Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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Engel schwebt auf den Dom zurück
14.11.09

Spannender Moment: Steinmetz Tobias Janz (vorne links) lässt den Engel„fliegen“. Rechts: Domdekan Heinz Heckwolf. Foto: Julia Jendrsczok

An Seilen festgezurrt schwebt der 1,20 Meter große Engel aus Miltenberger Sandstein seinem neuen Standort entgegen. Ein Autokran hievt das 200 Kilogramm schwere Werk an seinen zukünftigen Platz hoch oben auf dem Nordgiebel des westlichen Querhauses.

„Es wäre schön, wenn der Engel die nächsten 200 Jahre übersteht“, sagt Steinbildhauer Frank Schärf. In vier Monaten und etwa 400 Arbeitsstunden hat der Mitarbeiter der Mainzer Dombauhütte den Engel aus dem Stein gehauen.

Nach mehr als drei Jahren ist der Domengel auf seinen Platz zurückgekehrt. Es ist schon die dritte Kopie des Kunstwerks, das um das Jahr 1210 entstanden ist. Das Original steht im Kreuzgang des Mainzer Dom- und Diözesanmuseums. Im Mai 2007 wurde die letzte Kopie aus dem Jahr 1974 vom Dach geholt, da sie zahlreiche Risse bekommen hatte. Deshalb fertigte Schärf einen neuen Engel an.

Er stellte einen Abguss her und modellierte die fehlenden Stellen mit Plastilin. Nach einem weiteren Abguss fertigte er einen Gipsengel an, der als Vorlage für die neue Figur diente. Der Bildhauer markierte die Gipsvorlage mit zahlreichen Messpunkten und übertrug die Maße mithilfe eines Punktiergerätes auf die neue Figur.

„Die Rekonstruktion war das Schwierigste“, sagt Schärf. Die zuständigen Kunsthistoriker unter der Leitung von Dom- und Diözesankonservator Dr. Hans- Jürgen Kotzur verglichen den Engel mit anderen Kunstwerken seiner Epoche, auch aus Straßburg und Reims in Frankreich. Durch den Vergleich erhielten sie Anhaltspunkte, wie der Engel ausgesehen haben könnte. „Im Idealfall ist bei einer Rekonstruktion die künstlerische Freiheit gleich Null, weil man sich vollständig am Original orientiert“, sagt Schärfs Kollege Tobias Janz.

Der Original-Engel war zwar in seiner Grundform erhalten, doch viele Details durch Witterungsschäden nicht mehr zu erkennen. Ein großes Rätsel: die rechte Hand. In der linken hält er ein Buch, was er in der rechten Hand hielt, ist unbekannt. Die Kunsthistoriker entschieden sich bei der neuen Kopie für ein Kreuz in der rechten Hand.

Ohne Dach über dem Kopf muss der „neue Engel“ jetzt an exponierter Stelle Wind und Wetter trotzen. Damit er nicht vom Dom fällt, ist er mit Dübeln und eisernen Verstrebungen gesichert.

Domdekan Heinz Heckwolf ist mit der Rekonstruktion zufrieden: „Ich bin stolz, dass die Mitarbeiter der Dombauhütte in der Lage sind, ein solches Kunstwerk herzustellen. Damit ist ein weiteres wichtiges Projekt der Domsanierung erfolgreich abgeschlossen.“

Julia Jendrsczok

© Annegret Burk