er wünscht sich, dass sie nach ihm noch viele andere machen können. „Es sind so viele, die mit Scheuklappen durch die Welt laufen“, sagt der junge Mann, „die Gesellschaft ist so sehr auf den einen Wert, das Geld, ausgerichtet, da geht die Menschlichkeit oft ein wenig den Bach runter.“

„Die Gesellschaft ist so sehr auf den einen Wert, das Geld, ausgerichtet, da geht die Menschlichkeit oft ein wenig den Bach runter.“
Martin Dutine

Die aktuelle Diskussion über eine Aussetzung des Wehrdienstes, die auch eine Aussetzung des Zivildienstes bedeuten würde, sieht nicht nur Martin Dutine deshalb mit Sorge. „Es ist viel zu wichtig, um es enden zu lassen“, sagt der junge Mann. „Wir brauchen ein größeres Bewusstsein dafür, wie wertvoll diese Dienste für die Gesellschaft sind“, fasst Bischof Tebartz-van Elst seine Eindrücke vom Gespräch mit den jungen Männern zusammen. „Wir müssen möglichst eine breite Diskussion entfachen, die bis in die Politik hineingeht und die Sinnhaftigkeit dieses Dienstes herausstellen,“ so der Bischof.

Als eine Möglichkeit, bei einem Fall des Zivildienstes weiter möglichst vielen jungen Menschen soziale Erfahrungen und berufliche Orientierung zu ermöglichen, wird an diesem Morgen auch eine Ausweitung des Freiwilligen Sozialen Jahres angesprochen. Dafür sind viele am Tisch, auch die Vertreter der Trägerverbände. Das Bistum sei in diesem Bereich „schon gut aufgestellt“, sagt Michael Ziegler, Leiter der Arbeitsstelle Soziale Dienste. Neben den jährlich rund 350 Zivildienstleistenden, die in seine Verantwortung fallen, sind weitere rund 150 junge Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr oder dem Kurzzeitfreiwilligendienst tätig. Als Jens Kreuter allerdings nachhakt, wer von den Zivis denn, gäbe es die Pflicht nicht, sich für ein Soziales Jahr entschieden hätte, gehen im Vincenzhaus nur drei Finger hoch.

Hintergrund

Aussetzung der Wehrpflicht

Im vergangenen Jahr leisteten in der Bundesrepublik Deutschland rund 90500 junge Männer, die ihren Wehrdienst verweigerten, ihren Zivildienst. „Zivis“ die in diesem Jahr zum 1. Juli oder später einberufen wurden beziehungsweise noch werden, müssen statt neun noch sechs Monate Dienst leisten. Die Dauer hängt mit der Verkürzung der Wehrpflicht zusammen.

Sollte es, wie von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg geplant, zu einer Aussetzung der Wehrpflicht kommen, zöge das auch eine Aussetzung des Zivildienstes nach sich. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder beabsichtigt daher, einen neuen freiwilligen Zivildienst zu schaffen. Verbände und Organisationen hingegen sprechen sich für einen Ausbau der bereits vorhandenen Freiwilligendienste aus. (bp)

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