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Regelmäßig Sprechstunde
22.08.10

Regelmäßig Sprechstunde

Zahnbehandlungen im Zentrum für Wohnungslose des Caritasverbandes Frankfurt

 

Ausgabe 34 vom 22. August

Stefan Molitor (rechts) wurde von Dr. Thomas Ernst kein Zahn gezogen. Foto: Barbara Brüning

Von Barbara Brüning

Frankfurt. Um neun Uhr öffnet das Zentrum für Wohnungslose der Caritas. Schon eine viertel Stunde vorher warten fünf Männer vor der Tür. Täglich finden hier ärztliche Sprechstunden für Wohnungslose und Bedürftige ohne Krankenversicherung oder ungeklärten Versicherungsstatus statt.

Nachdem sich die Männer an der Rezeption angemeldet haben, setzen sie sich ins Wartezimmer und trinken Kaffee und Mineralwasser. Am heutigen Dienstag kommt wie donnerstags auch seit einigen Wochen ein Zahnarzt.

Dr. Thomas Ernst hat seine Praxis im Frankfurter Nordend an diesem Vormittag geschlossen. Ehrenamtlich tut er hier Dienst. Zusammen mit einer Mitarbeiterin. Die Beiden sind zum ersten Mal hier und müssen sich erst orientieren. Wie ist der Stuhl zu bedienen? Wo sind die Bohrer, wo die Polierer? Seine Mitarbeiterin steht vor einem echten Problem. Die Patientendaten werden auf Karteikarten geführt. Das hat sie zwar in der Ausbildung gelernt, aber in der Praxis noch nicht gehandhabt.

Stefan Molitor ist aufgeregt. Schon während der Zahnarzt angefangen hatte, stand er in der Tür und erklärte, was bei ihm voraussichtlich zu tun sei. Nun ist es soweit. Der 41-Jährige befürchtet, dass einige Zähne gezogen werden müssten. Dabei fehlen schon ein paar. Als der Arzt ihm versichert, dass man wahrscheinlich alle retten könne, ist er sichtlich erleichtert. „Ich bin begeistert von ihm, er ist ein Superarzt“, erzählt er hinterher freudig der Sprechstundenhilfe. „Da muss nichts raus. Kann man alles retten.“

„Unser Ziel ist es, ihnen die Angst soweit zu nehmen, dass sie irgendwann wieder in normale Zahnarztpraxen gehen können.“
Schwester Maria Goetzens

Ernst habe in einer Fachzeitung gelesen, dass hier Zahnärzte gesucht werden, die ehrenamtlich Obdachlose oder Notleidende behandeln. Die Idee habe ihm spontan gefallen und so habe er sich mit seiner Mitarbeiterin gleich gemeldet. „Keine Ahnung, was mich erwartet“, sagt er mit strahlendem Zahnarztlächeln, „aber wir sind auf alles eingestellt.“ Die Beiden finden Amalgam im Schrank. „Das wird bei uns in der Praxis überhaupt nicht mehr verwendet“, erzählt die Zahnarzthelferin. „Ich habe das noch nie gemacht. Wahrscheinlich gibt es hier noch einiges zu lernen.“

Dr. Maria Goetzens, Missionsärztliche Schwester und Ärztin, die die Elisabeth-Straßenambulanz leitet, ist froh über die Akzeptanz des Angebots. Die meisten, die hier herkommen, waren schon lange nicht mehr beim Zahnarzt. Die Hemmschwelle ist noch höher als bei herkömmlichen Ärzten. „Unser Ziel ist es, ihnen die Angst soweit zu nehmen, dass sie irgendwann wieder in normale Zahnarztpraxen gehen.“ Das könnte gelingen. Stefan Molitor ist von Dr. Ernst so begeistert, dass er ihm bestätigt: „Zu Ihnen könnte ich ja auch mal in die Praxis kommen.“

Dr. Agnes d’Albon ist die Initiatorin des Projekts. Sie ist Zahnärztin und Künstlerin. Beides hat sie studiert. Und wenn es ihr selbst schlecht geht, dann hilft ihr die Kunst über die Krise hinweg. „Da hatte ich die Idee, es könnte auch bedürftigen Menschen gut tun, sich mit Kunst zu beschäftigen“, erzählt sie. Mit dem kürzlich gestorbenen Bruder Wendelin von den Franziskanern habe sie zuerst gesprochen, ihn gefragt, ob er nicht eine Idee habe, wie sie so ein Projekt verwirklichen könne. Aber als er erfuhr, dass d’Albon Zahnmedizinerin ist, sagte er: „Vergessen Sie die Kunst. Wir brauchen Ihre medizinischen Fähigkeiten.“ Es habe eine Weile gedauert, bis sie sich mit dem Gedanken abgefunden habe, erinnert sie sich heute. Aber dann gab es kein Halten mehr. Alle, die irgendetwas damit zu tun haben könnten, habe sie angesprochen. Und es fügte sich, dass das Zentrum für Wohnungslose gerade im Umzug begriffen war. Auch für Dr. Maria Goetzens, die Leiterin, kam sie wie gerufen. So konnte ein Raum als zahnmedizinischer Behandlungsraum umgebaut werden.

Viele formale Hürden waren noch zu nehmen, bis d‘Albon die kassenärztliche Zulassung für die neue Praxis in den Händen halten konnte. Und es bleibt noch einiges zu tun. 24 Zahnärzte haben sich für den ehrenamtlichen Dienst gemeldet. Das genügt fürs erste. Aber finanziell steht alles noch auf wackeligen Beinen. Für Zahnersatz sind allein die reinen Materialkosten sehr hoch. Auch die Kosten für die Wartung der technischen Geräte, des Zahnarztstuhls, des Röntgengerätes belaufen sich auf über 1000 Euro im Jahr. Ohne Spendengelder wird man kaum auskommen.

Eine Zahnarzthelferin wurde im Zentrum für Wohnungslose neu eingestellt. „Damit soll die Kontinuität zwischen den einzelnen Ärzten und Behandlungen sicher gestellt werden“, erläutert Goetzens. Ein einheitlicher Modus der Weitergabe von Informationen an den nächsten Zahnarzt kann entwickelt werden. Denn eine Hoffnung wird sich für Stefan Molitor nicht erfüllen: Es wird nicht Dr. Ernst sein, der die Behandlung fortsetzt. Am nächsten Donnerstag wird ein anderer Zahnarzt oder eine andere Zahnärztin die Arbeit fortführen. Und Ernst möchte wiederkommen.

Zur Sache

Unter einem Dach

Die Elisabeth-Straßenambulanz der Caritas fährt schon seit 1993 mit einem eigens für die aufsuchende Pflege entwickelten Ambulanzbus dorthin, wo sich Wohnungslose aufhalten. Im Fahrzeug können Verletzungen und Hautkrankheiten direkt behandelt werden.

Im Caritas-Zentrum für Wohnungslose in der Klingerstraße 8, in dem viele Dienstleistungen für Betroffene unter einem Dach gebündelt sind, stehen Räume unter anderem für die medizinische Versorgung zur Verfügung. Hier finden regelmäßig ärztliche und zweimal wöchentlich zahnärztliche Sprechstunden statt.

Caritasverband Frankfurt, Wohnungslosenhilfe, Klingerstraße 8, 60313 Frankfurt, Telefon 069/297208720

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