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Glauben an Bilder „entflammen“
22.08.10

Glauben an Bilder „entflammen“

Vollrad Kutscher ist das Wort als Material suspekt – Ausstellung im Haus am Dom in Frankfurt

 

Ausgabe 34 vom 22. August

Der Künstler Vollrad Kutscher neben einer tönernen Vorstufe der Wachsbüste, die einen Teil seiner Porträtinstallation „Königin von Saba“ bildet. Abgebildet ist die Äthiopierin R.L.; in die Rückseite des offenen Schädels ist ein Kreuz einmodelliert. Foto: Marcus Hladek

Von Marcus Hladek

„Kartoffelköpp und andere Vorwürfe“ heißt die nächste Ausstellung im Frankfurter Haus am Dom. Zu sehen sein werden Porträt-Installationen von Vollrad Kutscher, der sich als „Reformulierer“ versteht.

Mit einer Rettungsaktion und einem Espresso beginnt es. Für den Kaffee sorgt Vollrad Kutscher: geboren 1945 in Braunschweig als Flüchtlingskind, Kunststudium in Mainz, rund 50 Einzelausstellungen in 40 Jahren, vielfacher Gastprofessor, Autor eines „Berner Abendmahls“ und von „Hosianna, Verkündung am Gärtnerplatz“, Schöpfer der essbaren Brotmünze namens „European“, auch Performancekünstler. Die Nothilfe gilt einem angststarren Kaninchen, das die pechschwarze Hauskatze ihm früh am Morgen als Beute bringt, das aber die Flucht durchs Niederräder Künstlerhaus mit offenen Räume voller entstehender Werke ergreifen kann. „Ich lebe gern mitten in der Kunst“, sagt Kutscher.

„Ich achte die Propheten, lobe mir aber Ironie und Humor.“
Vollrad Kutscher

Manche dieser Arbeiten sind für die Ausstellung „Kartoffelköpp und andere Vorwürfe“ gedacht. Veranstalter sind die Katholische Akademie Rabanus Maurus und das Dommuseum. Mit den „Vorwürfen“ bezieht sich Kutscher weniger auf die Missbrauchsdiskussion („Missbrauch gab es immer“) als auf „Vorwürfe“, wie Schiller und Kleist das Wort gebrauchten: als Thema, Gegenstand. Und die Kartoffelköpfe? Seine Erklärung ist nüchtern und führt doch zum Glutkern. „Ich habe einfach Kartoffeln als Skulpturen bearbeitet. Köpfe herausgeschnitzt. Im Haus am Dom stehen sie auf den Stufen eines Pantoffelkinos unter Glas – da, sehen Sie.“ Der Monitor ihnen gegenüber zeigt ein Video, das sie im Zeitraffer verschrumpelnd zeigt: Ewigkeit und Vergänglichkeit als „kleines, stilles Drama“. Begleitet von Hubert Machniks Musik und dem Zischen von Tropfen auf einer Herdplatte, bilden die „Kartoffelköpp“ keine realen Personen ab, anders als noch 2009 in Bonn, als er Philosophen in „Eine Höhle für Platon“ versetzte. „Damals habe ich Philosophen wie Hannah Arendt und Martin Heidegger geschnitzt: das unmögliche Liebespaar aus Jüdin und strammem Nazi.“ Mit dem Vertrauen der Philosophen in die Abbildung durch Sprache hatte er schon als lutherischer Pfarrerssohn Probleme. „Ich war der Wortgewalt meines Vaters nicht gewachsen und bin in den künstlerischen Ausdruck geflohen. Das Material Wort ist mir suspekt.“ Da möchte man an Thomas von Aquin denken, einen der tiefsten Denker, der am Ende des Lebens sagte: „Alles, was ich geschrieben, ist wie Stroh gegen das, was mir offenbart wurde.“

Kutscher hat viel über seine Prägung durch Christentum und christliche Kultur nachgedacht. Er unterscheidet scharf zwischen bilderstürmerischen Calvinisten oder jüdischem Bildverbot hier und bildfreundlichen Lutheranern dort. Ihr Kontrast lebe in jenem von Abstraktion und Konzeptkunst („da sind wir bei Heidegger und Platon“) zur gegenständlichen Kunst fort: „Ilja Kabakov ist ein weiser Narr, der von allem Menschlichen erzählt und lächelt; Donald Judd, Mark Rothko sind Propheten. Ich gehöre zu den Erzählern. Ich achte die Propheten, lobe mir aber Ironie und Humor.“ Also will er den Glauben an die Bilder „entflammen“ und sieht den Künstler, frei nach Hegel, als „Ersatzpriester“. Auch wehrt er sich gegen die „terroristische Haltung“ der Abstraktion in der Moderne, die der Unbedingtheit der RAF-Terroristen gleiche. „Gerade wenn die Kultur die höchsten Höhen erklimmt“, das zeige die RAF genauso wie die Exzesse im US-Lager Abu Ghraib, „kann der reale Barbarismus am nächsten sein.“

Martin Mosebach, der Schriftsteller, nannte Jesus Christus „das Selbstporträt Gottes“. Ein Argument pro Bild, das in Kutschers Beharren auf dem Porträt wohl mitschwingt. Beginnend mit seinem Selbstbildnis von 1987, suchen seine Kunstwerke den Menschen in mehreren Schichten und Medien einzufangen, wie es die im Haus am Dom ausgestellte Installation „Königin von Saba“ zeigt. Ein anderes Werk, Arbeitstitel „Malschule“, wird im Windfang am Eingang Staffeleien und Formen eines Engels (oder des Ikarus) zeigen.

www.vollrad-kutscher.de

Termin

Mit Begleitprogramm

„Kartoffelköpp und andere Vorwürfe — Installationen von Vollrad Kutscher“. Vom 26. August bis 31. Oktober im Haus am Dom und im Dommuseum (Quadrum und Sakristeum) am Domplatz in Frankfurt. Vernissage am 25. August, 19 Uhr. Eintritt frei. Infos zur Ausstellung und dem Begleitprogramm (immer am Mittwoch um 19.30 Uhr) unter Telefon 069/80087180, Website: www.hausamdom.bistumlimburg.de. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9 bis 17 Uhr, Samstag/ sonntag 11bis16 Uhr.

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