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Kaum eine „Willkommenskultur“
21.02.10

Kaum eine „Willkommenskultur“

Podiumsdiskussion beschäftigt sich mit religiöser Diskriminierung

 

Ausgabe 8 vom 21. Februar

Von Bernhard Perrefort

Frankfurt. „Meinen Sie Eckenheim?“ Was als völlig harmlose Frage gelten könnte, bekommt für Esther Ellrodt-Freimann einen ernsten Hintergrund. Denn damit beantwortet das Mitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt die Frage, ob sie „mal wieder zu Hause in Israel“ gewesen sei. Ein Beispiel von vielen, das eine Podiumsdiskussion im Haus am Dom zur Sprache brachte. Das erste Mal überhaupt hatte der vor knapp einem Jahr gegründete Rat der Religionen in Frankfurt Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Religionen eingeladen. Motto: „Wenn Glaube stört. Was ist religiöse Diskriminierung?“

Unter Polizeischutz arbeiten

Ellrodt-Freimann, die heute als Ruheständlerin Gruppen durch die Synagoge führt, berichtete weiter von ihren Erfahrungen als Leiterin eines jüdischen Kindergartens. Seit 1972 musste dort unter Polizeischutz gearbeitet werden, es gab Bombendrohungen und Evakuierungen. Ellrodt- Freimann: „Eine bizarre Situation.“ Auch Khushwant Singh, der sich als „Turbanträger“ bezeichnete, hatte ähnliche Erlebnisse. Der deutsche Sigh erzählte von Gegebenheiten, in denen er mit Aussprüchen nach der Wunderlampe oder dem fl iegenden Teppich konfrontiert wurde. Der 11. September 2001 sei ein Wendepunkt gewesen. Khushwant Singh, der heute bei der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit in Eschborn arbeitet und im Ausland als deutscher Repräsentant wahrgenommen werde, beklagte gerade hierzulande ein Schubladendenken. Trotz eines Einser-Abiturs sei er zum Beispiel nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen worden. Viele Sikhs zögen nach England, weil sie sich dort heimischer fühlten.

Gängigen Klischees zu widersprechen und aus der Opferrolle herauszukommen, waren für das Kompetenzzentrum Muslimischer Frauen Grund genug, gerade keine Kopftuchträgerin ins Haus am Dom zu schicken. „Beide Seiten müssen die stigmatisierenden Muster verlassen“, meinte Naime Cakir, die aber freimütig Probleme zur Rolle der Frau im Islam einräumte. Diese müssten aber von innen bearbeitet werden. Dabei sprach sich Cakir klar für das Selbstbestimmungsrecht der Muslima – mit und ohne Kopftuch – aus: „Wir sind deutsch und muslimisch.“

„Multi-Kulti“ in der deutschen Rechtsprechung gibt es nicht, urteilte Matthias Rohe. Der Professor für Bürgerliches Recht an der Universität Erlangen-Nürnberg appellierte dennoch an die Justiz, in Einzelfällen auch mal zwischen Recht und Religion abzuwägen. Er nannte solche Möglichkeiten „schonende Lösungen“ bei Konfl ikten. Warum, brachte er in die Diskussion ein, sollte es nicht auch möglich sein, dass geschlechtsspezifi scher Schwimmunterricht angeboten werde? Er ging damit auf ein Urteil eines Gerichtes ein, wonach ein muslimisches Mädchen zwingend am Schwimmunterricht mit Jungen teilnehmen musste.

Wechselseitige Offenheit und Transparenz

Vorurteile lassen sich nach Ansicht des hessischen Integrationsministers Jörg-Uwe Hahn am besten durch Bildung beseitigen. Er forderte von allen Religionsgemeinschaften in Deutschland wechselseitige Offenheit und Transparenz. Damit wusste er sich einig mit den anderen Vertretern auf dem Podium, die von der Vermittlung eines guten Rüstzeuges und der notwendiger Aufklärungsarbeit sprachen. Denn Diskriminierung, so die verbreitete Ansicht, geschehe meist aus Unkenntnis über den jeweils Anderen. Zu lange, so Hahn, sei verkannt worden, dass Deutschland Einwanderungsland sei. Eine „Willkommenskultur“ gebe es nicht von heute auf morgen.

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