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Vielerlei Bedürfnisse
17.04.11

Vielerlei Bedürfnisse

Cäcilia Kuhn bringt Erkenntnisse aus Ethikkurs in die Seelsorge an der Uniklinik Frankfurt ein

 

Ausgabe 16 vom 17. April 2011

Pfarrer Rainer Frisch freut sich, dass seine Kollegin Cäcilia Kuhn ethische Fragen in der Klinikseelsorge neu bewerten kann. Foto: Barbara Schmidt

Von Barbara Schmidt

Ein Jahr hat er gedauert – der Kurs „Medizinethik in der Klinikseelsorge“ an der Universität Frankfurt. Wie wirken die Erkenntnisse daraus in den Arbeitsalltag hin? „Der Sonntag“ hat nachgefragt.

Ein bisschen ist sie wie eine Stadt in der Stadt. Die Frankfurter Uniklinik hat 15 Fachbereiche, 1169 Betten, jährlich rund 46000 stationäre und 213000 ambulante Patienten (Zahlen von 2008) sowie 4500 Mitarbeiter und 3300 Studenten. Kein kleines Arbeitsfeld für das Team der katholischen Krankenhaus-Seelsorge von Klinikpfarrer Rainer Frisch. Die Diplom- Theologin Cäcilia Kuhn und die Heilig-Geist-Schwester Gabriele Hennig gehören dazu. Die beiden Frauen haben die Chance genutzt, die ihnen der interdisziplinäre Kurs „Medizinethik in der Klinikseelsorge“ eröffnete.

Er bot Gelegenheit, „den aktuellen Stand der Wissenschaft in diesem Bereich zu verknüpfen mit der Praxis“, wie Cäcilie Kuhn es auf den Punkt bringt. Ethische Fragestellungen sind für die Seelsorgerin „praktisch mein täglich Brot“, doch das Studium, in dem auch medizinische Ethik ein Thema gewesen sei, liege ja schon eine Weile zurück, sagt die 48-Jährige. Da hat sie gern die Gelegenheit ergriffen, sich einmal neu auch auf wissenschaftlicher Ebene mit der Problematik zu befassen. Mit 14 weiteren Teilnehmern aus ganz Deutschland hat Kuhn das einjährige, berufsbegleitende Fortbildungsangebot genutzt. „Es ging nicht nur um reine Wissensvermittlung, sondern auch darum, in Fallarbeit die Dinge anzuwenden“, erzählt die Seelsorgerin. Da der Kurs nicht für Berufsanfänger gedacht war, hätten die Teilnehmer „einen Riesenfundus an Wissen und Erfahrung“ einbringen können, schätzt es Cäcilia Kuhn besonders, dass so jeder auch von den Kompetenzen der anderen habe profitieren können.

Im Mittelpunkt steht immer der Patient

„Das Problembewusstsein schärft sich, je mehr man im Klinikalltag arbeitet“, weiß Pfarrer Rainer Frisch. Ethische Fragen sind dabei nicht immer leicht zu beantworten, gerade wenn es um Fragen nach lebensverlängernden Maßnahmen oder um Abwägungs- Entscheidungen geht, ob das Risiko einer Operation eingegangen werden sollte. Zuerst und im Mittelpunkt ist da natürlich der Patient.

Auch jede beteiligte Berufsgruppe habe ihre Sicht auf die Dinge. Die medizinische Beurteilung durch die Ärzte wird ergänzt durch die Einschätzung der Pflegekräfte, die die Patienten oft besonders gut kennen, weil sie viel Zeit mit ihnen verbringen. Auch die Angehörigen sind betroffen. Wenn sie, wie in dem Fall einer hoch betagten Frau, noch auf eine Maximal-Therapie drängen, in der die Ärzte keinen Sinn mehr erkennen und die die Pfleger vor das Dilemma stellt, dass sie durch die angeordneten Maßnahmen das Leiden des Menschen nur verlängert sehen, besteht Gesprächsbedarf. „Ihr habt doch Ahnung von Ethik. Helft uns!“, heiße es dann, sagt Pfarrer Frisch.

Für die Seelsorger gibt es da auch ganz grundsätzliche Fragen wie diese: „Wem steht es zu, die ganzen Motive, die hier im Spiel sind, zu bewerten?“ Dass auch sie ja keine neutrale Position vertreten, sondern ihr christliches Welt- und Menschenbild in die Diskussion mitbringen, müsse man sich immer wieder bewusst machen. „Wir haben ein ,Vorurteil‘, die Unverfügbarkeit des Lebens“, wissen die Seelsorger. Wichtig sei, „immer wieder den Blick auf den Patienten zu lenken“, erläutert Frisch, „aber auch die Bedürfnisse der anderen zu erkennen.“ Von den Seelsorgern werde erwartet, „dass wir ethisch verantwortbare Positionen vertreten“, weiß Rainer Frisch. Und er ist sich sicher, dass das, was er oder andere Mitglieder des Teams äußern, auch gehört werde.

„Wie bewegt man sich zu einer Lösung?“

Der Kurs, den Cäcilia Kuhn und ihre Kollegin Hennig absolviert haben, sollte auch der „Sprach- und Sachkompetenz“ der Seelsorger dienen. „Es geht darum, Rechenschaft abzulegen, was man tut und warum“, berichtet Kuhn. Es gelte „mit nachvollziehbarer, verstehbarer Begründung“ zu kommunizieren, dass die eigene Position nicht nur auf „irgendein Gefühl“ zurückgehe. „Es geht nicht darum, dass man selbst die Lösung für ein Problem weiß“, macht Klinikpfarrer Frisch deutlich, „sondern eher darum, dass man den Mut hat zu sagen: Das und das ist das Problem. Wie bewegt man sich zu einer Lösung?“

Der Kurs zur medizinischen Ethik könne diesen Mut befördern und helfen, sich der eigenen Position sicherer zu werden, meint Cäcilia Kuhn. Die systematische Aufarbeitung der verschiedenen ethischen Ansätze, „was es gibt und wie es zusammenhängt“, will sie gern auch noch weiter vertiefen. Dass davon auch der Austausch im Team profitiert, kann Rainer Frisch nur begrüßen. „Für den Dialog zwischen den Kollegen ist das sehr befruchtend“, sagt der Klinikpfarrer.

Zur Sache

Nur ein Gebet am Krankenbett reicht nicht mehr

„Ethik in der Klinikseelsorge“ ist der Zertifizierungskurs des Fachbereichs Moraltheologie und Sozialethik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt überschrieben, der von Professorin Dr. Hille Haker und ihrem Team erstmals 2010 angeboten wurde. Theologischethische Fragestellungen sollten mit Blick auf die medizinische Praxis vertieft werden. Das trägt der Erkenntnis Rechnung, dass auch die Klinikseelsorge in den immer komplexeren Fragen, die der medizinische Fortschritt heraufbeschwört, seine Kompetenzen als Dialogpartner stärken muss. „Das Gebet am Krankenbett reicht nicht mehr aus“, sagt Gwendolin Wanderer, wissenschaftliche Koordinatorin im seit 2006 bestehenden Forschungsprojekt „Ethik in der Klinikseelsorge“ an der Uni Frankfurt.

Das Themenspektrum des Kurses ist breit angelegt. Patientenverfügungen oder Hospizarbeit gehörten genauso dazu wie Gottesbild und Sakramentsverständnis oder die Schweigepflicht.

Für den vom Bistum Limburg unterstützten Zertifizierungskurs gibt es eine Kooperation mit Einrichtungen in den USA. Voraussetzung für den Abschluss ist die regelmäßige Teilnahme an den Veranstaltungen, Vor- und Nachbereitung der Sitzungen, die schriftliche Dokumentation eines Falles sowie das Verfassen einer schriftlichen Hausarbeit. 2010 betrug die Kursgebühr 500 Euro. Der nächs-te Kurs beginnt 2012. (babs/wei)

Informationen: Telefon 069/79833352, E-Mail: ethik-in-der-klinikseelsorge@em.uni-frankfurt.de; www.ethik.uni-frankfurt.de/Forschung/Klinikseelsorge/index.html

Stichwort

Medizinethik – vier Prinzipien

  • Respekt vor Autonomie: Hat der Patient die Entscheidungsgewalt? Wo ist er in seiner Selbstbestimmung beeinträchtigt? Gibt es sachliche Gründe für eine Beeinträchtigung?
  • Fürsorge: Wo müssen Dritte Hilfestellung leisten? Hat der Patient dafür sein Einverständnis gegeben? Welche Hilfe möchte er in Anspruch nehmen?
  • Nicht-Schaden: In welcher Weise nützt oder schadet eine geplante Therapie? Weiß der Patient um Einschränkungen?
  • Gleichheit und Gerechtigkeit: Welche Ressourcen werden für eine Therapie eingesetzt? Wie wirken sich Behandlungsmaßnahmen auf Patienten mit demselben Leiden aus? Können die Vorgaben des Managements erfüllt werden? (nach Beachamps/Childress: „Principles of Biomedical Ethics“)

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