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Wenn der Arzt weit weg wohnt
26.06.11

Wenn der Arzt weit weg wohnt

Mainzer Kongolesin will mit dem Verein „Lisungi“ Kranken in ihrer Heimat helfen

 

Ausgabe 26 vom 26. Juni 2011

Afrikanischer Abend im Erbacher Hof in Mainz mit Tanz, Gesang und afrikanischen Spezialitäten – mit solchen Veranstaltungen will der Verein Lisungi auf die Situation im Kongo hinweisen. Fotos: Daniela Tratschitt

Luzeyi Kuelusukina (49), Gründerin des Lisungi Gesundheitsfördervereins Kongo

Von Daniela Tratschitt

In Deutschland ist das ganz alltäglich: Wer krank ist, geht zum Arzt, und wer ernsthaft krank ist, ruft den Krankenwagen. Das ist nicht überall so.

Selbst wenn in Deutschland inzwischen von einem „Ärztemangel auf dem Land“ gesprochen wird, ist die Situation hierzulande entspannt. Vor allem, wenn man als Vergleich Länder wie die Demokratische Republik Kongo betrachtet. In einem der ärmsten Länder der Welt kann man von Glück reden, wenn ein Kranker einen Arzt innerhalb von einem Tag Fußmarsch erreichen kann. In der Hauptstadt Kinshasa ist die Situation zwar besser, aber sobald man an deren Peripherie wohnt, empfiehlt es sich nicht, krank zu werden.

Schwangere, Kinder und Landbevölkerung im Fokus

Luzeyi Kuelusukina weiß von den Zuständen in ihrem Heimatland und hat beschlossen, von ihrer neuen Heimat Mainz aus etwas dagegen zu unternehmen. Aus diesem Grund haben sie und neun andere im Mai 2009 den Verein Lisungi gegründet. Der Name bedeutet auf Lingala, einer der vier Hauptsprachen des afrikanischen Landes, „helfen“. „Zuerst haben wir einfach Spenden gesammelt und Infoabende durchgeführt“, erinnert sich die Diplom-Betriebswirtin, die im Sekretariat des Referats Weltmission/Gerechtigkeit und Frieden im Bischöflichen Ordinariat in Mainz arbeitet. „Aber wir wollen richtig helfen.“

Und genau das tut der Verein inzwischen auch, besonders schwangeren Frauen, Kindern und der Landbevölkerung rund um Kinshasa. Die mobile Klinik, ein alter Krankenwagen des Malteser Hilfsdiensts, fährt viermal in der Woche mit ein bis zwei Ärzten, einer Krankenschwester/Hebamme und zwei Pflegern durch die Dörfer, um sich dort um die Alten, Kranken und Hilfsbedürftigen zu kümmern. Wenn es etwas Ernstes ist, wird der Einsatz abgebrochen und man bringt den Patienten in die „Polyclinique le Germe“, ein Krankenhaus, mit dem der Verein seit Jahren zusammenarbeitet. Die anderen Kranken, die vielleicht noch Hilfe gebraucht hätten, müssen warten. Oder zu Fuß zum nächsten Arzt marschieren.

Um noch mehr Menschen auf die Situation des Gesundheitssystems im Kongo aufmerksam zu machen, mehr Spender zu finden und damit noch mehr helfen zu können, veranstaltete der Verein im Erbacher Hof einen Afrikanischen Abend – mit Tanz, Gesang und afrikanischen Spezialitäten, aber auch mit zwei sehr interessanten Vorträgen.

„Eine Frau im Kongo ist zuerst immer eine Mama“

Nach einem Trommelkonzert von Paul Diassy und Modon Seck sowie einer Gesangseinlage des Chors „Les agneaux de Dieu“ berichtet Dr. Veronique Okyta amüsant und eindrücklich von der Stellung der kongolesischen Frau in der modernen Gesellschaft, aber nicht, ohne vorher noch einmal viele, bislang wahrscheinlich nicht sehr bekannte Fakten über das Land zu nennen. „Eine Frau im Kongo ist zuerst immer eine Mama und wird auch so angesprochen. Selbst wenn sie erst drei Jahre alt ist.“ Danach erzählt „Mama Lisungi“, Luzeyi Kuelusukina, etwas über Geschichte und Zukunft des Vereins. Besonderen Wert legt sie auf die Notwendigkeit der Arbeit von Lisungi: „Dort herrscht wirklich Not.“

Weil man nicht nur reden, sondern auch feiern wollte, blieben viele bis zwei Uhr nachts. „Wir waren alle glücklich, dass der Abend so gut verlaufen ist“, erklärt die dreifache Mutter, deren Mann und ganze Familie auch für Lisungi arbeiten. „Immerhin kamen fast 80 Besucher. Und wenn bei jedem etwas hängen geblieben ist, dann ist das ein großer Erfolg für uns.“

Internet: www.lisungi.de

Drei Fragen an…

„Ich habe die Zustände am eigenen Leib erfahren“

Frage: Warum haben Sie den Verein gegründet?

Kuelusukina: Das ist in meiner persönlichen Lebensgeschichte begründet. Mein Bruder Mark studierte in Hannover Mathematik und Informatik. „Wenn Du dein Abitur hast, hole ich dich nach Deutschland“, hatte er mir versprochen. Und hat es gehalten.

Ich studierte noch hier, als er zurück in den Kongo ging und dort eine Firma eröffnete. Er hat viel gearbeitet und ist selten zum Arzt gegangen. Aus diesem Grund wusste er nicht, dass er Diabetes hatte. Eines Tages, er fühlte sich sehr schlecht, kam er in eine Klinik am Rande der Stadt. Die schnelle Diagnose war Malaria, eine der häufigsten Krankheiten des Landes. Eine Krankenschwester gab ihm ohne weitere Untersuchungen die Standard-Glucose-Infusion. Er fiel ins Koma und starb. Das hat uns alle umgehauen.

Jahre später konnte ich in den Kongo kommen, habe nach meinen Eltern geschaut und mich ein bisschen über die gesundheitliche Situation im Land informiert. Es war schlimm. Als ich 2008 noch einmal im Kongo war und selber Hilfe brauchte, habe ich die Zustände am eigenen Leib erfahren und beschlossen, etwas zu ändern.

Was ist das Schwierigste bei diesem Projekt?

Wie bei anderen auch: die Finanzierung. Wir haben hier in Deutschland viele wunderbare Helfer und Spender, aber wir möchten eigentlich, dass sich Lisungi in Afrika refinanziert. Das Spendensammeln im Kongo ist sehr schwierig, dort hat ja auch niemand Geld. Und die Menschen, denen wir helfen, sollen ja günstig an ärztliche Versorgung und Medikamente kommen.

Ein weiterer Bruder hilft uns, indem er uns Land und seinen Jeep zur Verfügung stellt. Aber 2011 ist Wahljahr im Kongo, vielleicht bewegt sich ja dann etwas. Ansonsten haben wir einige Ideen, die Finanzierung auch dort auf festere Beine zu stellen.

Wie sieht die Planung für die Zukunft aus?

Zuerst einmal haben wir jetzt ein Grundstück gekauft und wollen darauf eine Basisstation bauen, von der aus wir unsere Touren starten können, wo man Patienten mit akuten Notfällen hinbringen und auch kleinere chirurgische Eingriffe vornehmen könnte. Das wäre das Wichtigste.

Allerdings ist unser Auto, die mobile Klinik, inzwischen auch schon sehr in die Jahre gekommen. Das heißt, dass wir uns auch da bald nach etwas Neuem und Zuverlässigem umsehen müssen. Am besten wäre ein Diesel, der ist im Verbrauch billiger.

Gespräch: Daniela Tratschitt

Hintergrund

Kongo: Arm trotz Diamanten

Die Demokratische Republik Kongo ist eines der ärmsten Länder der Welt. Das Bruttoinlandsprodukt ist eines der niedrigsten weltweit – durchschnittlich verdient jeder Kongolese 210 Euro im Jahr. Die Hälfte des Bruttoinlandprodukts wird in der Landwirtschaft produziert, und das, obwohl der Kongo zu den rohstoffreichsten Ländern der Welt zählt. 52 Prozent der Exportgüter sind Diamanten. Die Hauptursachen für die Probleme des Landes liegen in der jahrzehntelangen Ausbeutung durch belgische Kolonialherren und Diktatoren sowie in den blutigen Kriegen – unter anderem im „Afrikanischen Weltkrieg“, der offiziell 2003 beendet wurde, aber im Osten des Kongos immer noch wütet. Außerdem hat sich die Bevölkerung des Kongo in den vergangenen 50 Jahren vervierfacht – auf fast 72 Millionen. Fast die Hälfte der Einwohner sind unter 15 Jahren. Die Kindersterblichkeit liegt bei fast 20 Prozent, die Säuglingssterblichkeit bei 13 Prozent und an Unterernährung leiden circa 79 Prozent. 67 Prozent der Bevölkerung sind außerdem Analphabeten. Auf jeden Arzt kommen im Kongo 9000 Einwohner, in Deutschland sind es 350 pro Arzt. (ela)

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