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Die Schattenseiten der Religion
27.02.11

Die Schattenseiten der Religion

Lutz Lemhöfer hat es im Referat für Weltanschauungsfragen mit Sekten zu tun – Ruhestand

 

Ausgabe 9 vom 27. Februar 2011

Auch in Zeiten des Internets sind Bücher für Lutz Lemhöfer eine wichtige Informationsquelle.

Von Barbara Brüning

Nach 14 Jahren verlässt Lutz Lemhöfer das Referat für Weltanschauungsfragen und geht mit seinem 63. Geburtstag Anfang April in den Ruhestand. Er war der zweite Amtsinhaber des 1988 gegründeten Referats.

Der Sektenbeauftragte des Bistums Limburg, der, schenkt man dem Aufkleber auf seinem Monitor Glauben, Sekt lieber mag als Sekten, steht in seinem Büro im Haus am Dom, Frankfurt, vor einem Wandschrank mit sorgfältig verschlossenen Türen. Über 200 Aktenordner, akribisch beschriftet mit völlig gleich aussehenden Rücken, enthalten Informationen zu Sekten und religiösen Gruppierungen.

Literatur sichten, Artikel in Zeitschriften auswerten, Informationen sammeln. Eben das Quellenstudium gehört zu seinem Aufgabengebiet ebenso wie die Beratung Hilfesuchender. Als er die Stelle angetreten habe, sei ihm nicht klar gewesen, dass sie einen so großen Teil an seelsorgerischer Arbeit umfasse. Der Diplomtheologe, in der Katholischen Akademie Rabanus Maurus auch für den Bereich „Neue religiöse Strömungen und Zeitgeschichte“ verantwortlich, ist fasziniert von den Menschen, denen er begegnet ist. „Ich bin beeindruckt, dass das eine Stelle ist, der die Leute inner- wie außerkirchlich so viel Vertrauen entgegen bringen.“

Mitglied sein ist nicht verboten

Zu 80 Prozent seien es Angehörige, die ihn aufsuchten. Eine Mutter etwa, die ihn bittet, ihren Sohn da rauszuholen. „Wenn der Sohn allerdings schon 35 ist, dann gestaltet sich das Rausholen schwierig“, erklärt Lemhöfer lächelnd. Schließlich kann niemandem verboten werden, sich einer Sekte anzuschließen. Dennoch könne man etwas für die Menschen tun: Zuhören, Konfliktlinien entwirren. Wie kann jemand damit weiter leben, dass der Partner oder ein Kind Mitglied einer Sekte geworden ist? Probleme entstehen, wenn die Familie nicht mitzieht. Gab es vielleicht schon vorher Beziehungsprobleme. Manchmal sei es auch notwendig, getrennte Konten zu führen, denn häufig werde viel Geld in die neue Gemeinschaft gebuttert, lautet ein weiterer Rat Lemhöfers.

Hat sich jemand entschieden, eine religiöse Gruppierung zu verlassen, dann kann der Sektenbeauftragte Hilfestellung geben. Lutz Lemhöfer erzählt zum Beispiel von einer Frau, die Scientology verlassen wollte: Sie hat weiterhin zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten Besuch von anderen Sektenmitgliedern bekommen. Oft ist sie angerufen worden und wusste sich nicht zu wehren. Lemhöfer riet ihr, für eine Weile wegzufahren, den Austritt durch einen Rechtsanwalt erklären zu lassen und weiterhin jeden Kontakt zu meiden. Unbezahlte Bücher, die sie gar nicht mehr haben wollte, gab der Sektenbeauftragte für sie zurück.

Anders als noch in den 1970-er und 1980-er Jahren ist esoterisches Denken laut Lemhöfer heute weit verbreitet. Es überschneide sich mit dem alternativen Gesundheitsmarkt. Die neuen Führer versprächen Heilung von Körper und Seele. Und viele bedienten sich wie auf einem Markt – häufig ohne zu wissen, welche Konsequenzen das jeweilige Glaubenselement habe, erläutert Lemhöfer.

Der Vater zweier erwachsener Kinder sieht es als Herausforderung an, sich den Schattenseiten der Religion zu stellen. Autoritätsmissbrauch, Übergriffe ins Private, Selbstvergötzung seien immer auch in den großen Religionen möglich. Allerdings gebe es da meist regulierende Kräfte, die solchen Auswüchsen entgegensteuern können. Jedenfalls ist Lemhöfer froh, dass seine Stelle erhalten bleibt. Das Bistum sei gut beraten, sich einen Experten für diese Fragen zu haben, findet Lemhöfer. Ein Nachfolger ist mit Thomas Wagner dann auch bereits gefunden. „Er kommt jetzt schon ab und zu hierher und lässt sich einarbeiten“, freut sich Lemhöfer.

Zeit für Kriminalromane

Den Blick auf den Dom werde er nicht vermissen, glaubt der passionierte Musiker. Er wohnt im Frankfurt-Schwanheim. Dort schaut er auf den Wald, das sei auch nicht schlecht. Außerdem werde er Zeit haben, wieder regelmäßig Querflöte zu üben, und nicht wie im Moment nur am Wochenende. Mit seiner Frau, die klassische Gitarre spielt, möchte er gemeinsam musizieren. Und auch mit der Gruppe Abraxas.

Und dann bleibt da noch sein anderes Hobby: Kriminalromane lesen. Am liebsten solche, in denen Religion eine Rolle spielt.

Referat für Weltanschauungsfragen in Frankfurt: Telefon 069/8008718310, E-Mail: weltanschauunungsfr-ffm@bistum-limburg.de

Zur Person

Nachfolger

Dr. Thomas Wagner wird Nachfolger von Lutz Lemhöfer als Sektenbeauftragter des Bistums Limburg. Der Diplomtheologe, Diplompädagoge, Meditationsbegleiter, Berater und Trainer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Oswald-von-Nell-Breuning-Institut für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik an der Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt. (bp)

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