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Zweiter Mann nach Papst und Kaiser
13.02.11

Zweiter Mann nach Papst und Kaiser

Niedersachse ohne Adelstitel steigt zum Mainzer Erzbischof auf und lenkt ein Stück europäische Geschichte

 

Ausgabe 7 vom 13. Februar 2011

Brauchte Erzbischof Willigis für seine pompösen Bronzetüren einen größeren Dom? Foto: Daniela Tratschitt

Sakramentar St. Alban um 1000. Zusammen mit der „Willigiskasel“ ist das liturgische Buch in der großen Sonderausstellung „Der verschwundene Dom“ im Dommuseum Mainz vom 15. April bis 16. Oktober zu sehen. Foto: Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum, Mainz / Fotograf: Alberto Luisa, Como

„Willigiskasel“ Foto: Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum, Mainz / Fotograf: Alberto Luisa, Como

Die ersten Stockwerke der Osttürme des Mainzer Doms sind vom Willigis-Bau erhalten geblieben. Zu weiteren Hinterlassenschaften des Erzbischofs im Bistum gehören die Drusus-Brücke in Bingen und das Kloster Disibodenberg. Foto: Daniela Tratschitt

Von Daniela Tratschitt

„Unter Willigis stand fast ganz Mitteleuropa unter Mainzer Herrschaft“, weiß der Historiker Dr. Winfried Wilhelmy vom Dom- und Diözesanmuseum. Mainz war vor 1000 Jahren nicht wie heute die Stadt, die „singt und lacht“.

Mainz war Sitz des Erzkanzlers des Heiligen Römischen Reichs, einem Gebiet das von Kiel bis Rom, von Lüttich bis Brünn reichte. Das Bistum dehnte sich von Bingen bis an die Elbe aus. Die Kirchenprovinz war in 14 Unterbistümer aufgeteilt und reichte von Verden an der Nordsee bis Chur in der Schweiz. „Wäre der Dom damals nicht abgebrannt, hätte es Berlin so nie gegeben. In Mainz wurden die wichtigsten Entscheidungen gefällt“, betont Wilhelmy.

Viele Menschen waren vom Wohlwollen des Mainzer Bischofs abhängig. Durch seine Stellung als Erzkanzler und somit als zweiter Mann nach dem Kaiser waren es sogar noch viel mehr Menschen. „Wobei man nicht vergessen darf, dass wir von einer Einwohnerzahl von 15 bis 20 Millionen Menschen ausgehen. In ganz Europa.“ Also ungefähr so viele Menschen wie heute allein in Peking wohnen.

Gemeinsam mit dem Kaiser regierte Willigis über das Reich. „Im Endeffekt haben beide einander gebraucht, um dieses riesige Gebiet zu kontrollieren“, erklärt der Historiker. Der Kaiser sorgte für Schutz und zusätzliches Land für den Bischof, der Bischof für Nahrung und Verwaltung. Eine Situation, an der beide verdienten, und das Land florierte. „Willigis war kein Seelsorger. Er war ein Politiker.“

Selbst wenn Willigis eher mit der weltlichen als mit der geis-tigen Seite seines Amtes beschäftigt war, kann man ihm nicht absprechen, sich auch um das Seelenheil der Gläubigen gekümmert zu haben: Immerhin erbaute er zusätzlich zu den Stiften St. Alban und St. Peter noch das St. Stephans-Stift und St. Viktor. Hier wurde das Bistum verwaltet,

Recht gesprochen und der Klerus ausgebildet. Gerade letzteres war Willigis wichtig. Seine Stifte, bewohnt von Weltgeistlichen, deren Zusammenleben weniger streng geregelt war als in einem Kloster, sollten zu Zentren der Seelsorge werden.

Legende: Hochschwangere sieht Sonnenleuchten

Dass der Erzbischof eher politisch aktiv war, lässt sich auch an seinem ereignisreichen Leben erkennen. Willigis wurde um 940 in Niedersachsen geboren. Er entstammte einer freien, nichtadligen Familie. Dass sein Vater Wagenbauer war und Mainz so zu seinem Stadtwappen kam, ist Legende.

Eine weitere wurde von Thietmar von Merseburg, einem der bedeutendste Chronisten der sächsischen Kaiserzeit, geschildert: Angeblich habe die hochschwangere Mutter von Willigis im Traum gesehen, wie ein Sonnenleuchten aus ihrem Schoß die ganze Welt mit Flammenstrahlen erfüllte. In der Geburtsnacht sollen alle Tiere des Hofes Nachkommen geboren haben – alles Söhne. Ein Kind also, das zu Großem berufen war. Eine Geschichte, die erklären sollte, warum ein ohne blaues Blut geborener Mann das zweithöchste Amt in Europa inne haben konnte. Der Mainzer Geschichtsforscher sieht das nüchtern: „Willigis war hochgebildet und durchsetzungsfähig. Der König brauchte gutes Personal – da war die Standesfrage nicht so wichtig.“

Was man tatsächlich von Willigis weiß, ist, dass er seine Ausbildung vom kaiserlichen Kaplan Folkold erhielt, dass er Domherr in Hildesheim und 969 Mitglied der königlichen Hofkapelle wurde – damals ein zentrales Organ des Reiches von Kaiser Otto dem Großen. Zwei Jahre später wurde Willigis zu Ottos Kanzler berufen und blieb dies auch unter seinem Nachfolger Otto II. „Seine Kar-riere hat Willigis in seinen 20ern gemacht. Wobei man nicht vergessen darf, dass man damals mit 30 Jahren schon alt war.“

Was danach folgte, legte den Grundstein für Willigis’ politischen Erfolg: 975 verhalf Otto II. seinem Kanzler auf den Bischofsstuhl von Mainz und bestätigte alle bisher dem Amt verliehenen Privilegien. Im selben Jahr erhielt der frischgekürte Erzbischof von Papst Benedikt VII. das Pallium, eine Stola, die vom Papst an den jeweiligen Oberbischof übergeben wird. Mit diesem Zeichen übergab der römische Oberhirte Willigis auch das Recht, als sein Stellvertreter in Deutschland und Gallien bei allen kirchlichen Amtshandlungen eine alle Bischöfe überragende Stellung einzunehmen. Unter anderem war er derjenige, der Kaiser und König krönen durfte.

Das führte dazu, dass Mainz neben Rom bis heute die einzige Diözese der Welt ist, die den Titel eines Heiligen Stuhls führt. Auch wenn die Bezeichnung früher einigen bedeutenden Bischofssitzen verliehen wurde, behielt nach der Säkularisation ausschließlich Mainz seinen Titel.

„Er wollte damit sagen: Ich bin der Papst des Nordens“

Mit der Zeit wurde Willigis dem Papst wohl zu mächtig. Unter anderem mit einer vordergründig liturgischen, letztlich aber kirchenpolitischen, Regelung des Papstes zu Gottesdiensten im Aachener Krönungsdom, verlor Willigis an Macht. Das nahm dieser nicht einfach hin. „Willigis hatte ein übersteigertes Herrschaftsverständnis. Das zeigte sich auch in seinem Dom.“ Denn wenn er schon keine Könige mehr in Aachen salben konnte, dann würde sich Willigis seinen eigenen Krönungsdom bauen.

„Es gibt zwei verschiedene Versionen, wann Willigis anfing, den neuen Dom bauen zu lassen: zum Amtsantritt 975 oder nach der Entscheidung des Papstes 997“, sagt Wilhelmy. Klar ist, dass der Bauherr seinen Dom nach dem Vorbild des alten Petersdoms in Rom bauen ließ. „Er wollte damit sagen: Ich bin der Papst des Nordens.“ Das dreischiffige Langhaus, die Ausrichtung des Hauptaltars nach Westen, die Königsempfangsanlage – all dies war exakt wie in Alt-St.-Peter.

„Deutsche Geschichte wäre sicher anders verlaufen“

Außerdem hatte Willigis ungewöhnlich pompöse Bronzetüren anfertigen lassen. In deren Inschrift ist zu lesen, dass erstmals seit dem Tode Karls des Großen solche Türen gegossen worden seien. Willigis’ Erklärung, warum er einen größeren Dom bauen ließ und nicht den alten – die Johanniskirche am Leichhof – umbaute. 1009 war der Bau beendet. Doch am Vorabend der Weihe brannte der Dom ab. Nur einige Teile blieben erhalten. Der Nachfolge-Dom wurde 1036 eingeweiht, lange nach dem Tode Willigis am 23. Februar 1011. Sein Grab befindet sich deshalb in der von ihm gegründeten Kirche St. Stephan und nicht im Dom. Wilhelmy: „Wenn sein Dom nicht abgebrannt wäre, dann wäre die deutsche Geschichte sicher anders verlaufen.“

Termine

Veranstaltungen zum Gedenkjahr in St. Stephan

  • 22. Februar: Vigil mit Kardinal Karl Lehmann, 19 Uhr
  • 23. Februar: Pontifikalamt mit Kardinal Karl Lehmann, 18 Uhr
  • 17. März: „Willigis – Leben und Werk“, Vortrag von Dr. Stephanie Haarländer
  • 24. März: „Das Stift am Rande der Stadt“, Vortrag von Professor Franz Felten
  • 14. April: „Erzbischof Willigis von Mainz, die Mainzer Stifte und „kirchlich-weltliches“ Alltagswissen an der ersten Jahrtausendwende, Vortrag von Professor Ernst-Dieter Hehl
  • 7. Mai: „Wo ist der Willigis-Schatz?“, Schatzsuche für Kinder und Jugendliche
  • 26. Mai: „Willigis, die Mainzer jüdische Gemeinde und die Rezeption im Roman“, Vortrag von Dr. Peter Waldmann
  • 29. Mai: „Auf Willigis’ Spuren: Gemeindeausflug zum Disibodenberg“ mit Besuch der Klosterruine und Weinverkostung
  • 16. Juni: „Zur Geschichte der Pfarrei St. Stephan“, Vortrag von Dr. Helmut Hinkel
  • 4. September: Sommerfest auf dem Kirchplatz
  • 10. September: „Ein Abend hoch im Turm“, zu Gast beim „Türmer Schneider“
  • 18. September: Kirchweihfest und 30 Jahre Chagall-Seiten-fenster, Konzert um 17 Uhr
  • 16. November: „Verfolgte Christen“, politisches Gespräch mit Ute Granold, Bundestags-Mitglied
  • 20. November: Konzert der Kirchenchöre von St. Alban und St. Stephan, 17 Uhr (ela)
Tipp

Verschwundene Kathedrale

Vom 15. April bis 16. Oktober 2011 gibt es auch im Mainzer Dom- und Diözesanmuseum viel von und über Willigis zu sehen. Immerhin war er der erste Baumeister des verschwundenen Doms – auch wenn der Hauptdarsteller der Ausstellung eigentlich Willigis’ steinerne Machtdemonstration ist.

Die Ausstellung zeigt, welche Veränderungen diese Kirche in den letzten 1000 Jahren durchgemacht hat, gibt mit noch nie präsentierten Exponaten einen lebendigen Eindruck von der Erfahrungswelt der Dombesucher der letzten Jahrhunderte und schickt den Betrachter auf eine Entdeckungsreise durch die Geschichte.

Von Willigis selbst sieht man unter anderem das Büstenreliquiar, die goldene Kasel und einige Handschriften. Also fast alles, was von diesem bedeutenden Mainzer Erzbischof geblieben ist. Museumsdirektor Dr. Hans-Jürgen Kotzur ist sich sicher: „Auch für Domkenner dürfte die Ausstellung Überraschendes bieten.“ (ela)

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