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„Etwas für meine Zukunft“
04.10.09

„Etwas für meine Zukunft“

Die Jugendberufshilfe-Einrichtung in Offenbach fördert Jugendliche, die sonst keine Chance auf einen Ausbildungsplatz hätten

„Ich kann es schaffen“, sagt Samet Yener aus Offenbach. Im „Gelben Haus“ bereitet sich der 16- Jährige auf den Hauptschulabschluss vor. Zwei Tage in der Woche hat er praktischen Unterricht in der Holzwerkstatt. Fotos: Paavo Ondreka

Von Paavo Ondreka

Offenbach. Der Arbeitsmarkt braucht sie immer weniger – Jugendliche mit Hauptschulabschluss. Fehlt diese Mindestqualifikation, sind die Chancen, einen Ausbildungsplatz zu ergattern, gleich Null. Im „Gelben Haus“ glaubt man trotzdem an Menschen wie Samet Yener oder Jasmina Muric.

Samet Yener weiß, dass er nur noch diese Chance hat. Vor den Sommerferien ist er von der Gewerblich- Technischen-Schule in Offenbach abgegangen – ohne Hauptschulabschluss. Jetzt, im Gelben Haus, will er 100 Prozent geben, um den Abschluss doch noch zu schaffen.

In der Werkstatt der Jugendberufshilfe-Einrichtung feilt der 16-Jährige an einem Stück Holz, das später einmal der Fuß einer Duftlampe werden soll. Außer ihm bearbeiten noch fünf andere Jugendliche ihr erstes Werkstück. Viele halten zum ersten Mal Säge oder Schmirgelpapier in der Hand. Auch Samet Yener muss sich erst noch an Lasur und Pinsel gewöhnen. „Ich muss das machen, wegen meinem Abschluss“, sagt er ein wenig zerknirscht.

Etwas, das man angefangen hat, zu Ende bringen

Zwei Mal die Woche üben sich die Jugendlichen, die einen der Werkstattkurse des Gelben Hauses belegen, in der Holz- beziehungsweise Metallbearbeitung. „Am Werkstück lässt sich Mathematik viel besser erfassen“, beschreibt Fachanleiter Hans-Joachim Wichmann-Herzog die praxisbezogene Philosophie des Hauses.

Viele der Jugendlichen, die meist auf Vermittlung der Arbeitsagenturen in den Werkstattkursen landeten, seien „schulmüde“, ihre „Frustrationsgrenze oft niedrig“, sagt der Tischler, der seit eineinhalb Jahren die Holzwerkstatt leitet. Frontalunterricht von acht bis 13 Uhr bringe da nichts.

Vielmehr helfe es den Jugendlichen, konkrete Erfahrungen zu machen, wie sie auch im späteren Berufsleben vorkämen. Wichmann-Herzog: „Die Jugendlichen lernen bei uns ein Werkstück anzufangen und es zu Ende zu bringen.“ Nicht weniger wichtig: „nach Pausen wieder aufzutauchen“.

Erfahrungen vor und hinter der Theke gesammelt

Grundqualifi kationen wie Durchhaltevermögen und Pünktlichkeit hat sich auch die 17-Jährige Jasmina Muric in den vergangenen zwölf Monaten angeeignet. Weil sie nach ihrem Hauptschulabschluss 2008 keinen Ausbildungsplatz finden konnte, absolvierte sie im „Café Luise 34“ – einer Außenstelle des Gelben Hauses – die „Produktionsschule Verkauf“.

Seit September 2005 stehen in dieser Maßnahme jedes Jahr zwölf Plätze zur Verfügung. Jugendliche, die noch keinen Ausbildungsplatz gefunden hatten, können hier berufspraktische Erfahrungen vor und hinter der Theke sammeln.

Jasmina Muric hat diese Zeit geholfen, sich beruflich zu orientieren. „Ich hätte nie gedacht, dass Gastronomie mein Traumjob ist, bis ich hierher gekommen bin“, sagt die gebürtige Mazedonierin, während sie Messer und Gabel in roséfarbene Sevietten einwickelt. Seit sie weiß, dass sie in dem Ausbildungs-Restaurant, dass das Gelbe Haus ab Oktober im Offenbacher Kolping-Haus startet, eine Ausbildung zur Fachkraft im Gastronomie- Gewerbe machen kann, ist sie überglücklich: „Es ist ein tolles Gefühl, dass ich etwas für mein Leben und meine Zukunft habe“, sagt sie.

Dabei hatte die junge Frau, der besonders das Servieren gut gefällt, während des vergangenen Jahres immer wieder mit Zweifeln zu kämpfen. „Ich hatte Angst, dass ich keine Ausbildung finde“, sagt Muric. Und natürlich gab es in der Gruppe manchmal Streit. Froh war sie, dass sie sich in solchen Situationen an die Projektleiterin, Kinga Willmann, wenden konnte: „Wenn ich Probleme hatte, war sie immer für mich da.“

Probleme klären, bevor etwas Neues beginnt

Diese Erfahrung hat auch Murics Kollegin Corinna Greif gemacht. Nach ihrem Hauptschulabschluss 2008 hatte sie ein Jahrespraktikum bei Lidl absolviert, ohne am Ende einen Ausbildungsplatz zu erhalten. „Danach bin ich in ein Loch gefallen“, sagt die 17- Jährige. „Dass ich den Weg nun wiedergefunden habe, verdanke ich Frau Willmann.“

Sozialpädagogin Kinga Willmann ist eine von neun festangestellten Sozialpädagogen des Gelben Hauses. Seit vergangenem Jahr ist sie Ansprechpartnerin für die Jugendlichen, die in der Produktionsschule an das Berufsleben herangeführt werden. Den vielen Mädchen und den nicht so zahlreichen Jungs hilft sie nicht nur beim Bewerbungsschreiben und bei der Suche nach geeigneten Praktika. Auch bei familiären und persönlichen Problemen suchen die Teenager Rat bei der 28-Jährigen. Wenn es hart auf hart kommt, begleitet Willmann ihre Schützlinge auch zum Gericht und stellt den Kontakt zum Jugendamt her.

Dass Stabilität im Privaten Voraussetzung für berufliches Weiterkommen ist, darüber besteht für die Pädagogin kein Zweifel. „Die Problemlagen der Jugendlichen sind oftmals so vielschichtig, dass die erst zu klären sind, bevor ein neuer Lebensabschnitt beginnen kann.“

Sich durchbeißen für den großen Traum

Den ersten Schritt, um in Zukunft einmal finanziell auf eigenen Beinen zu stehen, hat auch Samet Yener aus dem Werkstattkurs unternommen. In den Sommerferien hatte sich der junge Mann, der in der Nähe des Gelben Hauses wohnt, bei einem Mitarbeiter der Jugendberufshilfe- Einrichtung vorgestellt. „Ich habe gesagt, dass ich den Hauptschulabschluss nachmachen will“, sagt Yener. Nach einem Gesprächstermin erhielt er die Zusage für das berufsvorbereitende Jahr.

Was Samet Yener hinterher machen will, weiß er noch nicht wirklich. Sein großer Traum ist es, Profi -Fußballer zu werden. Er ist zu einem Verein gewechselt, bei dem er sich mehr Chancen ausrechnet, entdeckt zu werden. Bis er den Durchbruch auf dem Rasen geschafft hat, will er sich aber auch in der Werkstatt und im Unterricht durchbeißen. Er ist sich sicher: „Ich kann es schaffen.“

In den Werkstätten des Gelben Hauses können Holz- oder Metallarbeiten in Auftrag gegeben werden. Kontakt: Telefon 0 69 / 2 47 51 58 20

Hintergrund

Initiative Arbeit

Die Jugendberufshilfe-Einrichtung Gelbes Haus wurde 1984 gegründet. Der Name des Hauses in der Nähe des Offenbacher Hauptbahnhofs (Marienstraße 36) leitet sich von seinem gelben Anstrich ab. Es befindet sich in der Trägerschaft der „Initiative Arbeit im Bistum Mainz“. Außer in Offenbach betreibt der Verein in Griesheim (Ketteler- Cardijn-Werk), in Dreieich und in Rüsselsheim Einrichtungen, die Qualifizierungs- oder Ausbildungsmaßnahmen anbieten. (ond)

Zur Sache

Einstiegshilfe

Rund 80 Personen im Alter zwischen 16 und 26 Jahren nehmen derzeit an einer berufsvorbereitenden Maßnahme des Gelben Hauses in Offenbach teil. Die angebotenen Kurse dienen der Berufsvorbereitung und der Orientierung. Fachkräfte sind bei der Bewerbung und der Suche nach einem Praktikumsplatz behilflich. Der praxisorientierte Unterricht bietet die Möglichkeit, sich auf den Hauptschulabschluss vorzubereiten. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Begleitung von jungen Frauen/ Müttern beim beruflichen (Wieder-) Einstieg.

Finanziert werden die vom Gelben Haus angebotenen Maßnahmen zum großen Teil durch Gelder der Arbeitsagenturen und des Europäischen Sozialfonds. Auch das Bistum Mainz und die Stadt Offenbach sind beteiligt. Spenden ermöglichen die Anschaffung von Werkzeugen und die Durchführung von Exkursionen. (ond)

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