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Schluss mit der Drohbotschaft
05.12.10

Schluss mit der Drohbotschaft

Barbara Kohout hat die Zeugen Jehovas verlassen und ein Buch darüber geschrieben

 

Ausgabe 49 vom 5. Dezember

Zwischen diesen beiden Bildern liegt fast ein halbes Jahrhundert: Links Barbara Kohout in den 1960-er Jahren mit den Broschüren „Wachturm“ und „Erwachet“ vor einem Kaufhaus, rechts mit ihrem Mann Karl nach ihrem Austritt aus der Sekte. Fotos (2): Barbara Brüning

Von Barbara Brüning

„Warum darf diese Organisation auf so brutale Weise intaktes, glückliches Zusammenleben zerstören, um gegen die garantierten Menschenrechte wie Gewissensfreiheit, Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit, ihre eigenen Interessen zu wahren?“ Das fragt sich Barbara Kohout heute.

Nach 60 Jahren überzeugter und aktiver Mitgliedschaft bei den Zeugen Jehovas hat sie ein Buch geschrieben über ihr „Leben unter Wachturm-Regeln“ und es im Frankfurter „Haus der Volksarbeit“ vorgestellt.

Sie habe erkannt, dass nicht wahr ist, was im Wachturm steht, nennt sie den Grund ihrer Entscheidung, die Sekte zu verlassen. Ja, sagt sie, sie habe auch unter einem ständig ausgeübten Druck gelitten. Aber den habe sie immer „menschlicher Schwäche“ zugeschrieben. „Man steht ständig unter Beobachtung und weiß, dass Fehlverhalten sofort nach oben gemeldet wird.“

Hilfe in Überlebensfragen

Die Familie von Barbara Kohout musste nach dem Krieg aus dem früheren Jugoslawien nach Deutschland flüchten und landete in Oberbayern. Ihr Vater habe während des Krieges gesehen, wie Pfarrer, evangelische ebenso wie katholische, Waffen gesegnet hatten und wollte nichts mehr mit der Kirche zu tun haben, erzählt die 72-Jährige. Aber auch die oberbayrischen Katholiken verhielten sich den Flüchtlingen gegenüber nicht gerade einladend. Als irgendwann die Zeugen Jehovas vor der Tür standen, fand der Vater bei ihnen Verständnis – und auch Hilfe in konkreten Überlebensfragen.

Zusammenhalt war etwas, wonach er sich gesehnt hatte. Kohout sagt heute: „Sie gaben uns Anerkennung und wir ihnen – das passte irgendwie.“ Für die damals Elfjährige schloss sich ein Leben „im Dienste des Glaubens“ an, das sie begeisterte. Bei den Zeugen Jehovas lernte sie ihren Mann kennen. Im Geiste der Sekte erzog sie ihre Kinder. Das ging so weit, dass sie ihre Tochter, als sie ein Verhältnis mit einem „weltlichen“ Mann hatte, den Vorgesetzten verriet. Dies sei ein „Dienst der Liebe“ und notwendig, hatte man ihr beigebracht. Heute ist die Buchautorin entsetzt darüber, dass sie fähig war, das Vertrauen ihrer Tochter so zu missbrauchen.

Als Kohouts Sohn anfing, sich im Internet mit Literatur von „Abtrünnigen“ zu befassen, versuchte sie mit allen Mitteln, ihn davon abzuhalten. Ihre letzte Hoffnung war, zu lesen, was er las, um ihn davon zu überzeugen, dass er sich irrte. Jetzt war es ihr Mann, der sie eindringlich warnte. „Du weißt, wir werden alles verlieren“, sagte er. Aber ihre Angst, den Sohn zu verlieren, war größer. Und am Ende überzeugt er sie. Schließlich konnte auch Barbara Kohouts Mann die Augen vor dem Offensichtlichen nicht mehr verschließen.

Es war die Sache mit dem für 1975 vorhergesagten Weltuntergang – der erste Stein, der aus dem Glaubensgebäude gebrochen wurde: Das vorhergesagte Harmageddon hatte die gesamte Organisation und das Leben vor 1975 geprägt. Als der Weltuntergang aber ausblieb, wurde von den geistlichen Führern der Zeugen Jehovas erklärt, es gebe eine Prophezeiung, nach der der Weltuntergang fälschlich vorhergesagt werde. Diese sei es lediglich, die sich erfüllt habe. Und eigentlich sei auch nie behauptet worden, dass die Vorhersage von wahren Propheten stamme. Ihr Sohn konnte ihr aber zeigen, dass genau das der Fall war – eine offensichtliche, nicht weg zu diskutierende Lüge in einer Gemeinschaft, die auf der Wahrheit basiert. Danach gab es kein Halten mehr für die Einsicht: Das Glaubensgebäude bestand aus Lügen.

Abtrünnige werden totgeschwiegen

2008, nachdem die Kohouts schon länger keine Versammlung mehr besucht hatten, wurden sie offiziell ausgeschlossen. Das bedeutet, dass kein Zeuge Jehovas mehr mit ihnen sprechen darf: weder die engsten Freunde noch die Verwandten. Abtrünnige werden totgeschwiegen. Von heute auf Morgen stehen sie vor dem sozialen Nichts.

Barbara Kohout hat das Schreiben über die schwierige erste Zeit geholfen. „Ich war damals aber nicht in der Lage, direkt von mir zu schreiben“, gesteht sie. Das war alles noch zu nah. Deshalb legt sie ihre eigene Lebensgeschichte einer fiktiven Person in den Mund. Ausführlich befasst sie sich mit den religiösen Vorschriften und den Bibelauslegungen der Zeugen Jehovas. „Heute weiß ich, dass es eine Drohbotschaft ist, die sie verkünden, keine Frohbotschaft“, erklärt die Autorin.

Barbara Kohout, „Mara im Kokon. Ein Leben unter Wachturm-Regeln“, Engelsdorfer Verlag, 2010. 14,95 Euro.

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