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„Demokratie ist die Lösung!“
13.02.11

„Demokratie ist die Lösung!“

Pfarrer Joachim Schroedel, seit 15 Jahren Seelsorger in Kairo, zum Aufstand der Ägypter

 

Ausgabe 7 vom 13. Februar 2011

Monsignore Joachim Schroedel auf dem Tahrir-Platz in Kairo, dem „Platz der Befreiung“. Foto: privat

Eine Atempause für Pfarrer Joachim Schroedel, den Seelsorger der deutschsprachigen Katholiken in Kairo: Für eine Woche ist er in seinem Heimatbistum Mainz. Er hat die Hoffnung, dass Muslime, Christen und Nichtglaubende gemeinsam ein neues Ägypten schaffen.

Frage: Was haben Sie in dieser Zeit des Umbruchs erlebt, wie beurteilen Sie die Situation?

Joachim Schroedel: Als am 2. Februar aufgehetzte und bezahlte Horden auf Kamelen und Pferden die friedlichen Demonstranten am Tahrirplatz apokalyptisch überfielen, war der Höhepunkt der Gewalt erreicht. Nach einer fürchterlichen Nacht mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen entschloss sich die Regierung endlich, das Militär einzubringen. Mit sehr vielen meine ich, dass schon hier das Regime den Versuch unternommen hat, den verhassten Präsidenten Husni Mubarak als „Retter in der Not“ herauszustellen. Inzwischen ist eine Ruhe eingekehrt, die sehr trügerisch sein kann. Vielleicht meint das „System Mubarak“, das „dumme Volk“ mit einigen „Wohltaten“ abzuspeisen. Die Bilder der Gespräche des neuen Vizepräsidenten Omar Suleiman mit Oppositionskräften unter einem übergroßen Portrait von Mubarak waren unsäglich! Mubarak und dessen System helfen keine kosmetischen Korrekturen; das System muss ersetzt werden!

Sind Christen besonders gefährdet, oder eher im Aufstand mit den Muslimen vereint?

Am vergangenen Sonntag betete eine christliche Gemeinschaft auf dem Tahrirplatz, zuvor hatten Christen Muslime bei ihren Gebetszeiten beschützt. Dies sind nicht inszenierte Ereignisse; Christen und Muslime haben zusammen das Ziel, Demokratie in Ägypten Wirklichkeit werden zu lassen.

Wird Ägypten jetzt islamistisch und zur Gefahr für Israel?

Eine Aufschrift auf einem Taxi, das ich gestern gesehen habe, lautete: „Al Demokratia hia al hal“ – „Die Demokratie ist die Lösung“. Diese Formulierung greift die Formulierung der Muslimbrüder auf: „Al Islam huwwa el hal“ – „der Islam ist die Lösung“. Über Jahrzehnte hat Mubarak die Muslimbrüder als Bedrohung bezeichnet. So denkt auch heute noch das Volk in Ägypten: Was kann die Alternative zu Mubarak sein? Ich stehe mit vielen auch ganz einfachen Ägyptern in Kontakt. Keiner will einen „islamistischen Staat“. Ägypter sind liberale, ja weltoffene Menschen! Das System Mubarak hat viele Ägypter in die Arme der Muslimbrüder gespielt; wer vom Staat keine Hilfe mehr bekommt, von den religiösen Gruppen des Islam aber erhält, der wird auch deren Wähler und Anhänger sein. Der Staat hat 40 bis 50 Prozent der Bevölkerung einfach nicht mehr beachtet, und das seit spätestens 2005. Ein Ägypter dieser Schicht lebt von zwei US-Dollar am Tag. Im übrigen ist auch Israel auf dieses Schreckensszenario gepolt worden. Ich bin überzeugt, dass die Muslimbrüder keine Gefahr darstellen.

Welches wäre eine wünschenswerte Lösung aus Ihrer Sicht, welches die schlechteste Lösung?

Mubarak muss jetzt vom politischen Parkett verschwinden, und mit ihm auch der ehemalige Geheimdienstchef und jetzige Vizepräsident und ergebene Knecht seines Herrn, Omar Suleiman, und eine ganze Reihe von korrupten Ministern, Generälen und Subalternen. Tausende von Beamten haben sich bereichert, an der Spitze Familie Mubarak, die dem Volk 40 bis 70 Milliarden US-Dollar gestohlen hat. Das Schlimmste, was passieren könnte: Mubarak geht irgendwann im zweiten Halbjahr, aber das System Mubarak lebt weiter. Dann sind Hunderte von Toten in Kairo, die für Freiheit auf dem Platz der Befreiung (Tahrir) eingetreten sind, umsonst gestorben. Aber ich bin hoffnungsvoll. Christen, Muslime, Nichtglaubende: Gemeinsam werden sie das neue Ägypten schaffen.
Interview: Ruth Lehnen

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