Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
 Startseite -  Verlag -  Stellenangebote -  Inhalt -  Impressum -  Kontakt 
„Viel von der Perle verloren“
20.12.09

„Viel von der Perle verloren“

Haiti steht im Blickpunkt der diesjährigen Adveniat-Aktion – Ein Pater informierte

Im Delmas-Viertel, einem armen Stadtteil in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince, baut der Orden von Pater Laurent Pierre (Zweiter von links) eine Pfarrei auf. Foto: Adveniat

Frankfurt. Haiti ist in diesem Jahr Aktionsschwerpunkt von Adveniat. Unter dem Motto „Den Armen eine gute Nachricht“ steht die Weihnachtskollekte für das Lateinamerika- Hilfswerk am 24./25. Dezember. Zur Situation in Haiti äußert sich Pater Laurent Pierre. Er war Gast im Bistum.

Frage: Einst galt Haiti als „Perle der Karibik“. Heute wird es mit Verelendung und Chaos in Verbindung gebracht, in das es zu versinken droht. Wie beschreiben Sie aus Ihrer Sicht das Land?

Pater Laurent Pierre: Sie haben Recht. Aber heute haben wir viel von der „Perle“ verloren. Das liegt daran, dass es eine schlechte politische Verwaltung gab, dass sich die sozioökonomische Situation verschlechtert hat und dass es in der öffentlichen Verwaltung viel Ungerechtigkeit und Korruption gibt.

Hat sich das durch die Finanzkrise noch verstärkt?

Natürlich. Haiti ist in die Weltwirtschaft eingebunden, und daher hat sich die Situation weiter verschlechtert. Die Preise sind stark gestiegen, und die Armen sind immer ärmer geworden. Das Elend wird jeden Tag schlimmer.

Wo sehen Sie in erster Linie die Ursachen für die Armut?

Zum einen ist es die politische Verwaltung. In der jüngeren Geschichte haben wir 30 Jahre Diktatur erlebt. Die Regierungen wechselten häufig, und es gab keine politische Stabilität. Das wirkt sich direkt auf die soziale und wirtschaftliche Situation der Menschen aus.

Haben die Menschen überhaupt noch Hoffnung?

Natürlich. Die Menschen kämpfen immer dafür, dass sich die Dinge ändern. Und auch die Politiker setzen sich für demokratische Verhältnisse ein. Viele Volksbewegungen und Institutionen engagieren sich dafür.

Ist die katholische Kirche ein Hoffnungsträger?

Ja. Die Kirche bemüht sich um eine menschliche Entwicklung, zum Beispiel in der Sozialpastoral. Dabei steht die Suche nach der Würde des Menschen im Mittelpunkt. In dieser Arbeit erfährt sie Unterstützung durch die Schwesterkirchen. So fördert Adveniat Aktivitäten im Bereich der Erziehung, Gesundheit und Pastoral. Dadurch kann die Kirche in Haiti ihre missionarische Arbeit fortführen.

Was macht Ihr Orden, in welchem Bereich engagieren Sie sich? Leben Sie mitten unter den Armen?

Der Auftrag meines Ordens ist die Verkündigung der Frohen Botschaft. Der Idee unseres Gründers, Saint Louis Marie Grignion de Montfort, folgend, gehen wir zuerst zu den Armen. Als Provinzial koordiniere ich die pastoralen Aktivitäten meiner Mitbrüder, die alle unter den Armen leben. Selbst wenn ich persönlich nicht mitten unter den Armen wohne, besuche ich sie ständig. Zurzeit baue ich in einem Armenviertel eine Pfarrei auf.

Können Sie überhaupt noch Optimismus in Anbetracht solchen Elends ausstrahlen?

Wenn Sie die Gelegenheit hätten, bei einem Treffen in unserer Pfarrei teilzunehmen, sähen Sie: Die Hoffnung ist längst da. Menschen am Rande haben die Vision, durch die Kirche etwas für sich zu schaffen. Lebendige Gemeinde entsteht dort, wo wir als Schwestern und Brüder für das Reich Gottes tätig sind. Die Kirche Haitis folgt der Empfehlung der Versammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik, Aparecida 2007, alle Bistümer zu ermutigen, lebendige Gemeinden zu errichten.

Weihnachten ruft Adveniat die Gläubigen zu Spenden auf. In welche Projekte fließen die Gelder?

Weihnachten ist das Fest der Menschwerdung Gottes. Und Jesus wurde als armer Mensch geboren und hat unter uns gewohnt. In diesem Geist unterstützt Adveniat Projekte der katholischen Kirche, die den Armen zugute kommen: zum Beispiel kirchliche Gebäude für Bildung, Gottesdienst und soziale Aktivitäten, Fahrzeuge für kirchliche Mitarbeiter, Ausbildung von Laien, Katecheten, Priestern und Ordensleuten.

Sie haben jetzt schon Gemeinden und eine Berufsschule im Bistum besucht. Was hat Sie besonders beeindruckt?

Mich hat der Wissensdurst der Schüler und Erwachsenen beeindruckt. Wir haben viele Menschen getroffen, die mehr erfahren wollten von der Realität der Schwesterkirche in Haiti. Sie waren gerührt von der großen Armut, vom Hunger und Durst der Leute, die Gott suchen. Ihre Fragen und ihr Zuhören waren für mich Zeichen der Solidarität und der Verbundenheit aus der Ferne.

Interview: Bernhard Perrefort

www.adveniat.de

Zur Person

Verehrung Mariens

Laurent Pierre, 46, wurde in Haiti geboren und wuchs in einer armen Familie auf, in der „viel gebetet wurde“. Außerdem erlebte er in ihr „eine starke Marienverehrung“. So trat er in den 1980-er Jahren dem Orden bei, den der französische Marienverehrer Grignion de Monfort 1705 gründete. 1990 wurde Pater Laurent Pierre zum Priester geweiht. Nach einigen weiteren Studienjahren in Belgien wurde er mit 30 Jahren Leiter der Ordenshochschule Cifor mit heute 107 Studenten aus 60 religiösen Gemeinschaften. 2006 wählte der Montfortanerorden, dem 51 Brüder angehören, ihn zum Provinzial. In Haiti steht die Gemeinschaft für Volksmissionen und Armenschulen. (bp)

Zur Sache

Meist katholisch

Knapp neun Millionen Menschen leben auf Haiti. Ihre Lebenserwartung beträgt 57,6 Jahre, die Analphabetenrate 48 Prozent. Rund 80 Prozent der Bevölkerung sind katholisch. In den neun Bistümern gibt es etwa 340 Gemeinden und etwa 800 Diözesan- und Ordenspriester. (bp)

Ihr Draht zu uns

Redaktion Limburg

Frankfurter Straße 9
65549 Limburg
Tel. 06431 / 9113-34
Fax 06431 / 9113-37
Mail: h-kaiser@kirchenzeitung.de

Redaktion Frankfurt

Domplatz 3 (Haus am Dom)
60311 Frankfurt
Tel. 069 / 8008718-260
Fax 069 / 8008718-261
Mail: b-perrefort@kirchenzeitung.de

Abonnenten

Tel. 06431 / 9113-24
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: vertrieb@kirchenzeitung.de

Anzeigen

Tel. 06431 / 9113-22
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: anzeigen@kirchenzeitung.de