Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
 Startseite -  Verlag -  Stellenangebote -  Inhalt -  Impressum -  Kontakt 
„Das habt ihr über uns gehört?“
27.06.10

„Das habt ihr über uns gehört?“

St.-Angela-Schülerinnen, Königstein, suchen Kontakt zu jüdischen und muslimischen Jugendlichen

 

Ausgabe 26 vom 27. Juni

Bild: privat

Redaktionskonferenz für die Schülerzeitschrift (von links): Miriam Machill, Nora Hackemann, Yeji Park, Anna Schlesinger, Veronika Lütgenhaus zusammen mit der verantwortlichen Lehrerin Heidemarie Husemeyer. Foto: Bernhard Perrefort

Von Bernhard Perrefort

„Andere Religionen haben ein Gesicht bekommen.“ Nora Hackemann hält die Begegnungen mit muslimischen und jüdischen Schülern für lohnenswert. Die 16-jährige Schülerin der St.-Angela-Schule gehört zum Redaktionsteam des Zeitungsprojekts „Kulturen entdecken und Minderheiten verstehen“.

Damit qualifizierte sich die katholische Königsteiner Schule neben weiteren sechs Berliner und sieben hessischen Schulen für den „Trialog der Kulturen“-Schulenwettbewerb der Herbert Quandt-Stiftung in Bad Homburg. In der aktuellen fünften Runde geht es um das Motto „Aufwachsen – Erwachsen. Kindheit und Jugend im Judentum, Christentum und Islam heute“. Die jahrgangsübergreifende Gruppe der über 30 Gymnasiastinnen und Realschülerinnen aus Königstein setzt sich dabei im Speziellen mit der Minderheitenfrage in der Rhein-Main-Region auseinander.

Zwei Partner gesucht und gefunden

Und das ganz konkret: Über Pfarrer Wolfgang Steinmetz, der an der Werner-von-Siemens-Berufsschule in Frankfurt unterrichtet, wurde der Kontakt zu muslimischen Jugendlichen hergestellt. Als jüdischen Partner gewannen die Königsteinerinnen die Lichtigfeldschule im Philantropin. Etwa 70 Schülerinnen und Schüler dieser drei Schulen trafen sich einige Male, um zum Beispiel gegenseitige Vorurteile zu diskutieren. Angesprochen wurde in diesem Zusammenhang unter anderem die Unterdrückung der Frauen bei den Muslimen, der dreifaltige Gott bei den Christen oder auch der Palästinakonflikt. Manchmal haben die jungen Leute überrascht über dieses oder jenes Vorurteil gegenüber ihrer eigenen Religion reagiert („Interessant, habt ihr das über uns gehört?“), berichten die St.-Angela-Schülerinnen. Wenn aber offen darüber gesprochen werde, „lassen sich natürlich Vorurteile abbauen“, ziehen die Jungredakteurinnen in ihrer Redaktionssitzung ein positives Fazit.

Gleichzeitig zeigen sich Miriam Machill, 16, und Nora Hackemann irritiert, erfahren zu haben, dass jüdische Altersgenossen sich nicht trauen, in der Öffentlichkeit eine Kippa zu tragen, und das sich muslimische Jugendliche zum Beispiel auf dem Fußballplatz rassistischen Beschimpfungen ausgesetzt sehen. Für die 18-jährige Yeji Park hat sich jedenfalls herauskristallisiert, immer zwischen Religion und Tradition zu trennen. „Ehrenmorde zum Beispiel“, berichtet Miriam, „wurden von allen muslimischen Schülern komplett verurteilt“. Und Miriam zitiert ergänzend dazu die Aussage der Berufsschüler: „Das sind doch keine Muslime.“

Die muslimischen Jugendlichen, berichten die Königsteiner Schülerinnen weiter, freuten sich, gesehen zu haben, „dass wir miteinander können“. Dem hätten auch die jüdischen Mädchen und Jungen zugestimmt, die zugaben, durchaus mit einem mulmigen Gefühl in die erste Begegnung gegangen zu sein: „Wir sind froh, dass wir so miteinander reden können.“ Diese Erfahrungen der Gruppen sollen nun in mehreren Artikeln in der Schülerzeitung festgehalten werden.

Begegnungen und Ausstellung

Es soll aber nicht „nur“ dabei bleiben. Und bisher hat es auch nicht nur Begegnungen gegeben, in denen offen und ehrlich diskutiert wurde. So war das Jüdische Museum Berlin mit einer Ausstellung „Jüdische Kindheit und Jugend nach 1945 in Deutschland“ in der St.-Angela-Schule zu Gast. Zeitzeugen referierten. Vom Startgeld der Quandt-Stifung, das für den Wettbewerb ausgeschüttet wird, schaffte sich die Angela-Schule weitere Bücher zum Thema an.

Passend zum Thema nahmen Schülerinnen an einer Israelreise teil, die der Hochtaunuskreis zufällig zeitgleich anbot. Sie lebten dort in jüdischen und muslimischen Familien. Miriam Machill, Nora Hackemann und Anna Schlesinger werden ihre Eindrücke ebenfalls in der Zeitung schildern. Darunter seien bei weitem nicht nur negative, wenn es etwa um Unterschiede in der Infrastruktur israelischer und palästinensischer Dörfer gehe, sondern auch viele positive von einem guten Miteinander jüdischer und muslimischer Bevölkerungsgruppen.

Aber der Blick richtet sich vor allem nach vorn. Ganz im Sinne von Dr. Roland Löffler, dem Leiter des Themenfeldes „Trialog der Kulturen“ der Stiftung, der betont: „Der Wettbewerb soll an den Schulen kein Strohfeuer sein.“ So berichtet Heidemarie Husemeyer, verantwortliche Lehrerin für das Projekt an der Königsteiner Schule, dass es auch nach Abschluss des Projekts mit dem Trialog der drei Schulen weitergeht:

So soll es beispielsweise künftig im Religionsunterricht zu einem regelmäßigen Austausch kommen. Auf sportlicher Ebene möchte man einmal jährlich ein Fest mit Wettkämpfen durchführen. Kinder und Jugendliche können einen Tag in Familien mit anderer Religion und Kultur verbringen. Christliche, jüdische und muslimische Feste sollen gemeinsam gefeiert und Gotteshäuser besucht werden. Vorgesehen sind außerdem Autorenlesungen, Gesprächskreise und die Zubereitung traditioneller Speisen.

Hintergrund

Drei Religionen

Ein hohes Maß an Unkenntnis voneinander und gegenseitigen Vorurteilen von Menschen unterschiedlicher Religionen, das in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen in den Jahren 1999 bis 2003 festgestellt wurde, veranlasste die Herbert-Quandt- Stiftung, den Schulenwettbewerb „Schulen im Trialog“ durchzuführen. So lädt sie seit 2005 „ jedes Schuljahr Lehrer und Schüler aller Schultypen ein, sowohl eigenständige und kreative Beiträge zur Wissensvermittlung über die drei Kulturen zu entwickeln als auch Wege zu einer vertieften Reflexion über das Verhältnis von Religion und Staat zu finden“. Jede der qualifizierten Schulen erhält als Anschubfinanzierung 3500 Euro. Die besten Projekte jeden Wettbewerbs bekommen zusätzlich noch Preisgelder in Höhe von insgesamt 60000 Euro.

Das Thema für die sechste Runde im Schuljahr 2010/2011 lautet: „Fremde – Heimat – globale Welt.“ Die St.-Angela-Schule, Königstein, hat sich erneut beworben. (bp)

Informationen: www.herbertquandt-stiftung.de

Ihr Draht zu uns

Redaktion Limburg

Frankfurter Straße 9
65549 Limburg
Tel. 06431 / 9113-34
Fax 06431 / 9113-37
Mail: h-kaiser@kirchenzeitung.de

Redaktion Frankfurt

Domplatz 3 (Haus am Dom)
60311 Frankfurt
Tel. 069 / 8008718-260
Fax 069 / 8008718-261
Mail: b-perrefort@kirchenzeitung.de

Abonnenten

Tel. 06431 / 9113-24
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: vertrieb@kirchenzeitung.de

Anzeigen

Tel. 06431 / 9113-22
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: anzeigen@kirchenzeitung.de